5 Irrtümer über die DIN-Norm

11.02.2019

Friedel Rohde, Projektkoordinator beim Arbeitskreis Beratungsprozesse / Foto: © Arbeitskreis Beratungsprozesse

Irrtum Nr. 4: Einmal DIN, immer DIN

Die Basisanalyse nach DIN bietet sich immer an, wenn der Kunde die finanzielle Situation seines Haushalts einer umfassenden Betrachtung unterziehen möchte. Hierfür wird häufig das Schlagwort „ganzheitlich“ verwendet. Es meint die gleichzeitige Einbeziehung aller Themenbereiche, von der Haftpflicht- über die Krankenversicherung bis zum Vermögensaufbau. Den weit häufigeren Fall, dass Kunden nur zu einem konkreten Einzelanlass (z. B. neues Auto, Nachwuchs oder Kauf einer Immobilie) eine Analyse haben wollen, regelt die Norm nicht. Diese Situationen müssen auch nicht zwangsläufig eine umfassende („ganzheitliche“) Analyse zur Folge haben, auch wenn dies für die meisten Haushalte sicher irgendwann sinnvoll wird. Eine DIN-konforme Rundum-Analyse und die anlassbezogene Ausschnittbetrachtung ergänzen sich in der Beratungspraxis. Auch Unternehmen, welche die DIN 77230 implementieren, werden in den ungeregelten Bereichen mit ungenormten Analyseprozessen arbeiten. Es zählt der Kundenwunsch, der entsprechend dokumentiert werden muss. Die spannende Frage lautet eher: Wie stark strahlen die fachlichen Festlegungen (z.B. zu den Orientierungsgrößen) aus der Norm auf nicht normierte Prozesse aus?

Irrtum Nummer 5: Ein bisschen DIN ist besser als gar nichts

Vor dem Inkrafttreten der Norm haben einige Marktteilnehmer damit gewoben, „nach DIN“ oder „in Anlehnung an DIN 77230“ zu arbeiten. Jedoch gilt bei den Normen „Alles oder Nichts“. Entweder wird der gesamte Norm-Prozess eingehalten, oder bei der Aussage handelt es sich um eine Mogelpackung. Der Arbeitskreis Beratungsprozesse räumt ein, dass sich die Branche aktuell in einem Dilemma befinde: So werde bei manchem Akteur selbst bei voller Kenntniss der DIN 77230 noch viele Jahre vergehen, bis er die kompletten Anforderungen der Norm erfüllen können. Derzeit werde auch noch heftig darüber diskutiert, was auf dem Weg zur Norm für das Marketing seriös möglich ist. Der Arbeitskreis Beratungsprozesse warnt jedoch vor Formulierungen wie „in Anlehnung an DIN“ oder Ähnlichem.

Vertrauen nicht verschleudern

Auch wenn sie nur den Prozessschritt der Analyse und die ganzheitliche Rundum-Betrachtung abdecke: Die DIN 77230 habe das Potenzial, den Beratungsmarkt spürbar zu verändern, stellt Friedel Rohde fest. Sie tangiere schließlich jeden Marktteilnehmer, ob Vermittler, Produktgeber, Softwareanbieter oder Verbraucher. „An der DIN 77230 wird sich bald nicht nur die Rechtsprechung orientieren, sondern in Zukunft vielleicht auch Gesetze – aber nur, wenn sie ihr Vertrauenskapital nicht verschleudert. Aktuell hat das DIN-Siegel bei Verbrauchern noch einen exzellenten Ruf. Wir hoffen sehr, dass uns als Branche eine Überdehnung der DIN-Vermarktung am Ende nicht auf die Füße fällt. Wenn wir mit dem Vertrauen der Kunden spielen und es verlieren, hätte unsere Branche eine große Chance zur Selbstregulierung und zur Verbesserung ihrer Reputation verspielt. Dieser Gefahr muss sich jedes Unternehmen bewusst sein, das mit der neuen Norm wirbt.“ (ahu)

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