Boom or Bust?
12.12.2025

Frank Huttel, Michael Blümke und Svilen Katzarski (v.l.n.r.) / Foto: © fw
Die ersten frostigen Tage hielten im November Einzug. Ist das auch an den Kapitalmärkten der Fall? Die US-Wirtschaft hat bis dato gut abgeliefert, auch andere Regionen oder Assetklassen erfuhren im nun ablaufenden Jahr Wertsteigerungen. Wo stehen wir zur Jahreswende? KI als weiterer Wachstumsmotor oder doch eher eine Blase? Ein Reigen spannender Themen, die die Chefredaktion mit erfahrenen Marktkennern kurz analysierte.
Die Teilnehmer
- Michael Blümke, Senior Portfoliomanager, ETHENEA Independent Investors S.A.
- Frank Huttel, Geschäftsführer/Leiter Portfoliomanagement & Research, FiNet Asset Management GmbH
- Svilen Katzarski, Senior Portfoliomanager, BlackPoint Asset Management GmbH
finanzwelt: An den Börsen purzelten die Rekorde. Einige Indizes wagen sich in immer höhere Gefilde vor. Satte Kursgewinne. Zu gut, um wahr zu sein, Herr Katzarski?
Svilen Katzarski: Die Entwicklung in diesem Tempo erstaunt. Tendenziell sind wir weiter positiv eingestellt, was beispielsweise die Assetklassen Aktien und Anleihen betrifft. Das, obgleich wir bereits Gewinne mitgenommen haben und die Augen vor den teilweise ambitionierten Bewertungen nicht verschließen. Wichtig erscheint uns in dieser Lage, möglichst breit zu streuen und bei den Einzelwerten selektiv vorzugehen.
finanzwelt: Herr Blümke, können wir das noch etwas ins große Bild 2025 einordnen?
Michael Blümke: Bleiben wir bei den Vereinigten Staaten. In den vergangenen Jahren wurde viel über das Szenario eines baldigen Abschwungs in den USA geredet. Doch bisher hat Trumps Politik die USA nicht in eine Rezession geworfen. Wir sind überzeugt, mit der unterstützenden Geldmarktpolitik und den ganzen Fiskalpaketen wird die Wirtschaftsentwicklung massiv angekurbelt. Eine Rezession wird definitiv verhindert, beziehungsweise ihr Beginn weiter verzögert. Diese Wahrnehmung findet ihren Ausdruck in den jeweiligen Positionierungen der Fonds. Zu Ihrer Eingangsfrage nach den Bewertungen: Das Bewertungsniveau insbesondere bei den Tech-Aktien ist ambitioniert, doch der entscheidende Kurstreiber ist die Gewinnentwicklung der Unternehmen. Mit aktuell weiter steigenden Gewinnen sind wir von einer Blase entfernt, die dann entsteht, wenn lediglich die Bewertungsfantasie der Investoren die Kurse nach oben treibt. Hier liegt der Unterschied zum Hype zur Jahrtausendwende.
Frank Huttel: Ich bin nicht völlig anderer Meinung und unterstreiche einige Aspekte, beispielsweise die Auswirkungen der Stimuli für einen möglichen Wachstumsschub. Dennoch gebe ich mit US-Bezug auch etwas Wasser in den Wein. Insbesondere die Renditen längerfristiger Anleihen werden nach unserer Sicht aufgrund der Bedenken der Anleger hinsichtlich des Staatsdefizits und der politischen Einflussnahme eher ansteigen und hoch bleiben. Und noch etwas anderes: In den vergangenen Wochen konnten wir eine Zunahme von Ankündigungen großer Partnerschaften zwischen Entwicklern von KIModellen, Hyperscalern und Chip-Unternehmen beobachten. Dieser zirkuläre Charakter beunruhigt eher, als dass er die Stimmung weiter anheizt. In der Summe sind wir etwas hin- und hergerissen zwischen Optimismus und leichtem Pessimismus.
finanzwelt: Jetzt sind wir bereits bei den USA und bleiben für den Moment auch dort. Sind Überbewertung oder Blasenbildung (wirklich) kein Thema?
Blümke: Bei vielen Hyperscalern wie Amazon etc. sehen wir reale Gewinne. Keine Fantasiekonstrukte wie in der DotcomBlase. Wir stehen am Anfang dieser technologischen Revolution mit unzähligen Anwendungsfällen. Dennoch, da stimme ich zu, entsteht der Eindruck einer ‚circular Economy‘, deren Unternehmen sich gegenseitig finanzieren. Dementsprechend macht es durchaus auch Sinn, in die zweite und dritte Reihe zu schauen.
finanzwelt: Herr Katzarski, inwiefern spielten die USA und die Tech-/KI-Branche eine Rolle in Ihrem BlackPoint Evolution Fund?
Katzarski: Für den BlackPoint Evolution Fund als aktiv gemanagter, global anlegender Publikumsfonds sind die USA weiterhin das Epizentrum der technologischen Innovation und Vorreiter im digitalen Umbruch. Bis dato haben die Unternehmensgewinne die hohen Erwartungen an die KI-Revolution tendenziell erfüllt. Dennoch gewinnt ein umsichtiges Risikomanagement zunehmend an Bedeutung. Die KI wird sich künftig verstärkt in Branchen konzentrieren, die die Technologie zur Verbesserung der eigenen Produktivität nutzen können oder andererseits die Kosten senken. Es lassen sich viele Beispiele anführen, so in der Pharma-Branche.
finanzwelt: Kurz nachgehakt, wie sehen und bewerten Sie die Geldpolitik der Zentralbanken?
Katzarski: Im Jahr 2025 haben viele Zentralbanken, wie die EZB als auch jüngst die Fed, die Leitzinsen gesenkt. Wir haben diese Entwicklung erwartet und uns dementsprechend positioniert. Beide großen Zentralbanken befinden sich auf dem Pfad der Suche nach einer neutralen Geldpolitik. Einer Politik, bei der die Geldpolitik weder expansiv noch restriktiv ist. Strukturelle Faktoren, wie die demografische Entwicklung, die Überalterung der Gesellschaften und das geringe Bevölkerungswachstum tragen ebenfalls zum Rückgang der Realzinsen bei.
Blümke: Wir sehen, dass die US-Administration bewusst die Nachfrage nach US-Staatsanleihen treibt. So soll beispielsweise die Anrechnung von US-Treasuries im Bestand der US-Banken mit weniger Eigenkapital unterlegt werden müssen. Die Banken können somit mehr US-Treasuries absorbieren. Auch die Entwicklungen im Kryptobereich, hier speziell der rasant wachsende Stablecoin-Markt, verstärken diesen Nachfragetrend. Zudem wollen die USA mit zusätzlichem Wachstum die relative Ausweitung ihrer Schulden bremsen. Das sollte die Rendite der langlaufenden Staatsanleihen drücken. Eine Entwicklung, die die Vereinigten Staaten auch von Europa unterscheidet.
finanzwelt: Ein gutes Stichwort. Lassen Sie uns kurz zu Europa kommen. Dem Kontinent der „Chancen“, so hieß es zumindest noch Anfang des Jahres.
Huttel: Ich glaube, speziell unter Bewertungsgesichtspunkten, ist Europa schon lange interessant. Natürlich haben wir auf dem Kontinent nicht zu leugnende strukturelle Probleme. Kernländer wie Deutschland oder Frankreich lahmen volkswirtschaftlich, andere Regionen wie die Mittelmeeranrainer haben aufgeholt. Dennoch wird man fündig, gerade der Small-CapBereich ist bewertungstechnisch sehr interessant. Insofern würden wir Europa eher übergewichten im Vergleich zum doch heiß gelaufenen US-Markt. Ich nenne beispielhaft Schweizer Pharmawerte. Oder hierzulande die Hidden Champions, die oftmals unter dem Radar laufen und nicht unbedingt weit oben auf den Kaufempfehlungslisten sind. Der Blick hinter die Unternehmen im Rampenlicht lohnt.
finanzwelt: Übergewicht von Europa im Vergleich zu den USA: Das dürfen Sie anders sehen, Herr Blümke?
Blümke: Tendenziell vertreten wir eine andere Auffassung. Aus verschiedenen Gründen, beispielsweise dem regulatorischen Rückenwind und der technologischen Vorreiterrolle, haben wir auf der Aktienseite nach wie vor ein Übergewicht an US-Werten. Zuletzt haben wir vereinzelt und sehr selektiv einige europäische Aktien ins Portfolio mit aufgenommen. Auf der anderen Seite sind europäische Anleihen, z. B. im Ethna-AKTIV, bereits heute ein stabiler Bestandteil im Portfolio. Dabei setzen wir die Laufzeitsteuerung als ein zentrales Instrument ein, um das Chance-Risiko-Profil flexibel zu gestalten. Aktuell, in Erwartung fallender Zinsen, verlängern wir die Duration gezielt, um Renditechancen zu nutzen.
Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite

Zwischen Innovation und Unsicherheit









