Die Renditeoasen
01.12.2014
Noch vor wenigen Jahren spielten die Wenigsten mit dem Gedanken, in Staaten wie Nigeria, Katar oder den Oman zu investieren. Doch die tiefen Zinsen in den industrialisierten Märkten treiben Renditesuchende vermehrt in diese exotischen Märkte, die den etablierten Schwellenländern auf den Fersen sind.
Während die Sorgen um Europas Konjunkturentwicklung wachsen und Abenomics in Japan als gescheitert angesehen werden können, scheint sich die Situation in einigen Schwellenländern wieder zu verbessern. Wenn es um Investments in diese heranreifenden Staaten geht, sind meist große Länder mit großen Märkten vorne mit dabei. Doch es gibt auch Chancen jenseits von China, Indien und Brasilien. Mitte dieses Jahres kündigte der knapp 900 Milliarden Dollar schwere norwegische Staatsfonds an, mehr Geld in sogenannte Frontier Markets zu stecken. Damit sind Länder gemeint, die noch keine stark entwickelte Wirtschaft haben, Investoren aber dennoch die Möglichkeit geben, ihr Geld bei ihnen anzulegen. Es ist nicht die Renditenot, die hier erfinderisch macht, sondern die Argumente für ein gezieltes und punktuelles Investment in die Märkte von morgen.
finanzwelt diskutierte mit Experten über die Attraktivität und dem Chance-Risiko-Potenzial der Frontier Märkte:
Lars Albert, Head of Sales Deutschland und Österreich Baring Asset Management GmbH
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Guido vom Schemm**, Geschäftsführer GVS Financial Solutions GmbH
finanzwelt: Von den Frontier Markets und deren Wachstumspotenzial dürfte mittlerweile jeder gehört haben. Was zeichnet diese Länder bzw. Ländergruppen aus?
Albert: Für die Frontier Markets, oder so genannte Grenzmärkte, gibt es keine allgemeingültige Definition. Wir fassen darunter diejenigen Länder, die ein sehr hohes Entwicklungspotenzial in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aufweisen und zum Teil noch weit entfernt davon sind, den Status eines Emerging Markets zu erlangen. Vereinfacht gesagt handelt es sich um kleine attraktive Nischenmärkte, die durch Treiber wie beispielsweise demografische Struktur und wachsende Konsumfreude überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen können.
vom Schemm: Eine Eigenschaft der Frontier Markets ist, dass diese bis zu einem gewissen Grad weniger von den globalen Entwicklungen beeinträchtigt worden sind. Sie weisen vielmehr eine eigene Dynamik auf und verfügen zudem über die angesprochene „demografische Dividende", die ihnen auch längerfristig die Steigerung der Produktivität sicherstellen sollte. Im vergangenen Jahr stieg der MSCI Frontier Markets um über 26 % und ließ damit den MSCI Emerging Markets Index klar hinter sich. Dass es sich dabei nicht um eine Momentaufnahme handelt, zeigt die Indizesentwicklung in den vergangenen drei Jahren. Ein klares Plädoyer für die Frontier Markets.
finanzwelt: Laut Morningstar sind seit Anfang 2013 rund 2,4 Mrd. Euro in die Kategorie „Aktien Global Frontier Märkte" geflossen. Gibt es neben den erwähnten Argumenten weitere Gründe für diesen Investitionsboom?
Albert: Die Schätzungen für das Wirtschaftswachstum liegen je nach Region oder Nation zwischen 5 und 6 % pro Jahr. Die Frontier Markets profitieren zudem von einer wachsenden Produktivität durch hohe ausländische Direktinvestitionen, relativ tiefe Schuldenlevels und Leistungsbilanzüberschüsse. Als weiteren Pluspunkt sehen wir Rohstoffe, die in vielen dieser Märkte reichlich vorhanden sind.
finanzwelt: Das starke Interesse bei den Investoren resultiert demnach aus dem großen Renditepotenzial, das oftmals über dem der traditionellen Schwellenländer liegt. Fast zu schön, um wahr zu sein. Wo lauern die Risiken?
vom Schemm: Auch die nur geringe Korrelation zu den etablierten Märkten der Industrienationen und anderen Anlageklassen lässt sich als Argument für ein Investment in die Waagschale werfen. Doch auch diese Medaille hat natürlich zwei Seiten: Insgesamt sind die politischen und makroökonomischen Risiken größer und die Märkte weniger transparent. Wenngleich aktuelle Studien einigen Frontier Märkten nachweisbare Fortschritte bezüglich guter Unternehmensführung und Korruptionsbekämpfung bescheinigen, so besteht generell doch immenser Nachholbedarf. Zudem ist eine eindimensionale Betrachtung der Frontier Markets nicht zielführend. Märkte und Unternehmen müssen einzeln analysiert werden. Wir präferieren aktuell die südostasiatischen Märkte und halten weniger von Südamerika.
finanzwelt: Interessanter Aspekt. Subsahara-Afrika (Nigeria und Kenia) steht für viele multinationale Konzerne wie Coca-Cola und General Electric ganz oben auf der Liste der attraktivsten Märkte. Daneben, ebenfalls unter den Top 3, Vietnam als großer Player in Südostasien.
Albert: Nigerias Wirtschaftsboom steht stellvertretend für manch andere Staaten Afrikas, die seit Jahren mit Wachstumsraten von mehr als 5 % glänzen. In diesem Jahr hat das rohstoffreiche Land Südafrika als stärkste Wirtschaft Afrikas abgelöst. Die Telekommunikation ist die größte Wachstumsbranche des Landes. Das soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch dort nach wie vor erhebliche Missstände gibt. Zu Vietnam lässt sich sagen, dass das Land im regionalen Vergleich wirtschaftlich gut dasteht. Das prognostizierte Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt liegt klar über dem Durchschnitt anderer Volkswirtschaften in Südostasien. Die Waren aus dem ASEAN-Land sind international stark gefragt.
finanzwelt: Aktives Fondsmanagement oder Index kaufen – wie sollte man in die Märkte gehen?
vom Schemm: Die Lehren der Vergangenheit zeigen, dass bei diesen kleinen und oftmals volatileren Märkten das aktive Management ganz klar zu präferieren ist, um das Risiko besser zu steuern und im Griff zu haben.
finanzwelt: Trotz zunehmender Berichterstattungen in den vergangenen Monaten erhalten die Frontier Markets von Berater- und Analystenseite noch eine vergleichsweise geringe Beachtung. Liegt es an der Vermittlung?
Albert: Daten und Fakten zur wirtschaftlichen Entwicklung spielen eine große Rolle in der Aufklärungsarbeit. Der Skepsis gegenüber Emerging Markets und Frontier Markets im Speziellen sollte man daher mit einer anschaulichen Argumentationskette begegnen, die die strukturellen Vorteile eines Investments in diese Länder hervorhebt. Für die Frontier Markets gilt es aufzuzeigen, dass die dortigen Wachstumsraten aller Voraussicht nach sehr stabil bleiben sollten und wir uns in einem frühen Stadium des Aufwärtszyklus befinden. Letztlich ein guter Einstiegszeitpunkt für langfristig angedachte Investments in die Märkte der Zukunft.
Fazit
Emerging Markets sind mittlerweile eine bereits etablierte Assetklasse. Jetzt kommt die nächste Generation in Gestalt der Frontier Markets. Investmentmöglichkeiten mit längerem Track Record sind rar, dafür überzeugt aber die Performance. Typische Beispiele für die Frontiers sind unter anderem Kenia, Vietnam, Nigeria oder Georgien. Die Renditeoasen locken. _(ah)
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Expertengespräch Emerging und Frontier Markets – Printausgabe 06/2014

„Es geht um den sportlichen, nicht um den finanziellen Erfolg“
