ESMA-Empfehlung zu Cat Bonds sorgt für Diskussionen

08.10.2025

Exklusiv

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde plant, Cat-Bonds aus Ogaw-Fonds auszuschließen. Experten warnen nun, dass dies negative Auswirkungen auf Anleger und den Versicherungsschutz in Zeiten des Klimawandels haben könnte. finanzwelt sprach mit Daniel Grieger, Managing Partner, Head Portfoliomanager, Plenum Investments AG 1.

finanzwelt: Welche Gründe führt die ESMA an, Privatanlegern den Zugang zu CAT Bonds zu verweigern und welche Finanzprodukte sind noch davon betroffen?

Daniel Grieger: Die ESMA bewertet CAT Bonds (Katastrophenanleihen) nicht als klassische Wertpapiere, weil sie an Naturereignisse geknüpft sind und daher eher Versicherungsprodukten als übertragbaren Wertpapieren ähneln. Auch die Bafin verweist auf das Fehlen eines zulässigen Basiswerts gemäß OGAW-Richtlinie. Die ESMA-Empfehlung erstreckt sich auf folgende Anlageklassen, die nicht mehr als OGAWFonds angeboten werden sollen: Neben CAT Bonds werden auch Darlehensvergabe, Crypto, Rohstoffe und Edelmetalle, Exchange Traded Commodities, Immobilien, Co2-Zertifikate ausgeschlossen.

finanzwelt:  Warum wird diese Entscheidung in der Branche so offen kritisiert?

Grieger: Diese Einschätzung steht im Widerspruch zur rechtlichen Auslegungspraxis vieler Länder, die CAT Bonds klar als Schuldverschreibungen einstufen – und damit als Wertpapiere. Denn Katastrophenanleihen ähneln bedingten Unternehmensanleihen – nur dass das Kreditrisiko durch ein klar definiertes Naturereignis ersetzt wird. Selbst bei Annahme einer derivativen Komponente ließe sich argumentieren, dass das zugrunde liegende Versicherungsrisiko als zulässiger Basiswert gelten kann – sofern die Auslegung zweckorientiert erfolgt. Auch der Umstand, dass CAT Bonds grundsätzlich über eine Rückversicherungslizenz verfügen, in einer kapitalgesellschaftlichen Struktur eingebunden sind und vollständig mit Geldmarktpapieren unterlegt sind, scheint ins Leere zu laufen. Dass CAT Bonds nicht als ausreichend wertpapierähnlich gelten sollen, während etwa Aktien von Rückversicherungsunternehmen weiterhin OGAW-tauglich sind, wirkt widersprüchlich – und ist schwer nachvollziehbar.

CAT Bonds auszuschließen, ist auch aus anderer Perspektive problematisch. Denn CAT Bonds gibt es bereits seit den neunziger Jahren und werden an einem geregelten Markt gehandelt. Seit 2010 werden sie sogar im OGAW-Format erfolgreich und ohne Anlegerschutzprobleme angeboten – nahezu ausschließlich über regulierte Vermögensverwalter und Banken. Der Marktanteil von OGAW-CAT Bond-Fonds beträgt heute rund 30 % des gesamten CAT-BondMarktes. Im Vergleich zu anderen OGAW-tauglichen Märkten hat dieser Markt selbst in Zeiten von Finanzmarktkrisen und Finanzmarktstress zuverlässig funktioniert. Das Diversifikationsversprechen der CAT Bonds wurde seit ihrer Einführung eindrücklich unter Beweis gestellt und stellt im Rahmen der modernen Portfoliotheorie einen klaren, vorbildlichen und nachweislichen Mehrwert dar. Im Verhältnis zu anderen OGAW-Fonds haben CAT Bond Fonds deutlich geringere Kursrückschläge erlitten als herkömmliche Aktien- oder Anleihefonds.

Darüber hinaus tragen sie dazu bei, erhebliche Systemrisiken der traditionellen Rückversicherer zu reduzieren – insbesondere bei Großschäden, die häufig mehrere Rückversicherer gleichzeitig betreffen. CAT Bonds ermöglichen eine breitere Risikostreuung, erhöhen die verfügbaren Deckungskapazitäten und reduzieren das Klumpenrisiko traditioneller Anbieter von Rückversicherungsdeckung. Auf diese Weise stabilisieren sie nicht nur den Markt, sondern leisten mit zusätzlichen Deckungskapazitäten auch einen wichtigen Beitrag zur Erschwinglichkeit von Versicherungsschutz – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.

Die Tatsache, dass illiquide und schwer bewertbare Infrastrukturprojekte im Rahmen der ELTIFRegulierung Privatkunden zugänglich gemacht werden, während gleichzeitig beabsichtigt ist, Private-Equity-Anlagen im Rahmen der Europäischen Spar- und Investitionsunion ebenfalls für das breite Anlagepublikum zu öffnen, führt zu einer gewissen Willkürlichkeit in der europäischen Finanzmarktregulierung.

Vor diesem Hintergrund erscheint die ESMA-Empfehlung nicht nur überholt, sondern wirft auch grundlegende Fragen hinsichtlich der Kohärenz und Konsistenz der regulatorischen Rahmenbedingungen auf, vor allem wenn es um innovative Anlagealternativen handelt wie der kapitalmarktbasierte Rückversicherungsgeschäft in Form von CAT Bonds.

finanzwelt: EZB und EIOPA hatten sich im Vorfeld für CAT-Bonds ausgesprochen. Wie ist diese Diskrepanz in der Wahrnehmung zu erklären?

Grieger: Die ESMA verfolgt den Auftrag, ein stabiles und funktionsfähiges Finanzmarktumfeld in der EU zu schaffen und gleichzeitig den Schutz der Privatanleger sicherzustellen. Die EZB und die EIOPA hingegen konzentrieren sich vorrangig auf die Stabilität des Finanzsystems. Zu diesem Zweck analysieren sie kontinuierlich die Risiken innerhalb des Finanzsystems, um systemische Risiken frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Damit prallen zwei unterschiedliche Regulierungsansätze aufeinander. Aus Sicht von EZB und EIOPA stellen CAT Bonds ein Instrument dar, das nicht nur den Finanzmarkt stärkt, sondern zugleich dazu beiträgt, die durch den Klimawandel wachsende Versicherungslücke zu verringern. Das zentrale Ziel besteht darin, zusätzliche Deckungskapazitäten zu schaffen, um die Tragfähigkeit des Versicherungssektors langfristig zu sichern.

Die eigentliche Diskrepanz liegt vielmehr darin, dass die ESMA primär aus der Perspektive des Anlegerschutzes argumentiert, wobei der Fokus stark auf dem individuellen Anlagerisiko liegt. EZB und EIOPA hingegen betrachten CAT Bonds aus einem systemischen Blickwinkel und kommen dadurch zu einer abweichenden Risikoeinschätzung.

Es wäre jedoch paradox anzunehmen, dass EZB und EIOPA dabei bewusst die Risiken für CAT Bond-Anleger ausblenden und somit die Stabilisierung des Systems „auf dem Rücken“ der Investoren auszutragen, die das notwendige Kapital zur Verfügung stellen.

Bemerkenswert ist, dass die ESMA entweder die Risikodynamik von CAT Bonds anders bewertet oder sich auf formale Prinzipien stützt, ohne ausreichend zu berücksichtigen, dass diese Regeln bei innovativen Anlageformen wie CAT Bonds nicht das tatsächliche Risiko der Anleger widerspiegeln. Dies führt zu einer „Form-over-Substance“-Beurteilungsphilosophie, bei der formale Vorgaben über den tatsächlichen ökonomischen Nutzen und die Risikowirkung gestellt werden. Das Ergebnis ist, dass der substanzielle Beitrag von CAT Bonds zur Stärkung des Finanzsystems und zur Schließung der Versicherungslücke unzureichend gewürdigt wird.

finanzwelt: Welche Folgen würde ein verweigerter Zugang für die Vermögensverwaltung haben? Betrifft es nur das Neugeschäft oder sind auch Bestandskunden betroffen?

Grieger: Es ist uns nicht bekannt, dass einer etablierten OGAW-Anlageklasse jemals nachträglich die Tauglichkeit aberkannt wurde. Wir betreten hier also regulatorisches Neuland. Sollte die EUKommission der Empfehlung der ESMA folgen, hätte dies weitreichende Konsequenzen: Der öffentliche Vertrieb von CAT Bonds in Form von OGAW-Fonds an Privatkunden mit Steuerdomizil in der EU/EWR käme vollständig zum Erliegen.

In diesem Fall könnten CAT Bonds nur noch im Rahmen eines AIF-Fondsformats angeboten werden. Die Folge wäre, dass ausschließlich professionelle Investoren von den Vorteilen dieser Anlageklasse profitieren könnten, während Privatanleger ausgeschlossen wären.

finanzwelt: Gibt es Finanzprodukte, die als nächstes ausgeschlossen werden könnten?

Grieger: Derzeit gibt es keine konkreten Anhaltspunkte. Eine belastbare Aussage über die zukünftige Entwicklung ist daher kaum möglich – niemand kann vorhersagen, wie sich die Aufsichtsbehörden letztlich entscheiden werden. Regulatorische Kontinuität und Verlässlichkeit sehen jedenfalls anders aus.

finanzwelt: Welche Folgen hätte die ESMA-Entscheidung für die Innovationskraft der europäischen Finanzwirtschaft?

Grieger: Wenn man Innovationskraft gleichsetzt mit der Erschließung neuer Finanzierungsquellen – insbesondere jener von Privatanlegern –, dann wirkt die ESMA-Empfehlung kontraproduktiv. Sie stellt eine vertane Chance dar, das kapitalmarktbasierte Rückversicherungsgeschäft weiter auszubauen. Währenddessen bemühen sich andere Länder aktiv darum, Marktanteile im CATBond-Geschäft zu gewinnen. England, Singapur und Hongkong stehen bereits in den Startlöchern. Dies wäre besonders bedauerlich, da das OGAW-Label in der Branche gerade deshalb so geschätzt wird, weil es mit Augenmaß entwickelt wurde und der Industrie zugleich Flexibilität und Stabilität bot.

finanzwelt: Wie hat sich der CAT-Bonds-Markt bei OGAW-Fonds seit 2010 entwickelt?

Grieger: Das Wachstum des Fondsvolumens sowie der Anzahl neuer Fonds im OGAW-Format ist beachtlich. Ende 2020 lag das Volumen noch bei rund USD 6,7 Mrd. – heute beläuft es sich bereits auf USD 17,5 Mrd., verteilt auf insgesamt 17 Fonds.

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