Rezession nicht ausgeschlossen!

26.02.2020

Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH / Foto: ©Quant.Capital

Dieser vollständige Stopp führt zu schwerwiegenden Konsequenzen in vielen Branchen: Eine Automobilfabrik, die normalerweise im Drei-Schicht-Betrieb arbeitet, wird einen Produktionsausfall von zwei Monaten nicht durch eine Verdoppelung der Produktion in den kommenden zwei Monaten kompensieren können. Unternehmen, die aufgrund des Stillstands in die Insolvenz rutschen, werden nicht über Nacht wieder aufgebaut.

In einem sehr optimistischen Szenario, in dem die Parteiführung die sofortige Aufhebung aller Zwangsmaßnahmen beschlösse, würde es einige Wochen dauern, bis alle Arbeiter wieder an ihren Arbeitsplätzen wären und alle Lieferketten wieder normal liefen. Bei einer Normalisierung ab Mitte März würde das einen Zeitraum von gut zwei Monaten bedeuten, in dem die Wirtschaft nur mit etwa halber Kapazität liefe. Per Saldo ginge der chinesischen Volkswirtschaft ein Monat an Wirtschaftsleistung verloren. „Wie viel davon aufgeholt werden kann, ist fraglich“, so Mlinaric. „Entgegen den Schätzungen vieler Analysten, die ihre Wachstumsprognosen für China von 5,5 bis 6,0 % auf immer noch beachtliche 4,0 bis 4,5 % reduziert haben, würde ein solcher Wegfall an wirtschaftlicher Leistung sicher in einer Kontraktion, einer Schrumpfung, münden.“

China trug bis vor Kurzem noch etwa einen Prozentpunkt zum weltweiten Wirtschaftswachstum bei. Dieser Beitrag könnte schon jetzt verloren sein, der IWF müsste seine globale Wachstumsprognose von aktuell 3,3 % entsprechend anpassen. Folgeeffekte in Staaten, die einen bedeutenden Teil ihrer Vorprodukte aus China beziehen, und Staaten, für die China ein bedeutsamer Absatzmarkt ist, also faktisch alle Industrienationen, würden weiter zur Verlangsamung des BIP-Wachstums beitragen. Jede Verlängerung der Krise reduziert die Chance auf eine Aufholung der auflaufenden Verluste und schlägt entsprechend direkt auf das BIP-Wachstum durch. Hongkong hat die Wiederaufnahme des Schulbetriebs gerade auf Mitte April verschoben. „Tatsächlich befinden wir uns noch in einer Phase der Ausbreitung: Südkorea, Italien, Iran, Japan oder auch viele Staaten in Afrika melden steigende Zahlen. Eine Einschätzung darüber, wann eine Rückkehr zur Normalität möglich sein wird, wird immer schwieriger“, so Mlinaric.

Bei den weiteren Faktoren, die der IWF bei seiner Bewertung einer möglichen Rezession neben dem BIP-Wachstum berücksichtigt, sieht es ebenfalls nicht gut aus. Der Welthandel war schon vor Covid-19 seit Monaten rückläufig und kollabiert nun in einigen Bereichen geradezu. Die Nachfrage nach Öl ist rückläufig, das zeigt der Ölpreis eindringlich. Die Industrieproduktion wird unter den gestörten Lieferketten leiden und die Arbeitslosigkeit steigen. „Die Weltwirtschaft ist aktuell auf dem Weg in eine Rezession. Zumindest die Aktienmärkte scheinen das zurzeit nicht ausreichend zu berücksichtigen“, sagt Mlinaric. (ah)