Tauwetter

22.07.2014

Foto: © serjiob74 - Fotolia.com

Nachdem der Bestand an Vollversicherten zuletzt rückläufig war, scheint es bei einzelnen Anbietern wieder leicht bergauf zu gehen. Dies könnte ein längerfristiger Trend sein.

Denn die Kostenexplosion im Gesundheitswesen, die 2015 in Kraft tretende Gesundheitsreform sowie die erwarteten niedrigsten Beitragserhöhungen des vergangenen Jahrzehnts für den Gesamtmarkt spielen Versicherern wie Vermittlern in die Karten.

Im vergangenen Jahr mussten die privaten Krankenversicherer einen Rückgang ihrer vollversicherten Kunden hinnehmen. Und geht es nach ASSEKURATA, soll sich dieser Trend auch 2014 fortsetzen.

Ganz so düster wie die Kölner Analysten scheint es in den Neugeschäftsbüchern etlicher Anbieter denn doch nicht zuzugehen. Vereinzelt werden erstmals nach langer Durststrecke sogar wieder Zuwächse gemeldet. Einer der Gründe könne im Ende der Diskussion über die Bürgerversicherung liegen. Allerdings gilt auch hier: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Sollten die in den vergangenen Monaten zaghaft geknüpften Bande zwischen Sozialdemokraten und der Partei Die Linke enger werden, könnte eine Bürgerversicherung plötzlich wieder aktuell werden. Dr. Ralf Kantak, Vorstandschef der SDK, zeigt sich denn auch zurückhaltend: „Das Gespenst der Bürgerversicherung ist keineswegs gebannt. Im Koalitionsvertrag ist die Bürgerversicherung zwar nicht erwähnt, aber es ist angesichts der zu erwartenden Beitragsentwicklung in der GKV nur eine Frage der Zeit, bis der Ruf nach einem einheitlichen Versicherungssystem wieder laut wird." Dabei sei es allerdings ein Irrweg zu glauben, ein einheitliches Versicherungssystem löse die Kostenproblematik, die es wegen der demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts gebe.

Dass die Kosten im Gesundheitswesen explodieren, lässt sich an Zahlen festmachen. Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge ging es mit den Gesundheitsausgaben von 2011 bis 2012 um 6,9 Mrd. Euro (2,3 %) bergauf. Zu Buche standen über 300 Mrd. Euro. Kostentreiber waren mit einem Zuwachs um 6,9 % auf 11,3 Mrd. Euro ambulante Pflegedienste, gefolgt von Vorsorge- und Reha-Einrichtungen (+ 4%). Aussagekräftiger ist jedoch die Verteilung auf die Systeme. Die GKV musste einen Anstieg um 2,3 % auf über 172 Mrd. Euro verdauen, die PKV hingegen nur um 0,9 % auf etwa 28 Mrd. Euro. Dies dürfte PKV-Vermittler freuen. Räumt die Gesundheitsreform der großen Koalition den Kassen doch ab 2015 das Recht ein, den Beitragssatz für den Arbeitnehmeranteil je nach Haushaltslage erhöhen zu dürfen. Der Gesundheitsökonom Robert Wasem rechnet laut dpa ab 2016 mit einem jährlichen Plus von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten, in der Spitze für 2017 sogar mit 1,5 %. Dass für Arbeitnehmer ab 2015 der bisherige Zuschlag von 0,9 % entfallen wird, dürfte sich vor diesem Hintergrund schnell marginalisieren. Wenn aber künftig, so das derzeit eher dezent geäußerte Kalkül mancher Versicherer, die Beiträge für gut verdienende Kassenmitglieder nach oben ausbrechen, dürfte ein Wechsel in die PKV wieder schmackhafter werden. Hinzu kommen ärgerliche Leistungsausschlüsse der Kassen. Sie haben dazu geführt, dass im Schnitt jeder Bundesbürger jährlich 500 Euro aus der eigenen Tasche aufwenden musste, um ein halbwegs akzeptables Versorgungsniveau zu erreichen.

In der PKV hat sich hingegen einiges zum Positiven verändert. Die Branche arbeitet an einer transparenten Aufklärung ihrer Kunden hinsichtlich möglicher Tarifwechsel, wenn Beitragssteigerungen im Alttarif nicht mehr geschultert werden können. Darüber hinaus rücken Unternehmen Leistungsvorteile gegenüber der GKV wieder stärker in den Vordergrund. Der bloße Preisvergleich mit den Kassen ist hingegen etwas in den Hintergrund gerückt, wie Uta Apel, Leiterin Media Relations bei der ERGO Versicherungsgruppe, bestätigt: „Die Bedeutung des Preises als Entscheidungskriterium hat in den letzten Jahren abgenommen und dies ist auch gut so: Eine private Krankenversicherung ist eine Entscheidung fürs Leben. In der Beratung sollte der Preis nicht das entscheidende Kriterium sein. Entscheidend ist das Leistungsversprechen der PKV." Mit dem Systemwechsel und dem Eintritt in die PKV erwerbe der Versicherte einen privatrechtlichen Anspruch auf Leistungen, die in der Regel das Niveau der Leistungen der GKV übertrafen. Anders als in der GKV könne der Krankenversicherungsschutz auch nicht durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden. Ganz anders argumentiert hingegen Dr. Karl-Josef Bierth, Vorstandsmitglied der SIGNAL IDUNA Gruppe: „Der Preis einer PKV ist auch im Vergleich zur GKV nach wie vor ein Kriterium für potenzielle Kunden." Insbesondere im Bereich der Einsteigertarife spiele beispielsweise bei Existenzgründern und jungen Selbstständigen die Höhe der Prämie eine nicht unerhebliche Rolle.

Fast verschämt hatten sich viele Anbieter in der Vergangenheit von so genannten Billig-Tarifen verabschiedet. Zuvor hatte es Kritik an unzureichenden Leistungen solcher Policen gehagelt. Völlig zu Unrecht, findet Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur Versicherungsgruppe: „Die Behauptung, dass es in der Branche nur noch vereinzelt Unternehmen gäbe, die preiswertere Vollversicherungstarife anbieten, können wir nicht nachvollziehen. In der gesamten Branche gibt es eine Großzahl an Unternehmen, die Angebote für verschiedene Segmente, vom Basis-Schutz bis zum High-End-Produkt, anbieten." Dies entspreche dem Zeitgeist in der Bevölkerung, denn die Kunden wollten ihren Versicherungsschutz aktiv mitgestalten. (hwt)

PKV versus GKV - Printausgabe 04/2014