Voll- oder Teilkasko für die Zähne?

27.07.2023

Dr. Nicole Lenz, ganzheitliche Zahnärztin aus Potsdam

Autsch, der nächste Zahnarztbesuch steht an. Doch auch Zahnärzte haben Schmerzen - insbesondere mit Privatleistungen. Denn diese werden noch nach einem Punktwert der Gebührenordnung (GOZ) von 1988 berechnet. Konkret bedeutet das: 11 Pfennig pro Punktwert. „Ein unternehmerischer Supergau“, so Dr. Nicole Lenz, selbständige Zahnärztin aus Potsdam. Sie will aufklären, Tacheles reden. Denn nicht nur „Private“, auch Zahnzusatzversicherung haben´s in sich. Sie appelliert: „Liebe Versicherungsmakler, dreht an den richtigen Stellschrauben“. Ihre drei Tipps, die schnell viel bewirken können.

Privatpatienten: Der rote Teppich hat Löcher

Die goldenen Zeiten für Privatpatienten sind längst vorbei. Kennt man den Hintergrund, kann man´s nachvollziehen. Standardbehandlungen wie die halbjährliche Kontrolluntersuchung, eine Spritze im Unterkiefer oder abgebrochene Zahnecken – all das sind Leistungen, bei denen Zahnärzte im Standard unter dem Satz der gesetzlichen Versicherung verdienen. Das ist alarmierend: Welche Branche arbeitet heute bitte noch zu Tarifen von vor 34 Jahren, ohne zu demonstrieren? Ja, wir Zahnärzte. Wir müssen umdenken, denn auch vor uns machen steigende Preise auf allen Ebenen nicht halt. Die Rechnung ist einfach: Wollen wir uns in Zukunft Arzträume noch leisten können, müssen wir unseren Abrechnungsfaktor auf Marktniveau bringen.

Da sitzt er, der Schmerz: Der Behandlungspreis für Privatleitungen berechnet sich aus Punktwerten und Faktoren – der Faktor 2,3 ist heute Standard. Immer noch - wie schon 1988. Erhöhen wir den Faktor, muss dies, ab Faktor 3,5, vorab mit dem Patienten besprochen und unterschrieben werden. Der Beigeschmack ist meist bitter. Noch viel zu selten steigern Kollegen die Faktoren, da viele den zusätzlichen Aufklärungs- und Bürokratieaufwand scheuen. So wird sich allerdings nichts ändern.

Tipp 1: Je mehr Versicherungsmakler individuell aufklären, umso weniger Zeitaufwand haben Zahnärzte mit Privatleistungen. Wüssten die Patienten um den Größenunterschied der Abrechnung, würden sie die notwendigen Formulierungen bei Faktorerhöhung: „erhöhter Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad“ oder „erhöhte Umstände“ auch verstehen. Damit die Versicherung zahlt, müssen diese Formulierungen nämlich auch bei weniger anstrengenden Leistungen benutzt werden – um zumindest auf Preisniveau der gesetzlichen Versicherungen zu kommen.

Privat- und Zusatzversicherung: Bohren Sie schon oder fragen Sie noch?

Folgende Abfragen empfehle ich immer - für die Wahl des passenden Privattarifes, aber auch für eine individuelle Zahnzusatzversicherung bei gesetzlich Versicherten. Sie wollen Ihre Kunden und uns Zahnärzte glücklich machen, dann sollten Sie bestimmte Punkte im Hinterkopf haben. Standards, die jeden betreffen – z.B. die Vorsorgeuntersuchung: Suchen Sie immer einen Tarif mit dem höchsten Anteil an Prophylaxe-Leistungen. So unterstützen Sie noch ganz nebenbei und aktiv die Zahngesundheit Ihrer Kunden. Denn bezahlt ist bezahlt, da geht jeder doch ganz automatisch zur Vorsorge.

Doch nicht nur die Zähne selbst sollten regelmäßig poliert werden, auch das Kiefergelenk hat einen genaueren Blick verdient. Zahnspange „sei Dank“ mausern sich leider Kieferschmerzen zur neuen Volkskrankheit - die meisten meiner Patienten mit Kieferknacken oder sonstigen Kieferproblemen hatten eine, ca. 80 %. Damit ist auch das ein Punkt, den Sie in Ihrer Kundenberatung abfragen können. Funktionsanalytische Leistungen, also regelmäßige Kiefergelenkchecks, sind sehr hilfreich bei einer Kieferproblematik. Denn bei jeder weiteren Krone, bei jedem Zahnersatz sollte die Kieferstellung aufs Neue geprüft werden.

Tipp 2: Stellen Sie zu Beginn die richtigen Fragen, ist das für alle Seiten Gold wert. So können Zahnspange, Kieferknacken, Rückenprobleme oder gar Plattfüße Hinweise auf einen späteren Mehrbedarf geben. Sie haben als Versicherungsmakler den ganzen späteren Ablauf in der Hand – wird´s stressig oder läuft´s fluffig.

Zahnarztperspektive: 100 % sind nicht gleich 100 %

Der Mindestsatz ist eben auch nur das Minimum - egal, ob privatversichert oder per Zahnzusatzversicherung. Um die passenden Tarife anzubieten, sollten sich Makler regelmäßig über Herausforderungen und Behandlungsmöglichkeiten von Zahnärzten informieren. Wir selbst kommen bei der Geschwindigkeit der Trends manchmal ins Stolpern. Gibt es aktuelle Veränderungen in der Gebührenordnung? Neue Bestimmungen? Gibt es neue Behandlungsmethoden?

Oder: Wie gehen Zahnärzte mit Analogleistungen um - also Behandlungen, die in der Form gar nicht in der Gebührenordnung GOZ als direkte Position existieren. Als ganzheitlich behandelnde Zahnärztin biete ich beispielsweise eine Vitalwert-Analyse an. Diese zeigt Mängel im ganzen Körper auf, die zu Krankheiten führen können. In Kombination mit einem Speicheltest, eine sehr effektive Methode zur Prävention. Nun finden Sie mal eine analoge Leistung dafür. Es ist ein müßiges Such-Erklär-Spiel.

Am Ende geht es immer wieder um die richtige Formulierung und den passenden Tarif. Denn beim Thema Zuzahlung kann der Ton schonmal lauter werden. Seit sieben Jahren habe ich meine eigene Praxis - immer wieder beruhige ich entrüstete Patienten. Insbesondere „Zusatzversicherte“ sind verstimmt, denn das 100 % versichert beschreibt meist lediglich den Anteil, den auch die gesetzliche Kasse übernehmen würde. Aber auch jene mit vermeintlich umfassender Privatversicherung haben viele Fragen. Immer wieder sind es die gleichen Punkte: Ich dachte diese Leistung ist in meinem Tarif enthalten. Wie kann ich mich denn besser versichern? Viel Verwirrung, wenig fundierte Kenntnisse – auf allen Seiten.

Tipp 3: Ich vergleiche Leistungen einer Privatversicherung und Zahnzusatzversicherung immer gern mit einer Autoversicherung. Haben Sie nur eine Haftpflicht oder ist Ihr PKW Vollkasko versichert? Für Zähne gilt das gleiche Prinzip. Am Ende sollte jeder zu privaten Versicherungen wissen: Wenn ich mich hier für das Minimum entscheide, muss ich im Falle einer Behandlung draufzahlen. Wähle ich einen höheren Satz, ist im Schadensfall meine Zuzahlung äußerst gering oder gar gleich Null. (fw)