Was die FTX-Pleite für Krypto bedeutet

05.12.2023

Igor Pauer. Foto: SuperFrank

Ein Jahr nach dem durch einen Betrugsfall ausgelösten Niedergang der Kryptobörse FTX steigt der Kurs des zugehörigen Krypto-Tokens FTT plötzlich wieder an. Grund dafür sind Spekulationen um eine Wiederbelebung des insolventen Unternehmens durch mögliche Käufer. Ebenso weitreichend wie die betrügerischen Handlungen von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried waren die Auswirkungen auf die Krypto-Branche und das um sie herrschende Vertrauen. Für den Krypto-Entwickler Igor Pauer verdeutlicht die Affäre jedoch mehr die Probleme des „alten Geldes“ als jene neuer Finanzstrukturen.

Während FTX-Gründer Sam Bankman-Fried in der Untersuchungshaft auf die Verkündung der Länge seiner Haftstrafe wartet, haben Aussagen des Vorsitzenden der US-Börsenaufsicht, Gary Gensler, für einen überraschenden Wertanstieg des FTX-Tokens gesorgt. Dieser hatte im November an mögliche Käufer des insolventen Unternehmens appelliert, gegenüber Investoren auf Vertrauen und Transparenz zu setzen, die unterschiedlichen Funktionen einer Kryptobörse nicht zu vermischen und Vermögenswerte nicht für eigene Zwecke zu nutzen.

„Unabhängig davon, ob neue Käufer FTX wiederbeleben oder nicht, ist es entscheidend, den Fall richtig einzuordnen“, kommentiert Igor Pauer, Krypto-Entwickler und Chief Technology Officer (CTO) des Krypto-Projekts SuperFrank. Er führt weiter aus: „Es handelte sich dabei um einen massiven, aber im Prinzip einfachen Betrug innerhalb eines regulierten Unternehmens, das Krypto-Dienstleistungen anbot. Der Erfolg von Bankman-Frieds illegalen Aktivitäten ist zum einen auf die Versäumnisse von Regierungsbehörden und Banken zurückzuführen, die über lange Zeit nicht auf die verdächtigen Transaktionen von veruntreuten Anlegergeldern, Bestechungen und politischen Spenden reagierten. Zum anderen sei der Betrug gerade aufgrund der Natur von zentralen Finanzstrukturen möglich geworden.“

Zentralisierung widerspricht den Idealen des Bitcoin

Denn zentral organisierte Krypto-Dienstleister wie FTX würden ein Merkmal besitzen, das sie vom ursprünglichen Prinzip der Blockchain unterscheidet und mit Finanzstrukturen der „alten Welt“ verbindet: „Sie bauen auf die Existenz einer zentralen, dritten Partei auf, um Transaktionen durchzuführen. Ein Betrugsfall im Ausmaß von FTX wäre auf einer typischen Blockchain wie der von Bitcoin oder Ethereum unmöglich, da diese dritte Partei dort durch einen transparent einsehbaren Code sowie durch Smart Contracts ersetzt wird. Dies entspricht dem ursprünglichen Peer-to-Peer-Ideal des Bitcoin-Gründers Satoshi Nakamoto“, sagt Pauer.

Tatsächlich gäbe es derzeit in bestimmten Fällen keine legale Möglichkeit, allein, also ohne das Hinzuziehen einer dritten Partei, in der Blockchain zu agieren – beispielsweise dann, wenn Kryptos mit realen Vermögenswerten verbunden werden. “Deshalb müssen wir auf die Möglichkeiten setzen, die wir heute haben und schrittweise auf eine stärkere Dezentralisierung hinarbeiten“, ergänzt er.

Um einen Vertrauensverlust und die Abwanderung von Nutzern abzuwenden, würden zunehmend mehr zentralisierte Kryptobörsen (centralized exchanges, CEX) auf ein sogenanntes Proof of Reserves (POR)-Modell setzen, erläutert Krypto-Spezialist Pauer. „Mit Proof of Reserves soll nachgewiesen werden, dass Börsen tatsächlich die Kontrolle über alle Gelder ihrer Nutzer haben und diese nicht manipulieren oder veruntreuen. Leider konnte bis jetzt keine der vorgeschlagenen PoR-Methoden das Vertrauen der Krypto-Community gewinnen, da mehrere Möglichkeiten zur Manipulation und Verzerrung der PoR-Ergebnisse nachgewiesen wurden. Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt es abzuwarten, bis eine zentralisierte Börse ein wirklich vertrauenswürdiges Proof of Reserves-Modell anbietet.“

Investoren sollten auf offensichtliche Warnsignale achten

Was bedeutet diese Situation für jene, die an der Investition in Krypto-Assets interessiert sind? Neben der wichtigen Unterscheidung von indirekten und direkten Investments – also jene über eine Börse bzw. ein eigenes Wallet – verweist Pauer auf die Wichtigkeit von Risikobewusstsein und der strengen Prüfung jeder Investitionsmöglichkeit. „Alle Anlagen, einschließlich Bankeinlagen und Staatsanleihen, sind mit Risiken behaftet, da absolute Sicherheit bei der Erhaltung von Kapital unerreichbar ist. Das Ziel ist daher auch bei Krypto und Blockchain die Minimierung der Risiken“ Um fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen, sei es entscheidend, die zugrunde liegenden Prinzipien zu verstehen sowie technische und wirtschaftliche Recherchen durchzuführen, die Projektbeteiligten zu bewerten und potenzielle Risiken abzuschätzen. Sein Resümee: „Alle gescheiterten Krypto-Projekte haben oft schon lange vor dem Zusammenbruch Anzeichen von Problemen aufgewiesen und somit ausreichend Zeit für strategische Ausstiegsstrategien geboten.“ (fw)