Was kommt nach Corona? Jetzt die Chancen als Unternehmen ergreifen

03.03.2021

Jens-Uwe Meyer / Foto: © Jens-Uwe Meyer

Was heißt das für Unternehmen?

Meyer: Die Basis unseres heutigen Wohlstands ist das Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren. Damals mussten die Strukturen in Deutschland komplett neu gedacht werden. Dieser Wiederaufbau setzte eine Welle kreativen Unternehmergeists frei. Und genau das brauchen wir jetzt wieder.

Weil viele Unternehmen zuletzt im Bereich Innovation etwas träge waren?

Meyer: Ja, das Geschäftsmodell, das Bestehende durch Optimierung immer weiter auszubreiten, war einfach zu erfolgreich. Im europäischen Vergleich waren wir damit über Jahre die Klassenbesten. Doch bezogen auf unsere Veränderungsbereitschaft waren wir dies weltweit gesehen schon lange nicht mehr. Für uns war es Anfang 2021 noch eine „Revolution“, dass der Bundestag seine Faxgeräte abschaffte. Dabei hatten andere Länder zu diesem Zeitpunkt bereits ihre komplette Verwaltung digitalisiert.

Wird die nötige Veränderungsdynamik in Deutschland entstehen?

Meyer: Ja, weil sich durch Corona die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns fundamental gewandelt haben. Das stimuliert auch den kreativen Unternehmergeist.

Warum sind Sie diesbezüglich so sicher? Werden die Menschen nach Corona nicht eher ihr altes Leben wieder fortsetzen wollen?

Meyer: Natürlich werden die Menschen zum Beispiel wieder reisen wollen, aber dann in einem Markt, der sich grundlegend verändert hat. Viele Bedürfnisse, die es zuvor gab, wird es weiterhin geben. Doch die Ansprüche werden sich ändern. Wer sagt denn, dass sich die Menschen nach den Erfahrungen des Lockdown und des Social Distancing einfach wieder in Pauschalhotels quetschen lassen wie vorher? Mit langen Schlangen am Buffet und überfüllten Touristenattraktionen. Kreativer Unternehmergeist bedeutet, sich mit den veränderten Bedürfnissen und Anforderungen im eigenen Markt intensiv zu befassen und darauf aufbauend innovative Problemlösungen und Angebote zu entwickeln.

Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?

Meyer: Eine Schlüsselrolle. Für viele Unternehmen und Institutionen war die Digitalisierung vor Corona nur eine Worthülse. Wozu als Betrieb die Schulungs- und Serviceprozesse digitalisieren? Warum als Arzt oder Rechtsanwalt eine Online-Sprechstunde oder -Beratung anbieten? Weshalb digitale Selbstbedienungsportale für Kunden einführen, wenn es Filialen gibt? Wozu eine Online-Wartung anbieten, wenn im Hof so viele Firmenwagen stehen? 2020 ist die Digitalisierung ganz weit in unser Leben vorgedrungen. Wer nach der Krise weitermacht wie vorher, wird mittelfristig zu den Verlierern zählen. Das zeigen die aktuellen Krisen-Gewinner: Neben den Testlaboren und meisten Pharmaunternehmen sind dies fast ausschließlich Unternehmen, die die Digitalisierung radikal und konsequent vorangetrieben haben – spätestens nach dem ersten Lockdown im März 2020.

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