Wir klettern wieder bergauf
01.12.2014
Die Schwellenländer werden von langfristigen Makrotrends angetrieben, die sich signifikant auf ihre Wirtschaft und Industrie auswirken. Diese Trends liefern vielfältige Anlagemöglichkeiten. Nach der Krise in vielen Schwellenmärkten spricht man jetzt wieder von ihrem Comeback. Zu Recht?
Dazu und zur hauseigenen Expertise gab Alexander Heidenfelder, Senior Business Development Manager bei Aberdeen Asset Management, nähere Auskünfte.**
finanzwelt**: Der Aufstieg von Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien gehört seit einigen Jahren zu den bestimmenden Themen an den Kapitalmärkten. Verlierer der Vergangenheit können dabei auf der Gewinnerliste der Zukunft stehen. Geht es nun wieder aufwärts mit den Schwellenländern?
Heidenfelder: Ja, zumindest die jüngsten Zuflüsse in den entsprechenden Assetklassen legen diesen Schluss nah. Tatsächlich hatten „die" Schwellenländer im Jahr 2013 und im ersten Halbjahr dieses Jahres bei Investoren keinen sonderlich guten Ruf. Die zugrundeliegende Wachstumsstory der vergangenen Jahre zeigte gehörige Risse. Sicherlich gab es aber nicht nur einen Grund, sondern es lassen sich vielfältige Argumente für den Rücksetzer finden.
finanzwelt: Ok. Auf einmal wollten alle nur noch raus. Investoren zogen fluchtartig ihr Geld aus Schwellenländern ab. Welche Gründe konnten sie ins Feld führen?
Heidenfelder: Kurzfristig war es vor allem die Furcht vor einem Ende der lockeren Geldpolitik der US-Notenbank und der Beginn des Tapering, die dazu geführt haben, dass Kapital aus Aktien- und Anleihenfonds in den Schwellenländern abgezogen wurde. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die Sorge um eine deutliche Konjunkturabkühlung in China griff um sich und nicht zuletzt hausgemachte, strukturelle Probleme sorgten für zusätzlichen Verdruss. Einige Schwellenländer taten sich schwer, ihr starkes Wachstum mit ökonomischen und sozialpolitischen Reformen zu unterfüttern. Das internationale Kapital floss in der Vergangenheit in Strömen, was Anreize eher verhinderte, die eigenen Hausaufgaben zu erledigen. Diesbezüglich stellen wir nun ein Umdenken in vielen Schwellenmärkten fest, was sich positiv auf das Vertrauen auswirkt und Zuflüsse generiert.
finanzwelt: Es gab ja zudem „sichere" Häfen wie eine gutlaufende US-Wirtschaft und Wachstumsimpulse in Teilen Kerneuropas.
Heidenfelder: Das kam sicherlich noch hinzu. Nicht nur die Aktienkurse in den Schwellenländern rauschten bergab, auch Anleihemärkte und Währungen gerieten teilweise massiv unter Druck, denn das ausländische Kapital erhoffte sich bessere Renditechancen in den USA und Europa. Kapital ist eben ein scheues Reh und es gab attraktive Investmentziele in den entwickelten Staaten.
finanzwelt: Die Kapitalabflüsse waren gewaltig und wohl in erster Linie von privater Seite?
Heidenfelder: Das meiste Geld, das in diesen Monaten aus den Schwellenländern (Emerging Markets) abgezogen wurde, stammte von Privaten. Die handeln tendenziell nervöser und lassen sich von Negativschlagzeilen leiten. Institutionelle Investoren zogen zwar auch Geld ab, sind aber schon früher bereit gewesen, ihren Schwellenländer-Anteil im Portfolio wieder zu erhöhen.
finanzwelt: Ist es eigentlich heutzutage noch legitim, von „den" Schwellenländern zu reden?
Heidenfelder: Ein guter Punkt. Die Welt dreht sich weiter und das trifft auch in besonderem Maße auf die Entwicklung in diesen Staaten zu. Es gilt, gezielt und gestützt die Faktenlage zu differenzieren. Die Wachstumsdivergenzen in Schwellenländern bleiben bestehen. In Ländern mit soliden Fundamentaldaten dürfte sich die Konjunktur in den kommenden Quartalen weiter deutlich erholen. Auf der anderen Seite sehen wir Staaten, die mit einer Verlangsamung ihres Wachstums zu kämpfen haben und in denen ein teilweise massiver Reformstau vorliegt.
finanzwelt: Insbesondere die sogenannten „Fragile Five", also Brasilien, Türkei, Indien, Indonesien und Südafrika, befanden sich lange im Krisenmodus. Wie ist jetzt dort die Lage?
Heidenfelder: Diese Staaten sind ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Wind drehen kann. Es handelt sich um die fünf Länder, die aufgrund ihres Leistungsbilanzdefizits am stärksten unter dem Kapitalabfluss gelitten hatten, der nach der Ankündigung der US-Notenbank eingetreten war. Mittlerweile stellen wir fest, dass sich dort die Wogen, insbesondere in Indien und Indonesien, größtenteils geglättet haben und die Zeichen für reformwillige Entwicklungskandidaten gut stehen. Indien stellt sich beispielsweise nach seinem Regierungswechsel den gewaltigen Herausforderungen, zu denen die Vetternwirtschaft, die Inflation und die marode Infrastruktur gehören. Auch in Indonesien erleben wir frischen Wind, da sich Präsident Joko Widodo auf die Fahnen geschrieben hat, die Wirtschaft anzukurbeln, indem er staatliche Subventionen abbaut und im Gegenzug strukturelle Reformen durchsetzt. In Brasilien sieht es etwas schwieriger aus. Die weitere Entwicklung des Landes wird nun stark davon abhängen, inwieweit es Präsidentin Dilma Rousseff gelingt, die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen in ihrem Land zu verbessern, da unter der aktuellen Regierung die Investitionen ausgeblieben sind. Die langfristigen Aussichten für Brasilien sind aber immer noch intakt.
finanzwelt: Die Finanzmarktakteure schauen gebannt auf die Entwicklung in China. Ohne diese Weltmacht geht wenig. Ist von dieser Front Negatives für die Schwellenländer künftig zu erwarten?
Heidenfelder: Zunächst sollten wir uns verdeutlichen, dass der globale Handel vergleichsweise wichtiger für die Erholung der Schwellenländer ist als die Exporte nach China. Das Riesenreich ist nicht der größte Treiber für die Exporte der Schwellenländer. Nur circa 14 % der EM-Exporte gehen nach China. Darüber hinaus sehen wir keine Anzeichen für größere Sorgenfalten. Die chinesische Regierung will das Wirtschaftswachstum dauerhaft über 7 % halten, und sie hat die Mittel dazu. Die Inflation ist relativ niedrig, die Zinsen und der Mindestreservesatz der Banken hingegen hoch. Daher hat die Regierung viel Raum für gezielte Lockerungsmaßnahmen, um die Geldmenge zu erhöhen und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Hauptgewinner sind die Unternehmen des Neuen China – jene Branchen, die am meisten von der Ablösung des Exports durch den heimischen Konsum als wichtigstem Treiber der chinesischen Wirtschaft profitieren. Allerdings sind für uns Unternehmen aus Festland China qualitativ weniger attraktiv und investierenswert, da es hier oft sehr an der Qualität in Eigentümerstruktur, Management oder auch der Bilanzen hapert. Attraktivere Unternehmen, gerade um den Aspekt des Binnenkonsums, finden wir eher in den südostasiatischen Märkten. Speziell Unternehmen aus Hong Kong und Singapur weisen eine hohe Qualität und ein etabliertes Geschäftsmodell mit soliden Bilanzen auf.
finanzwelt: Den Namen Aberdeen Asset Management verbindet man mit einer ausgesprochenen Expertise für die Schwellenmärkte. Wie stellen Sie diese Expertise sicher?
Heidenfelder: In der Tat liegt unsere Kernkompetenz in den Schwellenländern. Dort sind wir extrem stark positioniert und haben Experten vor Ort, die über das nötige Know-how verfügen und rechtzeitig die richtigen Entscheidungen treffen. Es ist nötig, die Landesspezifika und Strukturen quasi hautnah zu kennen, denn nur so lassen sich die großen Entwicklungslinien beurteilen, die dann letztlich für oder gegen ein Investment sprechen. Die Investmententscheidungen folgen dabei unserer Maxime „Weg von der Benchmark", da wir einen konsequenten Stock-Picking-Ansatz verfolgen.
_(ah)
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Interview mit Alexander Heidenfelder – Printausgabe 06/2014

„Es geht um den sportlichen, nicht um den finanziellen Erfolg“
