WisdomTree: Analyse der EZB-Zinspause
28.07.2025

Aneeka Gupta - Foto: Copyright WisdomTree
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Sitzung gestrigen Juli die Leitzinsen unverändert belassen und damit nach acht aufeinanderfolgenden Zinssenkungen seit Juni 2024 eine Pause eingelegt. Aneeka Gupta, Direktorin im Bereich Makro-Research beim Vermögensverwalter WisdomTree, kommentiert die Entscheidung.
Der Einlagensatz bleibt bei 2,00 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,15 %. Während die erste Erklärung und die Aussagen von Präsidentin Christine Lagarde zunächst einen eher lockeren Ton erkennen ließen, schlug die EZB im anschließenden Q&A einen deutlich restriktiveren Ton an – ein Hinweis auf eine längere Zinspause. Da die Inflation derzeit in der Nähe des EZB-Ziels von 2 % liegt und das Wachstum weiterhin robust ist, verfolgt der EZB-Rat nun eine vorsichtige „Abwarten-und-Beobachten“-Haltung.
Lagarde erklärte, dass der Euroraum sich „in einer guten Position befindet, um innezuhalten“ und zu beobachten, wie sich zentrale Risiken im Zusammenhang mit Handel und geopolitischen Spannungen entwickeln. Die Zentralbank richtet ihr Augenmerk zudem auf die laufenden Handelsgespräche zwischen den USA und der EU – insbesondere angesichts der Möglichkeit eines 15%-Zolltarifs. Ein solches Szenario könnte zwar die Stimmung leicht aufhellen, würde jedoch die 10%-Annahme der EZB übersteigen und könnte die Wachstumsaussichten für das zweite Halbjahr belasten.
Die Markterwartungen haben sich entsprechend angepasst. Nach der Sitzung sank die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im September von zuvor 40 % auf 25 %. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel bekräftigte den vorsichtigen Kurs und bezeichnete die Hürden für weitere Zinssenkungen als „sehr hoch“. Sie betonte zugleich die Widerstandskraft der 20 Länder umfassenden Eurozone. Eine Zinssenkung im September ist zwar nicht ausgeschlossen, doch die EZB hat die Schwelle dafür deutlich angehoben. Die Prognose basiert auf einer anhaltenden Verlangsamung der Inflation. Die Gesamtinflation (VPI) soll im Juli auf 1,8 % zurückgehen, die Kerninflation auf 2,2 % – was ausreichen könnte, um eine Senkung um 25 Basispunkte durchzusetzen. Unterstützt wird diese Einschätzung durch eine nachlassende Preisdynamik im Dienstleistungssektor, stabile Beschäftigungszahlen und sinkende Inputkosten, wie die jüngsten Einkaufsmanagerindizes (PMI) und Umfragedaten zeigen.
Die wirtschaftliche Lage im Euroraum bleibt uneinheitlich. Die PMI-Daten für Juli deuten auf eine fragile, aber sich verbessernde Konjunktur hin. Der zusammengesetzte PMI stieg auf 51 Punkte, getragen vom Dienstleistungssektor, während die Industrie stagnierte. Auffällig bleibt die Kluft zwischen dem „Kern“ der Eurozone (Deutschland und Frankreich) und der Peripherie (z. B. Spanien, Italien). In Frankreich liegt die wirtschaftliche Stimmung weiterhin unter dem langfristigen Durchschnitt, während in Deutschland das BIP im dritten Quartal voraussichtlich leicht zurückgehen wird – bedingt durch Handelsunsicherheit und zurückhaltende Investitionen.
Auch der starke Euro steht im Fokus: Seit Jahresbeginn hat er um 13 % zugelegt. Zwar betonte Lagarde erneut, dass die EZB den Wechselkurs nicht direkt anvisiert, doch die Euro-Stärke – aktuell bei etwa 1,18 US-Dollar – könnte die importierte Inflation dämpfen und die Argumente für weitere geldpolitische Lockerungen abschwächen.
Mit Blick auf die kommende Sitzung am 10. und 11. September wird die EZB neue Inflations- und Handelsdaten genau analysieren. Sollte die Inflation klar unter dem Zielwert bleiben und die Zölle im Rahmen bleiben, wäre eine abschließende Zinssenkung um 25 Basispunkte auf 1,75 % denkbar. Darüber hinaus jedoch wären für weitergehende Maßnahmen deutlich stärkere Signale nötig. Lagarde schloss künftige Zinserhöhungen nicht aus, sollte das Wachstum positiv überraschen – ein weiterer Hinweis auf die zunehmende Bedeutung von Flexibilität statt fester geldpolitischer Vorfestlegungen.

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Sommerinterview - finanzwelt im Gespräch mit Martin Siegel
