Alles eine Frage der Zeit

16.06.2025

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Der demografische Wandel stellt zahlreiche Unternehmen in Deutschland vor die Herausforderung, eine geeignete Nachfolgelösung zu finden. Ein gut geplanter und begleiteter Unternehmensverkauf kann dabei eine erfolgreiche Übergabe und den Fortbestand des Unternehmens sichern. Frühzeitige Planung, realistische Preisvorstellungen und die Einbindung von Experten sind dabei entscheidende Faktoren für den Erfolg.

Laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn stehen zwischen 2022 und 2026 rund 190.000 Familienunternehmen, häufig aus Altersgründen, zur Übergabe an. Dies entspricht etwa 38.000 Übergaben pro Jahr. Besonders betroffen sind die Bereiche der unternehmensbezogenen Dienstleistungen und des produzierenden Gewerbes. Der Unternehmensverkauf als Mittel der Nachfolgeregelung gewinnt in Deutschland daher zunehmend an Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der alternden Inhaberschaft zahlreicher mittelständischer Betriebe. Das ist aber kein Selbstläufer, es existieren zahlreiche Herausforderungen und Fallstricke beim komplexen Prozess des Unternehmensverkaufs. Experten empfehlen, mindestens ein bis zwei Jahre vor dem geplanten Verkauf mit den Vorbereitungen zu beginnen, um das Unternehmen optimal auf den Übergang vorzubereiten und den bestmöglichen Verkaufszeitpunkt zu bestimmen. Die Praxis zeigt, dass kurzfristige Verkaufsentscheidungen das Risiko für Fehler maßgeblich erhöhen und vor allem die Möglichkeit einschränken, einen optimalen Verkaufspreis zu erzielen.

Verhandlungen sind mehr als nur ein technischer Austausch von Angeboten

Kaufpreisverhandlungen sind oft der Drehund Angelpunkt bei Unternehmensverkäufen. Hierbei ist die Balance zwischen den Interessen des Verkäufers und den Erwartungen potenzieller Käufer entscheidend. Verkäufer neigen dazu, den Wert ihres Unternehmens zu überschätzen, insbesondere wenn emotionale Bindungen eine Rolle spielen. Käufer hingegen fokussieren sich auf objektive Bewertungsmaßstäbe und Risikofaktoren. Eine fundierte Unternehmensbewertung ist das Fundament für erfolgreiche Verhandlungen. Neben klassischen Ansätzen wie dem Ertragswertverfahren oder Multiplikatoren aus der Branche sollten Berater den Fokus auf zukunftsorientierte Faktoren legen: Wie stabil sind die Cashflows? Gibt es wiederkehrende Einnahmen? Wie robust ist die Marktstellung? Die Verhandlungen selbst sind dabei indes mehr als nur ein technischer Austausch von Angeboten. Sie beinhalten auch die Einigung über Zahlungsmodalitäten. Verkäufer bevorzugen häufig Einmalzahlungen, während Käufer eine schrittweise Auszahlung (Earn-out-Modelle) in Abhängigkeit von der künftigen Unternehmensleistung favorisieren. Für Berater besteht die Kunst darin, flexible Lösungen zu entwickeln, die den Interessen beider Parteien gerecht werden, etwa durch garantierte Sockelbeträge kombiniert mit erfolgsabhängigen Komponenten.

Verkäufer-Due-Diligence verfolgt einen proaktiven Ansatz

Die Verkäufer-Due-Diligence ist hier das Stichwort, um das Unternehmen für den Verkauf in Bestform zu präsentieren. Due Diligence meint eine Sorgfaltsprüfung und bezeichnet hier eine präventive Maßnahme, bei der das Unternehmen vor dem Verkaufsprozess auf Herz und Nieren geprüft wird. Während die klassische Due-Diligence meist vom Käufer durchgeführt wird, um Risiken und Schwachstellen des Zielunternehmens aufzudecken, verfolgt die Verkäufer-Due-Diligence einen proaktiven Ansatz. Sie dient nicht nur dazu, Transparenz zu schaffen, sondern auch Schwachstellen im Vorfeld zu beheben und das Unternehmen für Käufer attraktiver zu machen. Ein zentraler Bestandteil dieser Prüfung sind die Finanzen. Berater sollten sicherstellen, dass die Buchführung vollständig und korrekt ist, steuerliche Risiken minimiert werden und keine unklaren Verbindlichkeiten bestehen. Zudem müssen wichtige Verträge – etwa mit Kunden, Lieferanten oder Mitarbeitern – überprüft werden. Unvorteilhafte Klauseln oder auslaufende Vereinbarungen können die Verhandlungsposition des Verkäufers schwächen und sollten frühzeitig angepasst werden.

Frühzeitige Einbindung spezialisierter Berater für die einzelnen Bereiche des Verkaufsprozesses

Auch operative Prozesse stehen im Fokus. Eine gut dokumentierte Organisation sowie klare Zuständigkeiten signalisieren Stabilität und minimieren Abhängigkeiten von einzelnen Schlüsselpersonen. Falls solche Abhängigkeiten bestehen, etwa durch einen charismatischen Gründer oder Geschäftsführer, ist es ratsam, frühzeitig ein ManagementTeam aufzubauen, das den Geschäftsbetrieb unabhängig fortführen kann. Rechtliche Aspekte sind ebenfalls ein zentraler Prüfpunkt. Anhängige Rechtsstreitigkeiten oder ungeklärte Eigentumsverhältnisse an geistigem Eigentum können potenzielle Käufer abschrecken. Die Beseitigung solcher Hindernisse im Vorfeld des Verkaufs stärkt die Verhandlungsposition. Schließlich kann die Verkäufer-Due-Diligence auch dazu genutzt werden, gezielte Optimierungen vorzunehmen, die den Unternehmenswert steigern. Dies können Maßnahmen zur Verbesserung der Margen, die Einführung effizienterer Prozesse oder die Diversifikation der Kundenbasis sein. Berater sollten dabei die Zeit bis zum geplanten Verkaufstermin im Blick behalten, um überambitionierte und unrealistische Vorhaben zu vermeiden.

Für Finanzberater und Vermögensverwalter, die Mandanten bei diesem Schritt begleiten, ist es entscheidend, die Schlüsselaspekte dieses komplexen Prozesses zu verstehen, um die richtigen Ratschläge in der Vorbereitung und Abwicklung zu geben und angehende Verkäufer zu begleiten. Die Herausforderungen bestehen darin, den Unternehmenswert objektiv darzustellen, Käufervertrauen zu schaffen und potenzielle Hindernisse frühzeitig zu beseitigen. Die frühzeitige Einbindung von M&A-Experten, Steuerberatern und Rechtsanwälten kann daher dabei helfen, den Verkaufsprozess strategisch zu planen, rechtliche Fallstricke zu vermeiden und den Unternehmenswert zu maximieren.

Ein Beitrag von Dr. Christopher Riedel LL.M., Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater