Berufsunfähigkeitsrente wegen Depression

05.08.2025

Bernhard Gramlich, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Fachanwalt für Verkehrsrecht der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Foto: © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Das Landgericht Kiel verurteilte die Entis Lebensversicherung AG in einem von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte begleiteten Verfahren zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente wegen Depression an einen Versicherungsmakler. Der Versicherungsnehmer war in zuletzt gesunden Tagen als selbstständiger Versicherungsmakler tätig und arbeitete durchschnittlich 65 Stunden pro Woche, in der Regel täglich ab 7 Uhr morgens.

Zu seinen Kernaufgaben zählten die Gewinnung von Neukunden und neuen Mitarbeitenden sowie umfangreiche administrative Tätigkeiten. Hierzu gehörten insbesondere die Bearbeitung von E-Mails und Posteingängen, die Prüfung und Korrektur von Provisionsabrechnungen, vorbereitende Arbeiten für den Steuerberater sowie organisatorische Aufgaben im Bereich der Server- und Netzwerktechnik.

Ein wesentlicher Bestandteil seiner Tätigkeit war ferner die Schadenbearbeitung in den Bereichen Sach- und Lebensversicherung. Dies umfasste das Erstellen von Schadenanzeigen, die Prüfung eingereichter Unterlagen und Versicherungsbedingungen, die telefonische Kommunikation mit Versicherern und Geschädigten sowie die vollständige Abwicklung komplexer Schadenfälle, unter anderem bei Todesfällen oder Berufsunfähigkeit.

Darüber hinaus führte der Versicherungsmakler regelmäßig Außentermine mit Kunden, Maklern, Bankpartnern, Architekten und Notaren durch. Diese erforderten eine sorgfältige Vorbereitung, die Entwicklung individueller Konzepte sowie eine strukturierte Nachbereitung.

Zudem bildete sich der Versicherungsmakler kontinuierlich fort – unter anderem durch die Teilnahme an Seminaren und Webinaren, die Prüfung neuer Produkte, das Studium von Vertragsnachträgen sowie durch das Halten eigener Vorträge und Schulungen.

Versicherungsmakler erkrankt an Depression

Beruflich fühlte sich der Versicherungsmakler zunehmend überfordert. Nach einem Hörsturz zog er sich zurück, litt unter Erschöpfung, Reizüberflutung und hoher Sensibilität. Panikattacken und eine starke Angst vor Krankheiten bestimmten zunehmend seinen Alltag. Öffentliche Räume mied er, da er fürchtete, sich angstauslösenden Situationen nicht entziehen zu können. Auch seine Partnerschaft war stark belastet. Er empfand sich als verletzlich, hatte Angst vor Trennung, konnte aber auch keine Nähe mehr zulassen. In sozialen Kontakten fühlte er sich oft übersehen und nicht ernst genommen, reagierte in belastenden Gesprächen impulsiv und emotional. Im Rahmen ärztlicher Untersuchungen wurde ihm schlussendlich eine Depression diagnostiziert.

Vor diesem Hintergrund beantragte der Versicherungsmakler bei seinem Versicherer eine Berufsunfähigkeitsrente wegen Depression (siehe hierzu: Berufsunfähigkeit beantragen).

Entis Lebensversicherung AG lehnt Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente wegen Depression ab

Im Rahmen des Leistungsprüfungsverfahrens gab die Entis Lebensversicherung AG eigens ein psychosomatisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag. Als dessen Ergebnis vorlag, lehnte der Versicherer den Leistungsantrag des Versicherungsmaklers ab. Die Entis Lebensversicherung AG berief sich darauf, dass die Bedingungen für eine Berufsunfähigkeit als Versicherungsmakler nicht erfüllt seien. Der Versicherungsmakler bat sodann Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte um rechtlichen Beistand.

Verfahren gegen die Entis Lebensversicherung AG

Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte nahmen sich der Angelegenheit an und forderten die Entis Lebensversicherung AG erneut auf, eine Berufsunfähigkeitsrente wegen Depression zu zahlen. Der Versicherer hielt jedoch an seiner Ablehnung fest. Daraufhin holte der Versicherungsmakler ein erneutes psychiatrisch-psychotherapeutisches Sachverständigengutachten ein, aus dem sich ergab, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Versicherungsmaklers gegeben war. Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte legten dieses dem Versicherer anschließend vor. Da die Entis Lebensversicherung AG auch nach Vorlage des Gutachtens bei ihrer Entscheidung blieb, war nun die Erhebung einer Klage geboten.

Nach Einreichung der Klage beim zuständigen Landgericht Kiel, ordnete das Gericht ein schriftliches Vorverfahren an. In diesem Rahmen konnten die Parteien ihre Standpunkte zur Sach- und Rechtslage austauschen. Anschließend legte das Gericht einen Termin zur Güteverhandlung fest und versandte entsprechende Ladungen. Nach der Verhandlung unterbreitete das Gericht den Parteien einen Vergleichsvorschlag. Eine gütliche Einigung konnte jedoch nicht erzielt werden. Im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens wurde sodann zunächst Beweis über die konkrete Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit des Versicherungsmaklers in zuletzt gesunden Tagen durch Vernehmung von ihm benannter Zeugen erhoben.

Nachdem die konkrete berufliche Tätigkeit nach Auffassung des Gerichts festgestellt worden war, gab das Landgericht Kiel ein gerichtliches Sachverständigengutachten in Auftrag. Das gerichtliche Sachverständigengutachten bestätigte die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Versicherungsmaklers. Da der Versicherer jedoch Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhob, wurde der vom Gericht bestellte Sachverständige auch noch ergänzend zu seinem Gutachten angehört. Schließlich fällte das Landgericht Kiel ein Urteil: Die Entis Lebensversicherung AG wurde verurteilt, die Berufsunfähigkeitsrente wegen Depression, wie vertraglich vereinbart, an den Versicherungsmakler zu zahlen.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Bernhard Gramlich, angestellter Anwalt der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2020 Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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