Das Frankreich-Beben und die Finanzmärkte
09.09.2025

Foto: © wikimedia commons
Die Nationalversammlung in Frankreich hat die aktuelle Regierung um Premier François Bayrou abgewählt. Bayrou konnte seinen Einsparungsplan für das Land mit einer aktuellen Staatsverschuldung von 116 Prozent nicht durchsetzen. Was sagt der Finanzmarkt zu diesen Entwicklungen?
„Wir gehen aktuell davon aus, dass sich die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen in den kommenden Wochen in einer Spanne von etwa 65 bis 100 Basispunkten bewegen werden. Das politische Umfeld sorgt weiterhin für Volatilität, sodass die Märkte sensibel auf neue Entwicklungen reagieren. Bei Unternehmensanleihen und im Bankensektor rechnen wir zusätzlich mit leichten Spreadausweitungen. Die Refinanzierungskosten könnten also auch hier etwas anziehen, selbst wenn die fundamentalen Daten vieler Emittenten solide bleiben. Daher bevorzugen wir Unternehmensanleihen mit kurzer und mittlerer Laufzeit vor französischen Staatsanleihen. Ein zusätzlicher Belastungsfaktor wäre eine mögliche Herabstufung des französischen Länderratings durch die Ratingagenturen. In diesem Fall würde sich die Lage für Staats- wie Unternehmensanleihen weiter verschärfen, da Investoren höhere Risikoprämien fordern würden.“

„Es war zu erwarten, und doch ist es ein erneuter Rückschlag für die französische Finanzstabilität. Der französische Premierminister François Bayrou hat das Vertrauen der Nationalversammlung verloren, wodurch die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU noch tiefer in die Krise schlittert. Seit seiner Amtseinführung im Dezember 2024 hatte Bayrou versucht, die ausufernde französische Staatsverschuldung mit Sparmaßnahmen zu bekämpfen. Wie sein Vorgänger Michel Barnier ist aber auch er damit an den Oppositionsparteien gescheitert. Nach der verlorenen Vertrauensfrage hat Präsident Macron zwei Optionen, von denen keine besonders verlockend ist. Er könnte die Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ankündigen oder einen neuen Premierminister ernennen. Macron hat sich für die zweite Option entschieden und möchte den neuen Kandidaten in den kommenden Tagen vorstellen. Die Lage Frankreichs wird sich dadurch jedoch nicht verbessern. Auch der nächste Premierminister wird dem gleichen, in drei Blöcke gespaltenen Parlament gegenüberstehen und wäre demnach voraussichtlich ebenso wie seine zwei Vorgänger nicht in der Lage, eine Mehrheit für eine echte Sparpolitik zu organisieren. Angesichts der politischen Lage ist es derzeit kaum vorstellbar, wie die dringend notwendige Reform des französischen Haushalts gelingen soll. Auch für die EU kommt die französische Lähmung zur Unzeit, denn gerade jetzt ist angesichts der geopolitischen Umbrüche eine stabile Führung im zweitgrößten Mitgliedsland der Union nahezu unabdingbar.“

„Frankreich gehört – neben den USA – zu den Ländern mit einer eindeutig nicht tragfähigen Staatsfinanzierung: Ohne Reformen steigt die Verschuldung von aktuell 116 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 126 Prozent im Jahr 2029. Die Sparpläne Bayrous sahen vor, die Verschuldung konstant zu halten, waren also angesichts des hohen Niveaus der Verschuldung keineswegs überambitioniert. Dass daran die Regierung scheitert, bedeutet, dass es keine gesellschaftlichen Mehrheiten für notwendige Konsolidierungsmaßnahmen gibt. In einem Umfeld, in dem die Kapitalmärkte die weltweite Verschuldung zunehmend kritisch hinterfragen, ist dies in der Tat ein ernsthafter Risikofaktor. Dennoch dürfte sich zumindest vorerst das Eskalationspotenzial in Grenzen halten, wie die Auktion französischer Staatsanleihen vergangenen Donnerstag, die problemlos vonstattenging, zeigte. Macron wird zeitnah nach der verlorenen Vertrauensfrage einen neuen Premierminister ernennen, der dann bis zum Dezember Zeit hätte, einen Haushaltsentwurf durch das Parlament zu bringen. Wahrscheinlich wird dieser Haushalt einen nennenswerten Konsolidierungsbeitrag enthalten, auch wenn dieser spürbar geringer ausfallen wird als die 44 Milliarden Euro, die Bayrou zuletzt angestrebt hatte. An den Anleihemärkten wird der Risikoaufschlag französischer Anleihen vermutlich noch etwas weiter steigen, aber unterhalb kritischer Schwellenwerte bleiben. Eine langfristige Lösung ist allerdings nicht in Sicht: Die Verschuldungsfrage hat damit grundsätzlich das Potenzial, für Verwerfungen an den Märkten zu sorgen.“


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