Die Deutschen wachen auf

01.09.2013

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Viel darüber wissen, aber wenig dagegen tun – so lässt sich die Einstellung der Bundesbürger zum Thema Pflege beschreiben.

Die Allianz Private Krankenversicherung hat zum Thema Pflege im Frühjahr über das Marktforschungsinstitut Produkt + Markt eine Umfrage durchgeführt. 37 % der Deutschen fürchten demnach, selbst einmal zum Pflegefall zu werden. Und ganze 2 % vertreten die Auffassung, alle entstehenden Kosten würden dann von der gesetzlich vorgeschriebenen Pflegeversicherung übernommen. Sogar hinsichtlich des selbst zu tragenden Anteils an den Kosten gab es wenig Zweifel. Die im Schnitt geschätzten 1.300 Euro lagen wenig von der Realität entfernt. Tatsächlich sind es, abhängig von der Pflegestufe und der Unterscheidung zwischen ambulanter und stationärer Pflege, zwischen 1.050 und 1.650 Euro.

Auf das Handeln der Befragten hatte so viel Sachkenntnis jedoch kaum Auswirkungen. Nur etwa jeder Zehnte besitzt eine private Zusatzpolice, ganze 9 % denken zumindest über einen Abschluss nach. Die große Mehrheit setzt darauf, im Falle des Falles eine ausreichende Rente zu beziehen oder die Kosten über eine per Eigenheim eingesparte Miete stemmen zu können. Dabei tickt in der Pflege demografiebedingt eine Zeitbombe. In 10 Jahren werden nach einer Studie der R+V in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach 27 Millionen Menschen einen Pflegefall im engsten familiären Umfeld haben. Mit Auswirkungen, über die sich viele Betroffenen keine Gedanken machen. Stellt etwa eine Frau um der Pflege eines Angehörigen willen beruflich von Voll- auf Teilzeit um, verliert sie eigene Rentenansprüche.

Die Versicherer setzen darauf, dass vor diesem Hintergrund in Deutschland das große Umdenken einsetzt. Egal, ob es sich hierbei um ein gutes oder um ein schlechtes Produkt handelt – der Pflege-Bahr dürfte ihnen allein durch seine Existenz in die Karten spielen. Übrigens auch den privaten Krankenversicherern mit ihren Tagegeldern. Davon ist Philipp J. N. Vogel, Vorstand der Deutschen Familienversicherung (DFV), überzeugt: „Mit dem Pflege-Bahr hat der Staat das Pflegetagegeld als förderfähiges Produkt anerkannt und das Thema stärker in die öffentliche Diskussion gebracht. Eine menschenwürdige, verlässliche Vorsorge im Pflegefall wird vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung daher als zentrale Herausforderung für die Gesellschaft und den Einzelnen inzwischen auch wirklich erkannt. Dass jeder dritte Mann und jede zweite Frau im Alter zum Pflegefall wird, ist ja auch keine Fata Morgana. Immer mehr Menschen erleben inzwischen in ihrem eigenen Umfeld selbst, was das heißen kann, und wissen, dass sie etwas tun müssen, um sich davor zu schützen." Für Stephanie Rettig, Senior-Produktmanagerin bei der IDEAL Lebensversicherung, ist die Problematik „in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Dr. Guido Bader, Vorstandsmitglied der Stuttgarter Lebensversicherung a.G. und Stuttgarter Versicherung AG, erkennt jedoch auch einen direkten Bezug zum persönlichen Umfeld vieler Menschen: „Diese Erkenntnis hat bei den Bundesbürgern in den letzten Jahren durch Medienberichte, aber immer häufiger auch durch Pflegefälle, im familiären Umfeld rasant zugenommen." Darauf setzt wohl auch ein Großteil der von der DRMM Maklermanagement AG befragten Makler. Nach der gerade veröffentlichten Maklertrendstudie 2013/2014 heißen die von ihnen genannten Top-Produkte im Langfristtrend BU-Policen (67 %), bAV (37 %) und private Pflegeversicherungen (36 %). Dafür brauchen sie allerdings Futter in Form von qualitativ hochwertigen Produkten. Und daran soll es nicht mangeln, folgt man „Produkt-Survey Lebensversicherung 2012/2013" des Rückversicherers RGA und der Unternehmensberatung Towers Watson. Danach planen 25 % der Lebensversicherer, spätestens bis 2015 ein ganzes Bündel an neuen Tarifen auf den Markt zu bringen.

Das Rating-Unternehmen Morgen & Morgen (M&M) lobte erst kürzlich die Lebensversicherer. Ein knappes Drittel der von ihm untersuchten Rentenangebote, genauer 26 Tarife von insgesamt 14 Anbietern, bekam die Höchstnote „sehr gut". Im Zusammenhang mit diesem Rating zeigte sich laut M&M ein erfreulicher Trend: „Es fällt eine Zunahme an Flex-Tarifen auf. Hier wird den Versicherungsnehmern die Möglichkeit gegeben, für die jeweilige Pflegestufe im Leistungsfall individuelle Leistungsbeträge festlegen zu können", so M&M. Eine wesentliche Verbesserung zu früher, wie IDEAL-Managerin Rettig bestätigt: „Der Bedarf und vor allem die Bedürfnisse sind bei jedem Menschen ganz unterschiedlich. Zu starre Leistungen in den Pflegestufen würden dem nicht gerecht werden. "Man brauche mehr Flexibilität in der Pflege. Das Unternehmen, mit Abstand der Big Player am Markt für Pflegerenten, geht damit gutem Beispiel voran. Im Rating vom Morgen & Morgen wurden die Pflege-Rente Exklusiv und der Superia Pflege-Schutz Exklusiv mit fünf Sternen bewertet. Auch DFV-Vorstand Vogel plädiert für mehr Flexibilität: „Pflegevorsorge ist ein komplexes Vorsorgethema, das auch der individuellen Lebensplanung angepasst werden sollte. Statische Konzepte mit festen Leistungen stellen eher die Basis dar. Flexible Konzepte mit möglichst variabel kombinierbaren Bausteinen sind daher gefragter denn je, um individuellen Rahmenbedingungen ausreichend Rechnung tragen zu können."

Auf Flexibilität setzt auch die Stuttgarter, so deren zuständiger Vorstand Bader: „An der persönlichen Situation, und damit dem Absicherungsbedarf, kann sich bis zum Eintritt eines Pflegefalles viel ändern." Bei der Stuttgarter könnten die Kunden ihren Leistungsumfang in den einzelnen Pflegestufen gezielt auf ihre jeweiligen Anforderungen abstimmen, ohne auf eine bestimmte Leistungsstaffel des Versicherers angewiesen zu sein. Das Unternehmen hat erst kürzlich ein ganzes Paket aus Pflegelösungen auf den Markt gebracht. Bei der Selbstständigen Pflegerenten-Versicherung kann die Rentenhöhe in den Pflegestufen I und II in 25-Prozent-Schritten eingestellt werden, in der Stufe I gibt es zudem eine Upgrade-Option zur Aufstockung des Rentenanspruchs. Noch einen Schritt weiter geht die WWK, wie Ansgar Eckert, Bereichsleiter Marketing WWK Versicherungen, bekräftigt: „Eine maßgeschneiderte Versicherungslösung kann nur dann angeboten werden, wenn die Möglichkeit besteht, die Höhe der Rentenleistung in allen drei Pflegestufen individuell und bedarfsgerecht festzulegen. Auf diesen Aspekt haben wir bei der Produktentwicklung sehr hohen Wert gelegt: So können unsere Kunden mit dem Leistungspaket ‚Flexi' ihren Versicherungsschutz in allen drei Pflegestufen von 0 bis 100 % auf ihre Bedarfssituation anpassen." Bei ihrer PflegeRente dürfen die Kunden aus vier Leistungspaketen wählen. Basis, Komfort und Exklusiv haben im Gegensatz zu Flexi feste Leistungssätze. Rund um die Rentenleistung profiliert sich die WWK mit einer großen Palette an zusätzlichen Leistungen. Etwa einer Wiedereingliederungshilfe ohne Aufpreis, Leistung auch bei Demenz oder dem kostenlosen Zugriff auf die WWK-Pflegedatenbank. Sie sichert beispielsweise die schnelle Verfügbarkeit eines Pflegeplatzes im unmittelbaren Wohnumfeld.

Die Stuttgarter wiederum bietet für viele Altersvorsorge-Tarife den kostenlosen Baustein PflegeRentenOption. Damit kann zum Start der Rentenzahlungen aus der Altersvorsorge ohne Gesundheitsprüfung eine Pflegerenten-Versicherung vereinbart werden. Für die dritte Schicht der Altersvorsorge oder zur Berufsunfähigkeitspolice bietet der Versicherer überdies als Baustein den Pflege-SofortSchutz. Mit ihm gibt es im Falle des Falles nicht nur eine lebenslange Rente, die Gesellschaft übernimmt auch die weiteren Zahlungen für die Altersvorsorge oder den BU-Schutz. Der HDI hat seine Produkte TwoTrust und TwoTrust Klassik mit dem Baustein „Extra" aufgemöbelt. Kunden, die beim Rentenbeginn schon zum Pflegefall geworden sind, erhalten automatisch eine verdoppelte Leistung. Sie steigt zudem kontinuierlich weiter an. Gerhard Frieg, Vorstand HDI Produktmanagement, setzt darauf, dass die Kunden so ins Nachdenken über eine lückenlose Pflegerente kommen: „Wer im Alter eine fachgerechte Versorgung im Pflegefall benötigt, wird nicht umhin kommen, privat vorzusorgen. Mit ‚Extra' bieten wir unseren Kunden ein einfaches und transparentes Produkt, das eine solide Basis bietet." Auch der VOLKSWOHL BUND eröffnet die Möglichkeit, das Pflegerisiko in eine private Renten- oder BU-Versicherung einzuschließen. Beim Baustein PLUS zur BU gibt es die Pflegerente in Höhe der Berufsunfähigkeitsleistung, und zwar über das BU-Versicherungsende hinaus. Voraussetzung: Ein Berufsunfähiger kann drei von sechs Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) nicht mehr ohne Hilfe verrichten. Bleibt der Kunde jedoch bis zum Ende seiner BU-Versicherung vital, wird der Baustein in eine Pflegerentenversicherung umgewandelt – ohne erneuten Gesundheitscheck. Beim Einbau von PLUS in eine Privatrente gibt es daraus bei Bedarf eine höhere Leistung.

Längst setzen viele Anbieter auf die Vernunft junger Menschen. Und zielen auf den Aspekt Vermögenssicherung. Sollten nämlich die Eltern pflegebedürftig werden, haften die Kinder und müssen teils heftige Kosten tragen. Mit ihrem Erbe oder eigenem Vermögen. „Der Aspekt der Vermögenssicherung ist für die sogenannte Erbengeneration von besonderer Bedeutung. Denn alles, was über die Leistungen der Pflegeversicherung hinaus an Kosten anfällt, muss der Betroffene selbst bezahlen. Kann er das nicht, sind die direkten Angehörigen, meistens also die Kinder, an der Reihe. Es gilt der Grundsatz ‚Eltern haften für ihre Kinder'. Wir wenden uns deshalb mit dem Thema Vermögenssicherung gerade auch an die jüngere Generation", so WWK-Bereichsleiter Eckert abschließend.

(Benjamin Feyngold)

Pflegerentenversicherung - Online-Ausgabe 03/2013