„Dieser Crash könnte eine gute Gelegenheit sein“

10.03.2020

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper

Gegenbewegungen sind Teil des Geschäfts

Pragmatisch geht der erfahrene wikifolio-Trader Christian Jagd an die aktuelle Marktsituation heran: „Dass es an den Börsen immer wieder zu Gegenbewegungen kommt, ist Teil des Geschäfts. Was den aktuellen Abverkauf besonders und auch gefährlich macht, ist die Schärfe der Bewegung – praktisch ohne Gegenreaktionen. Außerdem trifft sie den Markt in einem Zeitpunkt großer Sorglosigkeit.“ Tatsächlich wird vor dem Hintergrund der dramatisch anmutenden Entwicklungen oftmals eines vergessen: Die Börsen steigen seit 12 Jahren. Ob der aktuelle Kursverfall das Ende dieser beispiellosen Rallye einläutet, ist trotz des Einbruchs noch nicht gesagt. Entsprechend merkt Jagd an: „Buy and Hold-Investoren mag die aktuelle Situation relativ kalt lassen. Als Vertreter eines eher aktiven Handelsansatzes passe ich aber meine Risikopositionierung möglichst frühzeitig an die aktuelle bzw. sich abzeichnende Lage an.“

Aktien kaufen, die man schon immer haben wollte

Ob bzw. wann sich die Märkte stabilisieren, vermag auch Jagd nicht zu sagen. Das hängt laut dem Trader davon ab, ob die weltweiten Maßnahmen greifen und das Virus sich in seiner Ausbreitung beherrschen lässt. Dann sei auch wieder mit höheren Kursen zu rechnen.

Ist es also noch zu früh für die Schnäppchenjagd? Die Trader sind sich diesbezüglich weitestgehend einig: „Schnäppchen oder besser gesagt günstige Einstiegschancen gibt es immer und zu jedem Zeitpunkt an der Börse“, erklärt Jagd. „Es finden ständig Überreaktionen am Markt statt, wir sehen täglich kursbewegende News in Einzeltiteln. Und wir erleben Branchenrotationen am Markt, denken wir nur an das dynamische Comeback der deutschen Energieversorger seit 2018.“ Jagd rät aber davon ab, mit „großem Hurra“ jetzt wieder in den Aktienmarkt einzusteigen, nur weil die Kurse gefallen sind. Aber: „Zu selektiven Käufen in vom Virus wenig betroffenen Aktien rate ich dagegen schon.“

Auch Köngeter macht seine Entscheidungen nicht alleine vom Coronavirus abhängig: „Chancen für Schnäppchenjäger wird es immer wieder geben“, bestätigt er. So könne man bei Aktien, die ohne Nachrichten binnen eines Handelstages um 10 Prozent einbrechen, Käufe erwägen und die Papiere noch am selben Tag oder binnen weniger Tage gewinnbringend verkaufen. Nicht jeder Anleger ist aber freilich ein Daytrader, weiß Köngeter: „Langfristanleger sollten die Aktien kaufen, die sie schon immer haben wollten, ihnen aber schon seit Jahren zu teuer waren. Dieser ‚Crash‘ könnte eine gute Gelegenheit sein.“

Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG