Erben und Vererben will gelernt sein

30.10.2025

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„Und wenn‘s den Kindern nicht verbliebe, den Enkeln kommt es doch zugut“ – selbst Goethe wusste im Jahr 1814 um den emotionsgeladenen Vorgang des Erbens. Eine Studie der Quirin Privatbank vom Sommer 2025, die von der puls Marktforschung erhoben wurde, zeigt, welche Emotionen rund ums Erben und Vererben immer noch ausgelöst werden.

In der Umfrage wurden 2.668 Deutsche befragt, hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bundesland repräsentativ ausgewählt. Diese Studie ergänzt eine Erhebung der Quirin Privatbank aus dem Jahr 2024, die sich vor allem mit vererbbaren Vermögenswerten beschäftigte. Bei den meisten Befragten (55 %) wecken die Themen Erben und Vererben zunächst neutrale Gefühle, während 21 % positive und 16 % negative Emotionen empfinden. Besonders positive Gefühle zeigen die Teilnehmer, die bereits mehr als 250.000 Euro geerbt haben (53 %), die, die eine Erbschaft erwarten (33 %), und Gutverdiener (33 %). In den fünf größten deutschen Städten haben die Münchner (54 %) und Frankfurter (44 %) deutlich positivere Assoziationen als der Bundesdurchschnitt (21 %). Eine Schenkung zu erhalten, löst mit 61 % signifikant positivere Gefühle aus als die Themen Erben (41 %) und Vererben (42 %).

Erben löst Dankbarkeit aus

Der Gedanke an eine Erbschaft weckt vor allem Dankbarkeit (61 %) und finanzielle Erleichterung (45 %), aber auch Traurigkeit (44 %) und die Angst vor dem Tod (27 %) werden hervorgerufen. Frauen zeigen dabei emotionalere Reaktionen als Männer – 50 % der Frauen gaben an, traurig zu sein, während dies bei den Männern nur 38 % waren. Selbst etwas zu vererben, vermittelt das Gefühl, für die Nachkommen gesorgt zu haben (45 %), und auch hier spielt Dankbarkeit (40 %) eine Rolle, während die Angst vor dem Tod ebenfalls präsent ist (31 %). Jeder Dritte schiebt die Auseinandersetzung mit dem Erben und Vererben vor sich her. Weitere 30 % gaben an, dass diese Themen für sie noch keine Rolle spielen, selbst die über 50-Jährigen sagen das zu 23 %. Klammert man die Antwort „Spielt für mich noch keine Rolle“ aus, sind es sogar fast 40 % „Aufschieber“ bei den über 50-Jährigen. „Das hat mich wirklich überrascht“, kommentiert Susanne Steinmann, Head of Solutions der Quirin Privatbank, die Ergebnisse. „Es gibt zwar nicht den einen richtigen Zeitpunkt, aber spätestens mit 50 ist es allerhöchste Zeit, diese Themen anzugehen. Gerade vermögende Kunden sollten keine Zeit verlieren – sie können alle zehn Jahre Schenkungsfreibeträge nutzen, um Erbschaftssteuern zu sparen – das geht aber nur, wenn sie sich rechtzeitig kümmern“, so Steinmann. „Auch für jüngere Paare ist es wichtig, an entsprechende Vorkehrungen zu denken, beispielsweise wenn sie keine Kinder haben, dafür aber eine Immobilie: Stirbt der Partner, ziehen unter Umständen die Schwiegereltern mit ein – das freut sicher nicht jedermann.“ Auch hier gibt es große regionale Unterschiede: Die Münchner schieben am stärksten auf (44 %), die Hamburger am wenigsten (19 %).

Ein Thema – zwei Blickwinkel

In Bezug auf das Thema Erben halten 37 % der Befragten es für wichtig, sich damit zu beschäftigen. Dieser Anteil steigt auf 53 %, wenn eine Erbschaft erwartet wird, und auf 45 %, wenn bereits geerbt wurde oder eine Erbschaft vergeben werden soll. Wer noch nie geerbt hat oder nichts zu vererben hat, findet das Thema deutlich weniger wichtig (27 % bzw. 18 %). Das Vererben scheint relevanter zu sein – 50 % erachten es als wichtig, bei den Münchnern sogar 70 %. Auch hier gilt: Die gefühlte Wichtigkeit steigt mit den vererbten oder zu erbenden Summen. Die Hauptmotive, sich mit dem Erben zu befassen, sind die Vermeidung von Konflikten (55 %), während beim Vererben der Wunsch, selbst bestimmen zu können was geschieht, an erster Stelle steht (51 %). Das größte Hemmnis, sowohl beim Erben als auch beim Vererben, ist die Auseinandersetzung mit dem Tod (62 % bzw. 63 %). 29 % der Befragten geben an, dass es sich um Tabuthemen handelt, in Hamburg sind es 37 %, in Frankfurt nur 15 %. Bisher hat sich nur jeder Fünfte intensiv mit dem Thema Erben (21 %) und Vererben (23 %) beschäftigt.

Ein heikles Thema – wer spricht es an?

„Beim Erben gibt es zwei Seiten – einen, der gibt, und einen, der erhält. Spannend ist, dass bundesweit eine klare und einheitliche Auffassung darüber herrscht, wer die Initiative für Gespräche zwischen Erbenden und Erblassern übernehmen sollte – nämlich der Erblasser, da sind sich 77 % der Befragten einig“, so Steinmann. „Ich weiß, dass das in der Praxis oft schwierig ist, weil die Erblasser diese Gespräche meiden. Die potenziellen Erben, meist die Kinder, sollten sich davon nicht verunsichern lassen und diese Gespräche trotzdem proaktiv anregen, zum Beispiel im Zuge einer Vollmachtserteilung.“ In München darf auch der Erbe Gesprächsinitiator sein (29 %), in Köln niemals (0 %). 56 % der Befragten haben in ihren Familien bereits über die Themen Erben und Vererben gesprochen, während 41 % dies noch nie getan haben. „Etwas mehr als die Hälfte? Das ist zu wenig“, betont Steinmann. „Zudem spricht nur jeder Dritte mit den Geschwistern, das ist aber wichtig, wenn es um die Eltern geht“, so die Frankfurter Expertin weiter. Die Gespräche, die stattfinden, verlaufen laut Umfrage erfreulich positiv – sie werden als offen, einig, konstruktiv beschrieben und erfolgen frühzeitig.

Viele fürchten Konflikte

63 % äußern diese Bedenken, insbesondere wegen ungleicher Erbverteilung (50 %), fehlender Testamente (49 %, laut der Quirin-Studie 2024 haben 71 % kein Testament) und möglicher Streitigkeiten um persönliche Gegenstände (48 %). In Frankfurt befürchten nur 46 % der Befragten Konflikte, während es in München 66 % sind. Interessanterweise sorgen sich die Befragten, die bereits Gespräche geführt haben, mehr um Konflikte als diejenigen, die noch nicht gesprochen haben. Auch beim Thema Enterben sehen die Befragten Konfliktpotenzial – 85 % sind der Meinung, dass das Enterbten große Konflikte auslösen kann. 16 % geben an, dass sie möglicherweise jemanden enterben werden, und 7 % haben bereits jemanden enterbt. Grundsätzlich ist die Bereitschaft, etwas zu vererben, seit der ersten Studie von 2017 zurückgegangen – damals wollte noch jeder Zweite etwas vererben, jetzt ist es nur noch knapp jeder Dritte. Auch die Zahl der tatsächlichen Erben ist leicht rückläufig. Hier zeigen sich ebenfalls große regionale Unterschiede – in München hat bereits jeder Zweite einmal geerbt, in Köln hingegen nur jeder Dritte. In München erwartet jeder Zweite eine Erbschaft, in Berlin nur jeder Fünfte. (sg)