Frauen, kommt in die Finanzbranche!

06.02.2022

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lvs: Musstet ihr härter kämpfen als Männer in der gleichen/ähnlichen Position? Musstet ihr euch härter anstrengen, mehr beweisen? Cheng» Ich hatte nicht das Gefühl, das ich härter kämpfen muss. Du hast Recht, es gibt keine Branche, die so gleichberechtigt ist. Man wird nach Leistung bezahlt und das finde ich ganz toll. Gerade als Asiatin bin ja eh total leistungsorientiert. Aber wofür wir eher kämpfen mussten, deswegen finde ich die Frage super interessant, ist eher für unsere Kundinnen. Wir müssen eher dafür kämpfen, dass das Money mindeset, dieses Selbstwertgefühl gerade nach der Elternzeit, wie viel verdiene ich denn, oder wie viel kann ich denn eigentlich verlangen. Das sind einfach so die negativen Glaubenssätze, die die Frauen einfach so vom Elternhaus mitbekommen haben, wo ich eher sage, dass wir da mal ganz viel arbeiten müssen und gar nicht als Finanzberaterin selber, sondern an unseren Kunden/ Kundinnen, um die einfach zu stärken und zu sagen: Hey, ihr könnt genau so viel leisten, ihr verdient genau so viel wie, sag ich mal, wie das Pendant, also als Mann. Landgraf» Innerhalb des Teams habe ich nicht das Gefühl gehabt, ich müsse mich mehr beweisen als andere. Aber wo ich es ganz klar gemerkt habe, ist in den höheren Ebenen. Also, wenn beispielsweise ein Geschäftsführer, ein Manager, ein Vorstand verhandelt, dann macht er dieses leider, so meine Erfahrung, in vielen Fällen lieber mit einem – gefühlt gleichgesinnten – Mann als mit einer Frau, vor allem, wenn diese wesentlich jünger ist. Zumindest in meiner Generation. Heutzutage habe ich zum Glück nicht mehr das Problem, dass mir irgendjemand meine Kompetenz anzweifelt, aber als ich so Mitte zwanzig Anfang dreißig war, da musste ich sehr wohl kämpfen, wenn ich in die High Class, sprich Kunden mit höheren Vermögenswerten oder Geschäftsführer beraten wollte. Kamal» Natürlich wirst Du als attraktive Frau gerne gesehen, aber nicht auf Augenhöhe. Teilweise unterschätzt und meist erlauben sich die Männer Anmachen, mal von dem dämlichen zweideutigen Wortgefecht. Oft wirst du in eine Schublade gepackt, nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen, die deinen Erfolg neiden. Du musst dich überwiegend über Fachkompetenz beweisen, Wissen ist Macht! Ja, das kenne ich auch so. Cheng» Wir sind in Berlin ansässig, wo die Start-up Szene weit verbreitet ist. Deshalb haben meine Mitgründerinnen und ich nicht das Gefühl, dass es so ist. Hier gibt es so viele junge Gründer und Gründerinnen mit innovativen Ideen, die erfolgreich und in ihrer Branche etabliert sind. Wir lernen auf vielen Netzwerk-Events Gründerinnen aus anderen Bereichen kennen und tauschen uns regelmäßig aus, um voneinander zu lernen. Derzeit sind wir mit einer blutjungen und inspirierenden Gründerin, Anastasia von FeMentor, im Gespräch und planen unser erstes gemeinsames Event am 20.01.2022 in Berlin. Sie hat ihr Unternehmen mit 21 Jahren gegründet und ihr Unternehmen ist schon fünf bis sieben Millionen wert – einfach unglaublich. Nicht das Alter, sondern die Leidenschaft für das, was man tut, ist entscheidend. Wir sind sehr dankbar so viele tolle Unternehmerinnen kennenzulernen und stärken uns gegenseitig. Da gibt es so viel Bewegung und gerade unsere Kreativität und dass wir es anders angehen und vielleicht auch für andere Naivität, das bringt uns voran. Natürlich muss man auch etwas kämpfen, aber wenn es eine Leidenschaft ist, habe ich nicht das Gefühl, dass ich dafür kämpfe, sondern ich mache es gerne und sehe, dass wir mit unserem Konzept gut ankommen. Kamal» Ich denke, dass ist jetzt auch dem Social Media-Zeitalter geschuldet und der damit verbundenen Transparenz, sowie der immer mehr zunehmenden Unabhängigkeit der Frauen, dass alles definitiv etwas lockerer geworden ist. Ich fühle mich ganz wohl als Frau, so ist es nicht, aber ich habe damals auch ein paar big Deals verpasst; eben weil ich eine Frau bin. Cheng» Und gerade als attraktive Frau, denke ich, wird man nicht ernst genommen, sondern eher so… Griwatz» Höchstens als Datematerial! Also eher so: Die lade ich mal auf einen Kaffee ein. Kamal» Sie verbringen gern Zeit mit Dir, aber closen tut der männliche Kollege, der eigentlich nicht mal die Fachkompetenz, Empathie und die Fähigkeit hat. Die gehen dann ‚einen saufen‘ oder gehen in eine Zigarren-Bar und da werden die big Deals abgeschlossen. Landgraf» Ja, so Boys Club.

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lvs: Das ist leider ein Phänomen, vor allem in der Immobilienbranche. Als Beispiel sei die Expo Real genannt. Da wurden so einige Deals eher hinter verschlossenen Türen, in einer „intimeren“ Umgebung gemacht. Griwatz» Es gab ja nicht umsonst so viele Skandale. Ich hab es selbst auch erlebt, dass Leute, die meine Ansprechpartner waren, auf einmal in so einen Skandal verwickelt sind und man sich denkt, ‚Ah, so einer bist du also…‘ Kamal» Also ich bin schon mal erfolgreicher als viele Männer, die mit mir die Karriere gestartet haben oder sogar länger dabei sind als ich. Zum Erfolg gehörte einfach Fleiß, Disziplin und Ehrgeiz. Nguyen» Zudem gibt es einen Überraschungseffekt. Als Frau wird man oft nur aufs Äußere reduziert: Ach ja, die ist nur so ein Modepüppchen und dann kommst du aber mit fachlicher Kompetenz und überzeugst auf beiden Ebenen. Griwatz» Es ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es Männer, die deinen Erfolg viel mehr honorieren, gerade weil du eben eine Frau bist! Krass, du bist jung, du bist hübsch und du hast es sogar noch drauf! Aber ich habe auch die andere Seite erlebt, wo viele neidisch auf den Erfolg reagiert haben und dann genau hinschauen: Kann die das wirklich? Sieht die nur gut aus, oder kann die auch was?

lvs: Das ist mir auf der FondsFinanz-Messe aufgefallen, du hattest so einen Pulk an Männern um dich herum, so eine ganze Entourage. Griwatz» Das ist eigentlich schon ganz cool als Frau. Man fällt wirklich auf. Das erzeugt viel mehr Aufmerksamkeit und gerade, weil meine Zielgruppe ja leider aktuell noch mehrheitlich aus Männern besteht, da es nicht so viele selbstständige Frauen in der Finanzbranche gibt, habe ich allein auch deswegen eine größere Reichweite.

lvs: Das ist ein schöner Übergang, ihr habt das beide schon angesprochen. Im Kontext Beratung, da haben männliche Kunden ja vielleicht manchmal auch Schwierigkeiten, den weiblichen Rat anzunehmen. Oder was ich auch schon gehört habe heute: Nee, eigentlich wollen wir lieber den weiblichen Rat haben, weil wenn sich jemand mit Instagram auskennt, dann ja die Frauen, die sind ja eh immer da online. Da gibt‘s beide Positionen? Griwatz» Klar, es heißt dann: beim Thema Kreativität kannst du mir helfen als Frau, aber ich erlebe das auch ganz oft, dass zum Beispiel nicht eingesehen wird, dass man vielleicht gar nicht so erfolgreich ist, wie man hätte sein können und vielen fällt es schwer zu sagen: Ich glaube jetzt der Luisa, die ist 26, die erklärt mir jetzt, wie ich mein Business neu aufziehe. Da steht bei vielen das Ego ein bisschen im Weg. Landgraf» Interessant fand ich neulich den Kommentar von einem Mann auf einem meiner Social Media Profile. Er schrieb: Tolles, interessantes Profil (…) wenn denn alles so stimmt, was du so schreibst. Ja, schöne Unterstellung. Warum sollte es nicht stimmen? Cheng» Ich kann ich es total nachvollziehen, wenn die Mehrheit der Gesellschaft uns weniger Kompetenz zuschreibt. Eben weil es bis jetzt eine so männerdominierte Branche war und erst jetzt was passiert. Und deswegen auch nochmal dazu: Wir haben so große Chancen, jetzt richtig gut zu wachsen, weil das meiste sich jetzt gerade extrem verändert. (lvs/lb)