"In den letzten Monaten haben wir unsere Diversifizierung verstärkt"

16.06.2025

Matthew Stone - Foto: Copyright Arete Ethik Invest

Exklusiv

Matthew Stone ist seit 2018 bei der Schweizer Arete Ethik Invest. Dort hat er u.a. die Position des Senior Portfoliomanager inne. Wir sprachen mit ihm über die Situation an den Finanzmärkten in den vergangenen Monaten und gingen zudem auf die hauseigenen Produkte ein.

finanzwelt: Zum Börsenbeben: Wie haben Sie im Rückspiegel der letzten Monate strategisch in turbulenten und «trumpeligen» Zeiten beim PRIME VALUES Growth (bis 80% Aktienquote) und beim PRIME VALUES Income (bis 30% Aktienquote) die Aktienquoten gefahren?

Matthew Stone: Bereits vor den Turbulenzen, die durch die neue US Zollpolitik ausgelöst wurden, hatten wir unser Aktienengagement reduziert und begonnen, unser Engagement in den USA zu verringern und in Europa zu erhöhen. Im Anleihebereich hielten wir weiterhin an unseren Positionen in längerfristigen Staatsanleihen und kürzerfristigen Unternehmensanleihen fest, in der Hoffnung, von den volatileren und unsicheren Aussichten am meisten zu profitieren.

Trotz der hohen Aktienvolatilität sind die Renditen längerfristiger Anleihen trotz steigender Unsicherheit, schwächerer Wachstumsaussichten und niedrigerer Inflation nicht wesentlich gesunken. Die neuen, überraschend größer als erwartet ausgefallenen Fiskalmassnahmen der deutsche Regierung haben auch nicht geholfen. Auch Unternehmensanleihen blieben von der Volatilität weitgehend verschont und sind zwar attraktiver als zu Jahresbeginn, obwoh die Kreditspreads weiterhin nahe ihrer historischen Tiefststände liegen.

Der Rückgang der Aktienkurse ermöglichte es uns jedoch, nach der anfänglich negativen Reaktion auf die neuen Handelszölle unser Aktienengagement generell zu erhöhen. Wir nutzten dann die Gelegenheit, um einige Unternehmen in das Portfolio neu aufzunehmen, die im Vergleich zu den längerfristigen Wachstumsaussichten attraktivere Bewertungen aufwiesen.

finanzwelt: Wie schaut ihr aktueller Umgang in der Vorausschau aus. Worauf setzen Sie?

Stone: Derzeit halten wir das Aktienengagement im PRIME VALUES Income-Fonds bei rund 30 % und stehen damit quasi beim zulässigen Höchstwert. Im PRIME VALUES Growth-Fonds streben wir ein Engagement von rund 70 % an, maximal können wir hier bis 80% gehen. In den letzten Monaten haben wir unsere Diversifizierung verstärkt. Das Engagement in den USA haben wir reduziert und das Engagement in Europa erhöht. Außerdem haben wir unsere Positionen in den Sektoren Finanzwerte und Basiskonsumgüter sowie Telekommunikation ausgebaut, da Unternehmen in diesen Bereichen defensivere Merkmale aufweisen, attraktive Dividenden bieten und im Allgemeinen geringere Kursschwankungen verzeichnen. Diese Sektoren sind zudem besser vor Handelssanktionen geschützt. Auf der Anleiheseite sind wir weiterhin davon überzeugt, dass die Anleiherenditen niedriger tendieren. Der erwartete Anstieg der Staatsausgaben wird sich erst mit Verzögerung in höheren Anleiherenditen niederschlagen.

Die Inflation und das Wachstum in Europa sind ebenfalls schwach und dürften sich angesichts der Zölle weiter abschwächen, sofern die EZB die Zinsen nicht weiter senkt. Die EZB steht vor einer schwierigen Gratwanderung und hat in den letzten zwölf Monaten große Fortschritte erzielt. Die Zinsen bleiben jedoch auf einem Niveau, das weder das Wachstum fördert noch bremst. Die EZB muss wahrscheinlich mit einer möglichen starken Wachstumsverlangsamung rechnen und zur Tragfähigkeit der Staatsverschuldung beitragen, da die Staatsausgaben die Haushaltsdefizite erhöhen und weitere Zinssenkungen erforderlich machen werden.

finanzwelt: Sie reizen die Aktienquote 30% aus beim PRIME VALUES Income und stehen beim PRIME VALUES Growth hoch auf rund 70% gesteigerter Aktienquote. Können Sie anhand von Aktientiteln Beispiele geben zu spannenden Investmentthemen und Titeln im Fonds?

Stone: Zwei spannende Unternehmen sind beispielsweise Ferguson und Sonova.

Das Wachstum von Ferguson beruht auf seiner Position als einer der weltweit größten Vertreiber von Sanitär-, Heizungs-, Klima- und anderen Artikeln für die Bauindustrie. Der größte Teil des Umsatzes wird in Nordamerika mit gewerblichen Projekten erzielt. Das Unternehmen profitiert von den langfristigen Trends zur Steigerung der Energieeffizienz beim Bau und bei der Renovierung von Gebäuden. Die globale Lieferkette von Ferguson liefert Produkte effizienter als die der Konkurrenz, verfügt über ein unübertroffenes Produktsortiment und fachkundige Mitarbeiter, die dazu beitragen, Projekte schnell und effizient abzuwickeln - eine wichtige Eigenschaft, die Bauunternehmer schätzen. Diese Wettbewerbsvorteile ermöglichen ein höheres Wachstum als das der Konkurrenz. Und das in einem Sektor, der nach wie vor stark zersplittert ist und in dem es viele kleine Unternehmen gibt, denen die Vorteile der globalen Größe fehlen. Eine Ausrichtung des Angebots auf umweltfreundlichere Installationen ist vorhanden und wir sehen hier noch schönes Potential in der weiteren Entwicklung.

Das Wachstumspotenzial von Sonova ergibt sich aus der weltweit steigenden Nachfrage nach Hörlösungen, die durch die alternde Bevölkerung angetrieben wird. Das Unternehmen ist führend bei audiologischen Innovationen in einem Markt, der von drei großen Unternehmen - Sonova, Demant und GN Store Nord – beherrscht wird. Nach einer zweijährigen Unterbrechung hat Costco, einer der größten Vertriebspartner von Sonova in den USA, den Verkauf wieder aufgenommen. Es ist zu erwarten, dass die Umsätze des Unternehmens das Marktwachstum übertreffen werden. Sonova verfolgt den klaren Unternehmenszweck sehr konsequent und integriert seit Jahren soziale und ökologische Aspekte strategisch. Zudem ist die Geschäftspolitik von hohem Verantwortungsverständnis und operativer Konsistenz geprägt.

Kürzlich wurde auch die Gewichtung von Xylem, ein Unternehmen aus dem Bereich Entwicklung innovativer Wasserlösungen, durch intelligente Technologie, Wasser-, Abwasser- und Energielösungen, reduziert und dafür Positionen in Duolingo, Freshpet und Pearson gekauft. Diese drei Firmen wurden aufgenommen in dem Kontext «Demographie / alternde Bevölkerung», was ein Investmentumfeld mit hohem Potential darstellt.

Fachkräfte anziehen und halten in Zeiten sinkender Bevölkerungszahlen und angespannter Arbeitsmärkte ist eine Herausforderung. Die Ausbildung, Umschulung und Bindung von Fachkräften ist extrem wichtig für die Personalstrategie, vor allem, weil der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter den Arbeitsmarkt wahrscheinlich noch angespannter machen wird.

Ein Teil der Lösung besteht darin, ältere Menschen dazu zu bewegen, länger im Arbeitsleben zu bleiben. Die Chance liegt auch in technologischen Lösungen und Automatisierung, um dieses Problem anzugehen. Viele Unternehmen weisen weiterhin auf die wachsende Qualifikationslücke in verschiedenen Branchen hin, die das Wachstum und den Fortschritt in ihren Bereichen behindert. Dies betrifft beispielsweise das Bauwesen, Gesundheitswesen und den Bereich Cybersicherheit. Unternehmen wie Duolingo und Pearson bieten Plattformen, die effiziente und interaktive Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten ermöglichen.

Duolingo ist ein Technologieunternehmen, das eine mobile Lernplattform für über 40 Sprachen anbietet, zusätzlich zu einer digitalen Sprachprüfung und einem Studio für Animation und Motion Design. Das Unternehmen konzentriert sich auf den Einsatz von KI-Tools, um die Interaktivität mit den Lernenden zu erhöhen und Lehrkräfte bei der Erstellung von Kursmaterialien zu unterstützen, wodurch personalisierte Bildung für benachteiligte Bevölkerungsgruppen leichter zugänglich wird.

Pearson ist ein Bildungsunternehmen, das digitale Inhalte, Lernerfahrungen, Bewertungen, Qualifikationen und Daten anbietet, darunter virtuelle Schulen und Schulungen für Arbeitnehmer. Firmen wie Pearson erleichtern den Übergang zum hybriden Lernen und fördern die Interaktivität in der Schule, zum Beispiel durch die Entwicklung von KI-gestützten Chatbots in Online-Lehrbüchern.

Als attraktives Investment sehen wir auch das Unternehmen Freshpet. Freshpet ist ein Tierfutterhersteller, der sich auf frische Rezepte und hochwertige Proteine und Gemüse konzentriert und eine Reihe von frischen, gekühlten Tierfutterprodukten mit minimaler Verarbeitung anbietet. In den USA haben heute mehr Haushalte Haustiere als Kinder, was wahrscheinlich auf demografische Veränderungen und eine veränderte Einstellung gegenüber Haustieren zurückzuführen ist. Laut Packaged Facts betrachten 83 % der US-Haustierbesitzerinnen und -besitzer ihre Haustiere als Familienmitglieder. Mit zunehmendem Alter werden Haustiere zunehmend als Begleiter und Freunde angesehen. Die zunehmende Vermenschlichung von Haustieren hat zu einer steigenden Nachfrage nach Premium-Haustierfutter geführt. Mintel berichtet, dass fast 80 % der US-Haustierbesitzerinnen und -besitzer ebenso viel Wert auf die Qualität des Futters für ihre Haustiere legen wie auf ihre eigene Ernährung. Ältere Menschen geben einen größeren Teil ihres Einkommens für ihre Haustiere aus und haben auch im frühen Seniorenalter (65 bis 74 Jahre) einen hohen Anteil an Haustieren.

finanzwelt: Sie managen auch den noch jungen Fonds PRIME VALUES Bond Opportunities, der im Oktober 2023 aufgelegt wurde. Der PRIME VALUES Bond Opportunities ist ein in Euro denominierter Anleihefonds, der darauf abzielt, die Chancen in einem wieder attraktiven Umfeld für Anleihen zu nutzen. Der Fonds investiert zu 100 % in Anlagen, die dem ethischen Auswahlprozess unterliegen. Bitte stellen Sie uns das Anlagekonzept dieses Rentenfonds doch nochmal vor in kurzen Worten.

Stone: Mit diesem Fonds streben wir langfristige Renditen im hauptsächlich europäische Rentenmarkt an, die sich am Konjunktur- und Zinszyklus orientieren. Nach einer langen Phase negativer Zinsen befinden wir uns nun wieder in einer Welt, die attraktive positive Renditen und damit eine Normalisierung des Konjunkturzyklus und der Geldpolitik bietet.

Derzeit rechnen wir mit einer Phase sinkender Anleiherenditen, da die Zentralbanken ihre Leitzinsen wieder auf ein neutrales Niveau gesenkt haben. In der nächsten Phase dürften die Zinsen auf ein Niveau gesenkt werden, das die Konjunktur ankurbelt, die weiterhin Anzeichen einer Schwäche zeigt. Die Inflation gibt trotz der Gefahr höherer Handelszölle ebenfalls nach, was durch den stärker als erwartet gefallenen Euro unterstützt wird.

Diese Wachstumsverlangsamung dürfte die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen erhöhen. Wir versuchen daher, dieses Risiko zu vermeiden, indem wir Unternehmensanleihen mit attraktiven Renditen selektieren. Um von den fallenden Renditen zu profitieren, haben wir einen Teil der Portfolios auf längerfristige Staatsanleihen konzentriert.

Bislang hat sich unsere These nicht wie erwartet bestätigt. Die Renditen längerfristiger Anleihen, die traditionell parallel zum Leitzins der Zentralbank fallen, wurden durch die unerwartete Erhöhung der Staatsausgaben in den kommenden Jahren zur Deckung der Verteidigungsausgaben und mögliche höhere Inflationsrisiken aufgrund von Handelszöllen beeinträchtigt.

Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass unser Szenario angesichts der aktuellen Konstellation der Faktoren, mit denen die wichtigsten Volkswirtschaften konfrontiert sind, in den kommenden Monaten am wahrscheinlichsten eintreten wird.

finanzwelt: Last but not least: Neu im Angebot für den Schweizer Markt haben Sie bei Arete die Fonds Arete Ethik Global Balanced (CHF) und den Arete Ethik Global Equity (CHF). Wie unterscheiden sich diese Fonds von der EUR Fonds?

Stone: Die neuen Schweizer-Franken-Fonds werden nach derselben Philosophie und denselben Prozessen verwaltet wie die PRIME VALUES-Fonds in Euro. Die Hauptunterschiede bestehen in der Vermögensallokation, den Anlagebeschränkungen, der Präferenz für Schweizer Anlagen und dem von uns eingegangenen Anleiherisiko.

Der Balanced-Fonds ist auf die Einhaltung der Schweizer BVV2-Vorschriften für die berufliche Vorsorge ausgelegt und kann zwischen 35 und 50 % in Aktien und bis zu 30 % in Fremdwährungen ohne Absicherung halten.

Auf der Aktienseite halten wir mindestens 20 % Schweizer Aktien und 15 % Nicht-Schweizer Aktien, wobei diese Anteile auf maximal 40 % bzw. 30 % erhöht werden können. Auf der Anleihenseite konzentrieren wir uns auf Schweizer Franken-Anleihen mit einer Laufzeit von in der Regel 1 bis 10 Jahren und einer Duration von derzeit 4,75. Hier kann die Allokation zwischen 25 % und 65 % schwanken.

Die Liquidität im Balanced Fund ist auf maximal 10 % begrenzt.

Der Aktienfonds wird analog zu den Aktienengagements im Balanced Fund verwaltet, jedoch ohne die BVV2-Beschränkungen. Theoretisch könnte dieser Fonds in bestimmten Situationen bis zu 100 % Schweizer oder sogar nicht-schweizerische Aktien halten. Eine derart extreme Positionierung halten wir jedoch für höchst unwahrscheinlich.

finanzwelt: Ein Blick bitte noch unter die Haube ihrer hauseigenen Vermögensverwaltung für Aktien- und Mischmandate und dazu folgende Fragen:

a)        wie ist die Verteilung in EUR und CHF Kunden in diesem Bereich?

Stone: 60 % bzw. 40 % in EUR und CHF, bezogen auf das verwaltete Vermögen

b)       Mehr Mandate aus D oder CH?

Stone: Die Anzahl der Mandate in Deutschland ist aufgrund der geringeren durchschnittlichen Investitionssumme deutlich höher.

c)        Wie verhalten sich Ihre Bestandskunden in der aktuellen Marktsituation?

Stone: Die meisten unserer Kunden investieren weiterhin langfristig. Trotz der aktuellen Lage verzeichnen wir Zuflüsse von einigen unserer größeren Kunden und konnten eine Reihe neuer Privatkunden gewinnen.