Lebensversicherung: 80 ist das neue 100

31.03.2022

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Alles neu macht der Mai! Die Welt der Lebensversicherung erlebt allerdings schon jetzt große Veränderungen. Vor allem die Produkte der Altersvorsorge sind stark betroffen. Das ergibt der aktuelle Marktblick des unabhängigen Analysehauses MORGEN & MORGEN (M&M). Nachfolgend präsentieren wir die zentralen Ergebnisse.

Mit zahlreichen Tarifanpassungen sind die deutschen Lebensversicherer in das Jahr 2022 gestartet. Vor allem die Senkung des Rechnungszinses auf 0,25% hat zu Anpassungen von Altersvorsorgeprodukten geführt. Die Tarife zur Arbeitskraftabsicherung sowie zur Risikovorsorge haben die Versicherer ebenfalls überarbeitet. Diese Tarife haben den Wandel aber im Schnitt mit nur leichten Beitragserhöhungen bisher ziemlich gut bewältigt.

Ein anderes Bild ergibt sich bei der Altersvorsorge. Durch die Umstellung der Kalkulationen auf den neuen Rechnungszins wuchs die Herausforderung für die Versicherungsunternehmen, die Beitragsgarantien zu finanzieren. Dementsprechend setzt sich immer mehr die Abkehr von der 100-prozentigen Beitragsgarantie durch. Frei nach dem Motto: 80 Prozent ist das neue 100 Prozent. Das bedeutet eine Neuordnung und einen damit einhergehenden Verlust an Vielfalt der Tarifarten. Der Absicherungsbedarf bei Verbrauchern hingegen besteht weiterhin, auch wenn sich das Angebot zunehmend zuspitzt.

Viele Überlebende, wenige Gewinner

Laut Einschätzung von MORGEN & MORGEN gibt es in der aktuellen Situation viele Überlebende, aber nur wenige Gewinner. Der Fondsgebunden Rentenversicherung ohne Garantie sowie mit flexiblen Garantieangeboten gehört demnach die Zukunft. Sie habe laut Analysehaus die Möglichkeit sich so flexibel aufzustellen, dass sie mit den Chancen des Kapitalmarktes mitgehen könne – jedoch auch mit den damit verbundenen Risiken. Der Kunde könne somit flexibel das zu seinem persönlichen Maß an Chancen und Risiken passende Produkt wählen.

Der Markt steht nach Einschätzung von M&M weiter unter starkem Druck. Denn der Bedarf einer Altersvorsorge bestehe weiterhin bei Verbrauchern. Hier gelte es, transparente Renditeaussagen zu treffen, auch wenn das gegebenenfalls den vertrieblichen Interessen gerade bei kurzen Laufzeiten widerspreche. Die Bafin spricht in der aktuellen Ausgabe des Bafin Journals genau diesen Interessenskonflikt an. Sie bemängelt vor allem, dass im Hinblick auf hohe Effektivkosten sowie intransparente Rückvergütungen und damit verbundene Renditeschmälerungen beziehungsweise -verluste, dem Zielmarkt hinsichtlich seiner Interessen und Bedürfnisse nicht genügend Rechnung getragen wird.

Zwei Seiten der Medaille

Die Rentenversicherung ist laut M&M weiterhin ein wesentlicher Baustein in der Altersvorsorge. Es liege auf der Hand, dass der vertrauensvolle Zugang zu Rentenprodukten neben einer verbraucherfreundlichen Produktgestaltung ebenfalls eine transparente und verlässliche Basis für Vermittler und Verbraucher brauche.

Rentenprodukte verbraucherfreundlich zu gestalten, ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, Renditeerwartungen transparent und vergleichbar zu machen. Produkte, die in den individuellen Kundenszenarien schwächeln, können somit verbraucherfreundlich ausgeschlossen werden. Produkte, die der Kundensituation entsprechen, können nachhaltig und belastbar erkannt und vermittelt werden.

Marktinitiative Neuer Renditestandard

„Vor diesem Hintergrund sind wir Anfang des Jahres mit der Marktinitiative Neuer Renditestandard gemeinsam mit Versicherungsgesellschaften und Vertrieben an den Start gegangen. Ziel ist es, einen einheitlichen und verlässlichen Renditestandard zu etablieren, der alle Kosten enthält und alle Produkte vergleichbar macht und das für jede Kundensituation individuell,“ so Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik bei MORGEN & MORGEN.

Hierfür hat die Marktinitiative die Plattform renditestandard.de gegründet. Sie soll alle Interessensgruppen zusammenbringen und bietet relevante Services, Informationen und Kontaktmöglichkeiten. Interessierte Verbraucher können ihre persönliche Chance-Risiko-Neigung über ein standardisiertes Verfahren ermitteln und erfahren, zu welcher Chance-Risiko-Klasse ein passendes Produkt zugewiesen sein sollte. Beispielhafte Tarifprofile der angeschlossenen Gesellschaften zu Renditeerwartungen für drei Laufzeitszenarien sind ebenfalls auf der Plattform zu finden. Die Kontaktaufnahme zu Mitgliedern, sowohl zu Versicherungsgesellschaften als auch zu Vermittlern, ermöglicht Verbrauchern einen Partner zu finden, der sich dem Neuen Renditestandard verschrieben hat.

„Wir sind überzeugt, dass der Weg nur gemeinsam beschritten werden kann. Daher hoffen wir, dass sich die Branche nicht auf Partikularinteressen versteift, sondern ihr Stigma der Schwerfälligkeit überwindet und gemeinsam etwas Großes in Richtung Verbraucherinnen und Verbraucher schafft. Damit wir der Altersvorsorge wieder ein verlässliches Gesicht geben können,“ blickt Saal auffordernd in die Zukunft. (sh)