Rallye nach der Rallye?

05.03.2013

Die Suche nach den Perlen ist schwieriger geworden. Die Chinesen schwächeln und andere Märkte sind schon sehr gut gelaufen. Letztlich führt aber kein Weg an den Schwellenländern vorbei. Gökhan Kula, Managing Partner und CIO von MYRA Capital, analysiert die Lage am Bosporus.

„Am türkischen Kapitalmarkt hat sich nach der Rekordstimmung im vergangenen Jahr und der fortgesetzten Euphorie in den ersten Wochen nach Jahresstart die Stimmung in Ernüchterung umgeschlagen. Die im Verlauf des Januars erzielten Gewinne an der Istanbuler Börse mussten mittlerweile mehr als abgegeben werden, sodass, seit Jahresanfang betrachtet, der ISE-30 Index mit knapp -2 % notiert. Die entscheidende Frage für Anleger: Ist es eine gesunde und fällige Korrektur oder steht eine längere Durstphase am Bosporus an?

Der türkische Aktienmarkt konnte das Jahr 2012 mit einer herausragenden Wertentwicklung von knapp 65 % bilanzieren und hat damit als einer der Top-Performer – auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern – das Jahr abgeschlossen. Die nüchternen Zahlen und Fakten bestätigen eindrucksvoll dieses positive Bild. Die vorzügliche makroökonomische Situation der Türkei wird wohlwollend von der Investorengemeinde aufgenommen, von der viele südeuropäische Nachbarländer aktuell nur träumen können. Wichtige wirtschaftliche Grunddaten wie die Verschuldungsquote des Staates sind unter Kontrolle – diese liegt mit knapp 36 % des BIPs deutlich unter dem Maastricht-Kriterium.

Aus geldpolitischer Sicht hat die türkische Notenbank noch Handlungsspielraum, die vielen anderen Notenbanken angesichts der bereits sehr tiefen Zinsniveaus fehlt. Durch den zuletzt im Dezember leicht auf 5,5 % reduzierten Leitzins wird ein positiver Impuls für die abgekühlte Wirtschaftsaktivität erwartet. Betrachtet man dann auch noch die vorteilhafte demographische Situation der Türkei – sehr junge, strebsame und konsumorientierte Bevölkerung – so überrascht es nicht, dass die Ratingagentur Fitch erstmals seit 1994 die Türkei wieder mit Investment Grade Status bewertet.

Auch wenn das Gesamtbild attraktiv erscheint – trotzdem ist und bleibt die Türkei ein Schwellenland, das in einer geopolitisch zwar mächtigen, aber schwierigen Position ist. Bisher konnte zwar der Syrienkonflikt die Börse nicht negativ beeinflussen, ein weiteres Ausufern könnte die Istanbuler Börse allerdings stark unter Druck bringen. Zudem sollte insbesondere auch das Handelsbilanz-Defizit nicht aus den Augen gelassen werden, obwohl sich in den letzten Monaten bereits eine Besserung zeigte. Eine daraus resultierende schwächere türkische Lira könnte Investoren auf dem falschen Fuß erwischen. Wie groß das Abwärtspotenzial und die Volatilität von türkischen Aktien sein kann, zeigt eindrucksvoll die längerfristige Darstellung des Kursverlaufs.

Eine risikokontrollierte und flexible Vorgehensweise erscheint somit an der türkischen Börse aktuell angebracht. Eine weitere positive Entwicklung kann durchaus von den türkischen Kapitalmärkten erwartet werden, auch wenn die Bewegungen mit deutlicher Zunahme der Volatilität und mit geringeren Zugewinnen ausfallen sollten. Aufgrund dieser Faktoren setzen wir aktuell in unserer Türkeistrategie lediglich eine Investitionsquote von 48 % um und passen diese flexibel an. Auf Sektorenebene sollten Gewinne aus dem starken Bankensektor mitgenommen werden und in Industrietitel bzw. defensive Branchen investiert werden. Aus antizyklischen Gesichtspunkten erscheinen beispielsweise sowohl Turkcell Iletisim als auch das Konglomerat Koc Holding als aussichtsreich, wobei auch diese Titel schon sehr gut gelaufen sind.“

Gökhan Kula

Türkeifonds