„China durchläuft momentan eine recht schwierige Lage“
20.08.2025

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International / Foto: © Fidelity
Was bringt die Zukunft an den Kapitalmärkten? USA, Europa oder doch lieber das ferne Asien? Wo gibt es Chancen auf eine Outperformance und welche Assetklassen gilt es eher auszusparen? Carsten Roemheld ist Kapitalmarktstratege bei Fidelity International und äußerte sich Anfang Juli im Interview zu diesen Aspekten.
finanzwelt: Auch 2025 zeigt sich wieder als herausforderndes Kapitalmarktjahr. Die Akteure blicken zunächst in die USA. Die Inflation ist zuletzt nur geringfügig gestiegen. Entspannung an der Inflationsfront?
Carsten Roemheld: Davon können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sprechen, wie es auch die US-Notenbank Fed in ihren Pressekonferenzen immer wieder eindrucksvoll bestätigt. Denn zwei wichtige Variable weisen noch immer erhebliche Unsicherheiten auf. Das ist zum einen der inflationäre Effekt der Zölle, der aufgrund einer nur geringen Anzahl von bisher abgeschlossenen Handelsdeals der USA nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann. Dafür müssen diese Deals zunächst umgesetzt werden, um in den nachfolgenden Monaten die Preiseffekte analysieren zu können. Der zweite Unsicherheitsfaktor sind die Energiepreise, die durch den Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran zwar wieder deutlich heruntergekommen sind, aber immer noch deutliches Potenzial für mögliche Volatilität aufweisen.
finanzwelt: Bleiben wir zunächst in den Vereinigten Staaten. Wie wichtig ist es für die USA bzw. die US-Administration, im eigenen Interesse Deals in den Handelsstreitigkeiten zu erzielen (im Speziellen mit China)?
Roemheld: Die USA ist in wesentlichen Bereichen auf Partner und speziell auch auf China angewiesen, wie man es am Beispiel der seltenen Erden belegen kann. Der wirtschaftliche Austausch, gerade für kritische Güter ist weiterhin essenziell, und China ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner der USA. Gleichzeitig versucht man, die unliebsame Konkurrenz im Bereich der Technologie zu isolieren, um ein weiteres technologisches Fortkommen Chinas zu unterbinden bzw. zu verzögern. Bis man allerdings eine erwünschte wechselseitige Unabhängigkeit erreicht hat, dürfte noch viel Zeit verstreichen und den Druck auf einen beidseitig akzeptablen Handelsdeal hochhalten. Mit dem Versprechen zahlreicher Handelsabkommen in kurzer Zeit hat die US-Regierung die Erwartungen recht hoch gelegt und muss nun auch liefern.
finanzwelt: Was erwarten Sie von der Fed in den kommenden Monaten?
Roemheld: Aufgrund der Unsicherheiten rund um die Inflationsentwicklung in den USA wird die Fed noch eine ganze Weile mit Zinsveränderungen warten, bis man die Effekte der Zollpolitik besser einschätzen kann. Das Risiko einer vorzeitigen Zinssenkung und einer Rückkehr der Inflation analog zu den frühen 80er-Jahren ist einfach zu groß. Die Fed dürfte daher noch bis zum Jahresende warten, bevor die nächste Zinssenkung verkündet wird. Die Diskussionen um die Nachfolge von Jerome Powell dürften die Schlagzeilen daher in den nächsten Monaten hauptsächlich beherrschen.
finanzwelt: Auf der anderen Seite des Erdballs hat China mit einer deflationären Entwicklung zu kämpfen. Wie sehen Sie die Lage Pekings?
Roemheld: China durchläuft momentan eine recht schwierige Lage. Durch die Krise im Immobilienmarkt und den damit verbundenen negativen Vermögenseffekten ist der Konsum in China deutlich zurückgegangen. Es gilt nun, in diesem Bereich für Stabilisierung zu sorgen, denn momentan hängt der wirtschaftliche Erfolg wieder stark von den Exporten ab. Das dürfte aber erst dann nachhaltig passieren, sobald die Handelsdiskussionen mit den USA abgeschlossen sind und Klarheit über die weitere Strategie herrscht. Daher müssen wir uns in dieser Frage noch etwas gedulden. Dennoch haben sich die Voraussetzungen in den vergangenen Monaten nach unserer Einschätzung verbessert.
finanzwelt: Ist China bzw. Asien im Rahmen der Portfoliodiversifikation mit Blick auf die kommenden Monate höher zu gewichten?
Roemheld: Wir empfehlen, China und Asien mit Blick auf die Portfoliodiversifikation in den kommenden Monaten höher zu gewichten, da wir einerseits strukturellen Gegenwind für Anlagen aus den USA sehen, denen mit einer breiteren Diversifikation begegnet werden sollte. Weiterhin sind auch die Bewertungen und das Renditepotenzial in diesen Regionen sehr attraktiv, was durch die Schwäche des US-Dollars noch einmal zusätzlich verstärkt wird. Das Wachstumspotenzial in den Schwellenländern bleibt in den kommenden Jahren weit überdurchschnittlich und sollte sich daher auch auf die Renditeerwartungen für Investorinnen und Investoren entsprechend auswirken.
finanzwelt: Viel wird über die Wiederentdeckung Europas gesprochen. Ein heterogenes Gebilde. Hat der Kontinent überhaupt die Kraft und Fähigkeit, den bis dato übermächtigen USA in zukunftsweisenden Industrien Paroli zu bieten?
Roemheld: Bis Europa den USA auf breiter Front Paroli bieten kann, dauert es sicherlich noch eine ganze Weile, da die Rückstände in vielen Bereichen noch sehr groß sind. Für Anlegerinnen und Anleger geht es aber weniger um den Status quo als eher um die Frage, wo sich aktuell das größte Potenzial für Veränderungen abzeichnet. Hier sehen wir einige Möglichkeiten für Europa, das durch fiskalische und monetäre Impulse in den kommenden Jahren deutlich mehr wachsen kann als in den vergangenen. Durch eine restriktive Zollpolitik und geringeres Gewinnwachstum in den USA fallen hingegen die Gründe für eine deutliche Bewertungsprämie zunehmend weg und werfen Fragen auf, ob die historisch hohen Gewichtungen nach wie vor gerechtfertigt sind.
finanzwelt: Anleger suchen Ertragsquellen. Ob Aktien oder Anleihen, wo könnten sie in den nächsten Monaten überdurchschnittlich fündig werden?
Roemheld: Für eine langfristige Anlage sind Aktien weiterhin das Maß alle Dinge, da sie noch immer langfristig das beste Renditepotenzial haben. Da wir in den kommenden Jahren insgesamt höhere Inflationserwartungen haben, liegt auch die Hürde für Renditen für alle Anlageklassen um ein gutes Stück höher. Allerdings sollte eine gute und breite Diversifikation eine noch größere Rolle spielen als zuvor, d. h. die Regionen Europa und Schwellenländer/Asien sollten aufgrund ihres Wachstumspotenzials und ihren Bewertungen eine höhere Gewichtung in den Portfolien bekommen. Im Anleihenbereich sehen wir aktuell weniger Potenzial. Staatsanleihen sind wegen der steigenden Schulden keine so attraktive Anlageklasse mehr. Die Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen sind im Investment-Grade-Bereich wieder stark zusammengeschrumpft und bieten in den wenigsten Fällen noch eine gute Kompensation für das Risiko. Lediglich Asien und die Schwellenländer bieten hier noch attraktive Rahmendaten. Auch europäische Hochzinsanleihen sehen wir im aktuellen Kontext noch als renditeträchtig an, da sie im globalen Vergleich aufgrund vergleichsweise niedriger Duration weniger Volatilität aufweisen. Anlegerinnen und Anleger sollten allerdings auch andere Anlageformen berücksichtigen wie Rohstoffe, Gold und alternative Anlageklassen, welche die Diversifikation aufgrund unkorrelierter Renditen nochmals erhöhen können. (ah)

„Es geht um den sportlichen, nicht um den finanziellen Erfolg“
