Tor zwischen zwei Welten

04.03.2013

Fast 500 Jahre sind nunmehr vergangen, seitdem die Türken das habsburgische Wien heimgesucht hatten. Eine enorme und willensstarke Streitkraft, wenngleich auch nicht immer erfolgreich. Kraftvoll und nahezu an vorderster Front präsentierte sich im vergangenen Jahr der türkischeAktienmarkt und ließ Europäer undChinesenweit hinter sich. Ganz ohne Gegenwehr!

Die Türkei hat zu uns ein enges Verhältnis, auch wenn es gelegentlich nicht ganz spannungsfrei ist. Immerhin gibt es hierzulande fast drei Millionen lebende Menschen türkischer Herkunft, von denen etwas mehr als die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, und im Jahre 2011 machten fast fünf Millionen Deutsche Urlaub am Bosporus. Umgekehrt sind wir der wichtigste Handelspartner der Türkei und mit einem Investitionsvolumen von knapp 9 Milliarden US-Dollar seit 1980 der größte ausländische Investor in der Türkei. In jüngster Zeit regt sich was – und dies aus mehreren Gründen. Seitens der türkischen Regierung kommen wieder Signale für eine Belebung des türkischen Beitrittsprozesses zur Europäischen Union. Natürlich ist dieses Ansinnen auch den Ereignissen in Nordafrika und den angrenzenden Staaten geschuldet, die alle mit enormen internen Spannungen zu kämpfen haben und somit auf Dauer kein verlässlicher Partner mehr für die Türken sind.

Tempo statt Rückschritt. Nach den überdurchschnittlichen Wachstumsschüben der Vorjahre (2010: +9,2 %, 2011: +8,5 %) hat die türkische Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2012 zwar etwas an Schwung verloren, befindet sich aber im Vergleich zu vielen anderen Staaten (insbesondere Industrieländer) noch deutlich auf der Überholspur. Bis dato hat Ankara weder durch die schwelende Eurokrise noch durch die politischen Unruhen im Nachbarland Syrien nachhaltigen Schaden einstecken müssen. Und auch für die Zukunft stehen, schenkt man den Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) Glauben, die Ampeln auf „grün“. Das zeigt sich auch an der Börse. Der Istanbuler Aktienmarkt gab im vergangenen Jahr richtig Tempo. Der Aktienindex ISE-100 ging Ende 2012 mit einem Plus von knapp 58 % in den verdienten Winterschlaf. Für Ercan Güner, Senior Fondsmanager HSBC GIF Turkey Equity, ist diese gute Performance auf ein „soft landing“ zurückzuführen, im Zuge dessen das Haushaltsdefizit und die Inflationsrate gedrosselt wurden und die türkische Notenbank die Geldpolitik lockerte, was die Wirtschaft zusätzlich stimulierte. Positiv gestimmt zeigt sich auch DWS-Experte Sebastian Kahlfeld und fügt an, dass das Wirtschaftswachstum mit 4 bis 5 % in 2013 deutlich über anderen Ländern der EMEA-Region liegen kann als auch an den weiterhin nicht teuren Bewertungen am Aktienmarkt.

Gute Nachrichten gab es im vergangenen Jahr einige – nicht zuletzt auch die Hochstufung des Landes auf Investmentgrade durch Fitch Anfang November. Das Leistungsbilanzdefizit wurde reduziert und die Inflation gedämpft. Zudem sei der Ausblick stabil, hieß es in der offiziellen Begründung. Das bedeutet, dass türkische Anleihen damit zum ersten Mal seit knapp zwei Dekaden als durchschnittlich gute Anlage gelten. Das dürfte neue Investoren anlocken und die Kreditkosten drücken, erwarten Marktteilnehmer. Erste Anzeichen sind in diesem Zusammenhang schon zu erkennen und der positive Trend im Bereich ausländische Direktinvestitionen dürfte anhalten, fügt HSBC-Experte Güner an. Auch die Investmentlegende Jim O’Neill erwartet in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5 % im Land am Bosporus, und damit ein Prozent mehr als die Mehrheit der Volkswirte.

Überbewertung der Lira? Kritiker verweisen oftmals auf die Aufwertung der türkischen Währung, die gefährlich sein könnte. Infolge der verbesserten Kreditwürdigkeit sind die Zinsen für türkische Staatsanleihen auf ein Rekordtief gefallen. Gleichzeitig hat die Währung des Landes weiter aufgewertet. Besteht nun Anlass zur Sorge? „Auch wenn die Lira sicherlich nicht billig ist, so halten sich zur Zeit negative wie positive Auswirkungen eher die Waage. Da allerdings ab 2014 eine Reihe an Wahlen anstehen werden, besteht hier durchaus die Gefahr, dass die Regierung die Zügel lockern könnte, falls sich die wirtschaftliche Entwicklung abschwächt. Dies sehen wir momentan jedoch nicht“, bemerkt Kahlfeld. Die Leitzinssenkung dürfte keine abschreckende Auswirkung für ausländische Investoren haben, sagt Güner. Der Leitzins steht aktuell bei 5,75 %, was im internationalen Vergleich durchaus noch immer sehr hoch ist. Und weil die Zinsen fallen, steigt die heimische Nachfrage nach Aktien, kommentierte jüngst der Türkeiexperte aus dem Hause HSBC.

Nach Expertenmeinungen sind es vor allem konsumsensitive Titel, die in diesem Jahr die Pace angeben und den positiven Tenor verstärken könnten. Ercan Güner setzt unter anderem auf Immobilienunternehmen, den Automobilsektor und das Thema Infrastruktur. Der Bankensektor gilt, auch nach dem Superjahr 2012, weiterhin als lukrativ bewertet und auch in diesem Sektor ergibt sich weiteres Aufwärtspotenzial. Investoren sollten jedoch bedenken, dass türkische Aktien nicht nur wachstumsstark erscheinen, sondern auch (sehr) schwankungsanfällig sind. 2011 rutschten sie auf Dollar-Basis über 36 % nach unten, im vergangenen Jahr ging es 50 % nach oben.

In der Rückschau auf 2012 stechen insbesondere die beiden Fonds aus den Häusern DWS und HSBC positiv hervor und finden sich auf dem Podest wieder. Zum einen der DWS Türkei mit einem Fondsvolumen von 120 Mio. Euro und einer Wertsteigerung im vergangenen Jahr in Höhe von 69 %. Über die vergangenen drei Jahre erzielte Fondsmanager Kahlfeld ein Plus von 30 %. Die Volatilität in diesem Zeitraum beträgt knapp 27 %. Stärkster Türkei-Fonds des vergangenen Jahres war der GIF Turkey Equity von HSBC. Mit einem Volumen von 280 Mio. Euro ist er einer der Schwergewichte und freute sich über eine Wertsteigerung 2012 in Höhe von 72 %. Für den Zeitraum der vergangenen drei Jahre steht ein Plus von knapp 50 %. Somit schlagen beide erwähnten Fonds ihre Benchmark MSCI Turkey. Abseits der beiden Produkte überzeugte auch der KBC Equity Fund Turkey von KBC Asset Management mit der rückblickend drittstärksten Performance.

Fazit. Welche Bedeutung nimmt die Türkei innerhalb des Schwellenländer-Universums ein? Für DWS-Manager Kahlfeld ist sie „ein Diamant mit Ecken und Kanten. Ein Wachstumsmarkt, um den man als Investor nicht herumkommt, der aber auch Volatilitäten mit sich bringt.“ Dieses Bild trifft den Nagel auf den Kopf. So sehr die Performance im vergangenen Jahr die Investoren überzeugte, so sehr gab es in der Vergangenheit Blessuren. Für das Land spricht eine junge Bevölkerung, die niedrige Staatsverschuldung, ein starker Binnenkonsum und ein gesunder Bankensektor.

Alexander Heftrich

Türkeifonds