WINKLERS WEITBLICK – Ein US-Inflations-Hoch jagt das nächste

19.10.2022

Michael Winkler / Foto: @ St.Galler Kantonalbank

In der vergangenen Woche erlangte die Teuerung in den USA wieder einen neuen Höchststand und befindet sich damit auf einem Jahrzehntehoch. Zwar fiel der Anstieg der Verbraucherpreise – wie auch in den Vormonaten – leicht von 8,3 Prozent im August auf 8,2 Prozent im September. Jedoch erreichte die Kernrate – also der Wert ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel – mit 6,6 Prozent im Vergleich zu 6,3 Prozent im August ihren absoluten Höchststand. Mit der aktuellen Entwicklung steht die FED weiterhin unter Druck und der Weg für weitere Zinserhöhungen scheint geebnet. Nach bereits fünf Zinserhöhungen in diesem Jahr lag der US-Leitzins Ende September bei 3,25 Prozent, mit einer planmäßigen Erhöhung um weitere 75 Basispunkte im November und einem angestrebten Ziel von 4,5 Prozent bis zum Jahresende. In der Eurozone liegt der Leitzins aktuell bei 1,25 Prozent.

Mit der Entwicklung zur US-Rekordinflation fragen sich Marktteilnehmer auch hierzulande, ob wir den Peak der Inflation tatsächlich schon erreicht haben. So misst der Verbraucherpreisindex (VPI) die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen in Deutschland, die Veränderung der Preisentwicklung zum Vergleichszeitraum entspricht dann der Teuerungsrate. Dabei gibt es zur Berechnung einen festgelegten Warenkorb, dessen Güter in 650 Güterarten eingeteilt werden. Die Preisveränderung der einzelnen Güter fließt direkt in den Index ein, mit dem Ergebnis eines gewichteten Mittelwertes für die Preisentwicklung in Deutschland. Dabei fließen Wohnen, Verkehr, Freizeit und Nahrungsmittel am stärksten in den Gesamtindex ein – was dann im sogenannten Wägungsschema festgehalten wird. Die aktuellen Preistreiber bzw. Ursachen für den Anstieg des Preisniveaus sind die stark gestiegenen Energiekosten (+32 Prozent), aber auch Preisanstiege bei Gütern und Dienstleitungen wie Nahrungsmittel (+10 Prozent) und Verkehr (+13 Prozent).

Mit Blick auf die weltweiten Aktienmärkte ist die Zeit des Rebalancing eingetreten, da verschiedene Negativszenarien bereits eingepreist sind. Zum Wochenausklang ging es etwas volatiler zu, doch zeigten sich die Märkte versöhnlich und schlossen – nach einem kurzen, aber heftigen Kursrutsch – mit einem Plus. Könnte die kurzfristige Entspannung des Sentiments für eine Wende sorgen und eventuell sogar die Basis für eine Aktienrallye legen? Aktuell weisen die weltweiten Aktienmärkte allerdings unverändert tiefrote Werte auf – mit Kursrückgängen zwischen 20 bis 30 Prozent und einem erneuten Jahrestief zum Quartalanfang. Im Vergleich zeigten sich die europäischen Aktienmärkte in den vergangenen Tagen stabiler, doch wird uns die Unsicherheit weiter begleiten, der Ausgang der Krise ist ungewiss und die Aussichten bleiben auch für die kommenden Monate volatil.

Summa summarum hat die FED alle Gründe, die Zinsen weiter zu erhöhen, da die Inflation nicht im erwarteten Tempo zurückgeht und sowohl die Risiken als auch die Volatilität auf sehr hohem Niveau bleiben. Da jedoch viele Einzeltitel wieder fundamental attraktiv bewertet sind, empfiehlt sich über eine Wiederherstellung der ursprünglichen Aktienquote durch Nachkäufe nachzudenken. Da die Aktienmärkte ihre Bodenhaftung noch nicht gefunden haben, bleiben Renten als Portfoliobeimischung attraktiv.

Gastbeitrag von Michael Winkler Leiter Anlagestrategie St.Galler Kantonalbank Deutschland AG