Zinsen bleiben wohl länger höher

09.03.2023

Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement und Co-Fondsmanager des DJE – Dividende & Substanz und des DJE – Zins & Dividende DJE Kapital AG / Foto: © DJE Kapital AG

Nach einer differenzierten Analyse der Inflation und ihrer Einflussfaktoren rechnen wir mit einer bis auf Weiteres anhaltend hohen Kerninflation und Zinsen auf einem Niveau, das über längere Zeit höher bleiben dürfte. Die Sektoren Banken und Versicherungen könnten davon profitieren.

Nach wie vor bestimmen die Inflationsentwicklung und die Notenbankpolitik die Börsen. Mit Blick auf die kommenden Monate dürfte die Gesamtinflation in den USA und in Europa weiter sinken. Die Kernraten (also ohne Nahrungsmittel und Energie) zeigen aber deutlich weniger Beruhigung, und die zugrundeliegende Kerninflation bleibt hoch. Der Druck auf die Kerninflationsraten dürfte auch 2024 unter anderem aufgrund höherer Lohnabschlüsse anhalten. Die Zinsen werden damit voraussichtlich länger auf einem hohen Niveau bleiben müssen.

Bisher zeigt sich die US-Wirtschaft ausgesprochen resilient, vor allem aufgrund des sehr starken Arbeitsmarkts. Trotz der monetären Bremsung der US-Notenbank (Fed) haben sich die Börsen 2023 bislang gut entwickelt. Aus monetärer Sicht kam die globale Liquidität durch die expansive Politik der japanischen Notenbank bisher nicht so stark unter Druck. Dieser bisherige Rückenwind könnte aber ab Mai nachlassen. Demzufolge könnte das erste Halbjahr 2023 an den Börsen besser ausfallen als die zweite Jahreshälfte. Zinsen und Bewertungen werden damit 2023 wichtig sein, demzufolge könnten sich die Börsen in Europa und den Schwellenländern besser entwickeln als in den USA. Europa könnte zumindest 2023 auch ein besseres Wirtschaftswachstum zeigen.

Value-Titel beziehungsweise günstig bewertete Aktien beispielsweise aus dem Banken- und Versicherungssektor, bleiben vorerst interessant, genauso wie ausgewählte attraktiv verzinste Anleihen.

Aktien/Anleihen

•            Fokus auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht •            Deutsche bzw. europäische Staatsanleihen bleiben unattraktiv •            Ausgewählte Unternehmensanleihen weiter chancenreich

Den Aktienanteil unserer Fondsportfolios haben wir aktuell reduziert. Auf der Aktienseite halten wir einen Fokus auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit hoher Preis-setzungsmacht unverändert für sinnvoll, da diese auch in einem wachstumsschwachen Umfeld solide Gewinne erwirtschaften können und somit langfristig voraussichtlich die beste Anlagealternative bieten. Bei den festverzinslichen Wertpapieren erachten wir vor allem deutsche Staatsanleihen weiter für unattraktiv. Der Grund liegt in der sich verschärfenden Energiekrise, dem daraus resultierenden Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen und der anhaltend hohen Inflation. Die Renditen deutscher Bundesanleihen halten wir daher für deutlich zu niedrig. Weiterhin Chancen bieten dagegen ausgewählte Unternehmensanleihen. Attraktiv sind vor allem Emissionen, die bei Laufzeiten von fünf bis sechs Jahren aktuell über fünf Prozent Rendite bringen.

Fundamental

•            2023 Europa mit stärkerem Wachstum als die USA •            Verzögerte Wirkung der Geldpolitik kann 2024 stärker belasten als 2023 •            Interesse asiatischer Investoren an Europa nimmt zu •            Stärkere Lokalisierung multinationaler Unternehmen wahrscheinlich •            Zinserhöhungen führen wegen strukturellen Fachkräftemangels nicht zwingend zu höherer Arbeitslosigkeit

Konjunkturell sieht es für Europa und Deutschland etwas besser aus als noch Ende 2022: Aufgrund des bisher sehr warmen Winters hat sich die Situation an den Gas- und Strommärkten entspannt. Die Auftragslage für die europäische Industrie sollte sich etwas bessern, denn die Lagerbestände sind bei vielen Kunden ausgesprochen tief.

2023 dürfte auch das Wirtschaftswachstum in der Eurozone über dem Wachstum in den USA liegen, was ein kurzfristiger Vorteil für Europa ist. Mittel- bis längerfristig sollten die USA aber stärker wachsen als Europa, denn Europa hat unverändert ein strukturelles Wachstumsproblem, das nach 2023 wieder zum Tragen kommen dürfte. Es wird wohl auch 2023/24 nicht viel unternommen, um das Wachstum in Europa zu beschleunigen.

Aus fundamentaler Sicht (Gewinnentwicklung) sollten europäische Unternehmen, die in der Regel günstiger als ihre US-Peers sind, 2023 einen kurzfristigen Vorteil haben. Mit Blick auf 2024 erscheinen uns viele aktuelle Wachstumsprognosen zu optimistisch: In den aktuellen Prognosen sind die Verzögerungen aus der restriktiven Geldpolitik (ein Zinsschritt wirkt sich in der Regel erst mit einer Verzögerung von bis zu einem halben Jahr aus) noch nicht eingepreist. Aufgrund dieser Timelags könnte das globale Wachstum 2024 generell schlechter ausfallen als 2023.

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