Zinsen bleiben wohl länger höher

09.03.2023

Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement und Co-Fondsmanager des DJE – Dividende & Substanz und des DJE – Zins & Dividende DJE Kapital AG / Foto: © DJE Kapital AG

In Europa wiederum erscheinen die Prognosen der Europäischen Zentralbank hinsichtlich der Inflationsentwicklung 2023 bis 2025 zu optimistisch: Bis Ende 2024 wieder Preisstabilität zu erreichen ist unwahrscheinlich.

Aus monetärer Sicht kam die globale Liquidität durch die expansive Politik der japanischen Notenbank bisher nicht so stark unter Druck wie befürchtet. Denkbar ist aber, dass der neue Gouverneur der Bank of Japan viel stärker mit Amerikanern und Europäern kooperieren wird und damit die BOJ deutlich weniger expansiv agieren wird.

In der zweiten Jahreshälfte könnte es zu einer erneuten Marktkorrektur kommen. Die Gründe dafür liegen im laufenden Prozess des Quantitative Tightening, in möglicherweise ausbleibenden Zinssenkungen respektive in Zinsen, die höher sind als erwartet. Aus monetärer Sicht ist für die Börsen in den USA und Europa daher kein Rückenwind zu erwarten.

Historisch war die Entwicklung der Geldmenge immer der beste Börseneinflussfaktor: Die US-Geldmenge M1 wächst aktuell nicht mehr, und die US-Überschuss-Liquidität ist negativ, das heißt es ist derzeit zu wenig überschüssiges Geld für Aktieninvestitionen im Wirtschaftskreislauf. Für Anleihen bleibt das Sentiment negativ. Aber wir sehen Chancen, denn es sind weiterhin top eingestufte Anleihen (Beispiel AA oder A) mit attraktiver Verzinsung zu finden.

USD/EUR

•            Euro profitiert von Kapitalflüssen in den Euroraum •            US-Dollar mittelfristig stärker

Der Euro könnte zunächst noch weitere Unterstützung erfahren, unter anderem durch bessere Wachstumsaussichten in der Eurozone 2023 und wieder zunehmende Kapitalflüsse bzw. Investitionen in den Euroraum. Mittelfristig gehen wir aber unverändert von einer US-Dollar-Stärke aus: Die USA haben mittelfristig ein besseres strukturelles Wachstum, sind weitgehend energieautark, technologisch in vielen Bereichen führend, deutlich weniger bürokratisch und haben den stärksten und tiefsten Kapitalmarkt.

Fokusthema: Banken und Versicherungen Banken

Die deutlich gestiegenen Leitzinsen in EUR und USD unterstützen den Investmentcase der Banken in das Jahr 2023 hinein. Der Faktor des Deposit-Betas wird jedoch in den kommenden Quartalen zunehmend an Bedeutung gewinnen und das Tempo des Gewinnanstiegs bremsen. Kostensteigerungen im Rahmen des inflationären Umfelds werden den Sektor ebenfalls nachlaufend treffen. Positives Überraschungspotenzial besteht in einem sich positiv entwickelnden Kreditzyklus, der länger als erwartet anhält.

Dieser beruht auf der einen Seite darauf, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher noch immer in einer sehr guten Verfassung befinden und kaum Arbeitslosigkeit fürchten müssen. Auf der anderen Seite haben viele Unternehmen die Niedrigzinsphase genutzt, um ihre Finanzierungsstruktur deutlich zu verlängern, so dass der Zinsdruck der gestiegenen Zinsen sich erst über einen deutlich längeren Zeitraum entfalten wird und kurzfristig stärkere Ausfälle kaum zu erwarten sind. Die Bilanzstruktur des Sektors ist zudem so solide wie vermutlich in keinem Abschwung zuvor, was signifikanten Shareholder-Return in den kommenden Jahren möglich machen wird.

Versicherungen

Der Versicherungssektor profitiert von dem Anstieg des Zinsniveaus erst mit signifikanter Verzögerung, bedingt durch die Duration der Kapitalanlageportfolios von vier bis fünf Jahren in der Schadenversicherung und etwa zehn Jahren in der Lebensversicherung. Vor allem die Schadenversicherung (Erst- und Rück-Versicherung) hat damit in den kommenden Jahren das Potenzial, von den gestiegenen Zinssätzen zu profitieren. Nach den starken Schadenjahren in der jüngeren Vergangenheit können sowohl in der Erst- wie auch in der Rückversicherung weiter signifikante Preissteigerungen durchgesetzt werden, und das auch in Segmenten, in denen die Inflation bereits ihr Hoch überschritten haben sollte (Auto und Bau, bedingt durch Lieferprobleme im vergangen Jahr).

Ergänzend kommt in der Rückversicherung noch hinzu, dass das Risikokapital als preisstützender Faktor nur noch in deutlich verringertem Umfang zur Verfügung steht. Der Shareholder-Return über die Dividenden ist bei den Versicherungen ähnlich attraktiv wie im Bankensektor, wenn auch nicht ganz auf dem gleichen Niveau – dafür sollte der positive Effekt steigender Zinsen über einen längeren Zeitraum positiv zum Ergebnis beitragen.

Gastbeitrag von Stefan Breintner, Leiter Research und Portfoliomanagement, DJE Kapital AG