Zinsen bleiben wohl länger höher

09.03.2023

Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement und Co-Fondsmanager des DJE – Dividende & Substanz und des DJE – Zins & Dividende DJE Kapital AG / Foto: © DJE Kapital AG

Das Interesse asiatischer Investoren, mehr in Europa zu investieren, nimmt zu und stützt damit auch den Euro. Der Staatsfonds von Singapur, Temasek, sucht beispielsweise gezielt nach Investitionen in Unternehmen, die von den Bemühungen Europas profitieren, energieunabhängiger zu werden. Singapur bleibt auch in Bezug auf die erwartete wirtschaftliche Entwicklung eine aussichtreiche Region in Asien. Die schnelle Öffnung Chinas ist positiv für das chinesische sowie für das asiatische Wachstum zu bewerten, wirkt aber auch inflationär.

Mittel- bis längerfristig bleibt es für Unternehmen in Deutschland und Europa aber weiter schwierig. Vor allem Mittelständler dürften es schwer haben. Große, multinationale Unternehmen werden ihre Ressourcenallokation vermutlich noch stärker lokalisieren, das heißt vermehrt direkt in den wichtigsten Absatzregionen (USA/Asien) investieren. Bei Meetings/Konferenzen zeigen sich Unternehmen mit hohem US-Geschäft zuversichtlich (beziehungsweise sind froh, viel US-Geschäft zu haben), da die Auftragseingänge in den USA strukturell besser sind.

Im Vergleich zu anderen Zyklen könnte der Arbeitsmarkt in den USA länger angespannt bleiben als erwartet. Der Arbeitsmarkt in den USA (in Europa ähnliche Situation) könnte in diesem Zyklus der große Unterschied sein: Trotz der massiven Bremspolitik der Fed steigt die Arbeitslosenquote voraussichtlich nur gering an, da es in sehr vielen Sektoren ein strukturelles Arbeitskräftedefizit gibt. Viele Arbeitnehmer haben sich ferner zu sehr an Home-Office gewöhnt und stehen nur noch eingeschränkt zur Verfügung, in die Firma zu kommen (man spricht auch von einer Arbeitslosenquote adjustiert um „Working from home“ (WFH) von nur um die zwei Prozent in den USA). Die Preis-/Lohnverhandlungsmacht von entsprechend qualifizierten Arbeitnehmern ist hoch.

Monetär

•            Kerninflation dürfte weniger stark fallen als Gesamtinflation •            Zentralbanken könnten höheres Zinsniveau stabilisieren •            EZB mit zu optimistischer Inflationsprognose •            Kein monetärer Rückenwind für die Börsen •            Anleihen insgesamt weiter negativ, aber ausgewählte hochwertige Anleihen mit attraktiver Verzinsung

Die Gesamtinflation sollte in den USA auch in den kommenden Monaten zurückgehen. Auch in der Eurozone dürfte die Gesamtinflation wegen der sinkenden Energiepreise zunächst fallen. Verbesserungen respektive Rückgänge der Inflationsrate nehmen den Druck von den Zentralbanken, weiterhin große Zinsschritte zu machen. Allerdings dürfte die Kerninflation aber weniger stark fallen als die Gesamtinflation. Inflationskomponenten wie Mieten oder auch Dienstleistungen dürften nicht so schnell zurückkommen. Unterscheidet man zwischen Gütern und Dienstleistungen, so ist festzustellen, dass die Inflation der Güterpreise sinkt. Die Service-Inflation dagegen steigt. Und diese ist eine viel größere Gefahr für das Erreichen des Inflationsziels.

Zum Ende des Zinserhöhungszyklus rechnen die Marktteilnehmer in den USA mit einer Spanne des Leitzinssatzes von 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Die Fed könnte aber gezwungen sein, noch weiter zu gehen, auch wegen der anhaltend starken Arbeitsmarktberichte. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell sagte dazu, dass noch ein langer Weg zu gehen sei, um die Inflation abzukühlen („There is a significant way ahead to cool down inflation“). Unter den stimmberechtigten Fed-Mitgliedern scheint es einigen Dissens zu geben (Gleiches gilt wohl auch für die EZB): Manche Mitglieder hätten auch bei der letzten Sitzung gerne 50 Basispunkte gesehen. Ein Fed-Gouverneur glaubt auch, dass man 2024/25 über 5,5 % liegen wird. Generell kann man sagen, dass eine so große Streuung hinsichtlich der Zinserwartungen 2023/24/25 historisch ungewöhnlich ist.

Zugleich steht das Komitee der stimmberechtigten Fed-Mitglieder auch vor einer Neubesetzung, beziehungsweise einige Personalien ändern sich. Es gibt noch keine Erfahrungswerte darüber, wie die neuen Mitglieder abstimmen werden. Möglich ist, dass sie tendenziell eher auf der Seite der Falken stehen: Die Inflation soll ja nicht gleich zu ihrem Problem werden. Insgesamt ist es nicht angebracht, hinsichtlich schneller Zinssenkungen allzu optimistisch zu sein. Fed und auch EZB werden voraussichtlich erst einmal versuchen, die Zinsen auf einem höheren Niveau zu stabilisieren, bevor über Zinssenkungsschritte nachgedacht wird.

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