Den Störgeräuschen trotzen

08.01.2024

Robert Greil. Foto: Merck Finck

Nach einem Jahr, das durch zahlreiche Zinsanhebungen und eine nachhaltig hohe Inflation gekennzeichnet war, wird sich das globale Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr 2024 verlangsamen. Zur Jahresmitte werden die Zentralbanken vor dem Hintergrund des langsameren Wachstums und des geringeren Inflationsdrucks die Gelegenheit nutzen, um mit Zinssenkungen zu beginnen. Hierdurch wird die Erholung im zweiten Halbjahr 2024 und in der Zeit danach auf breiter Basis gestützt werden. So lauten die Einschätzungen von Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck, der die Prognosen der Bank für die Weltwirtschaft, die Finanzmärkte und die wichtigsten Anlageklassen präsentierte.

Im Laufe eines Jahres, das zwei verschiedene Hälften sehen dürfte, werden die Anleger laut Greil vor der Herausforderung stehen, den Überblick zu behalten – trotz einer Flut von zu erwartenden Ereignissen und Informationen, einschließlich wichtiger Wahlen, einer anhalten- den geopolitischen Unsicherheit und regionaler Spannungen. „Die Verschiebung hin zu einer stärker multipolaren Welt, die mit der Pandemie einsetzte, zeigt sich weiterhin in der Entflech- tung der Lieferketten, des Handels und des Finanzwesens“, so Greil. „Im Jahr 2024 werden sich die Anleger an dieses unsichere Umfeld anpassen müssen. Hierzu sollten sie ein Engagement in Vermögenswerten in Erwägung ziehen, die mit ihren defensiven Eigenschaften das Risiko in den Portfolios verringern können.“

Für den Chefstrategen von Merck Finck erscheinen hochwertige Staatsanleihen mit Blick auf das nächste Jahr weiterhin aussichtsreich. Er ist überzeugt, dass der gegenwärtige Zinsanhe- bungszyklus der Zentralbanken an seinem Ende angelangt ist und dass ab Mitte 2024 Zins- senkungen möglich sind. Greil hält die Renditen gegenwärtig für attraktiv und verweist darauf, dass sie für den Fall, dass sich der Konjunkturausblick stärker als erwartet verschlechtern sollte, als Puffer fungieren können. Riskantere Schuldtitel erscheinen hingegen unattraktiv, da sie aufgrund von straffen Finanzierungsbedingungen und Bewertungen, die das Risiko steigender Ausfallquoten nicht abbilden, in Mitleidenschaft gezogen werden könnten.

„Auch wenn wir unsere konservative Positionierung auf dem Weg ins Jahr 2024 beibehalten, mildern wir unsere vorsichtige Haltung dennoch leicht ab, da die Zinssätze mittlerweile ihren Scheitelpunkt erreicht haben und die Märkte eine moderate Verlangsamung bereits weitge- hend eingepreist zu haben scheinen“, so Greil. Er erläuterte, dass sich dies in einer geringfü- gigen Vergrößerung der Aktienallokation niederschlage. Hierfür werde zusätzlich zu Qualitäts- aktien aus den USA ein Engagement in europäischen Aktien und Aktien aus Industrieländern des Pazifikraums ohne Japan beigemischt, um die regionale Diversifikation zu stärken und die sehr unterschiedliche Wachstumsdynamik ausnutzen zu können. „Schwellenländeraktien bergen im Vergleich dazu gegenwärtig ein hohes Risikoniveau, das durch ihre relativ günstigen Bewertungen nicht vollständig gerechtfertigt ist“, führte er weiter aus. Gleichzeitig könnte ein stärkeres Engagement in Rohstoffen zusätzliche Hebel bereitstellen, um sich insbesondere auf kurze Sicht gegen den Inflationsdruck sowie gegen das höhere geopolitische Risiko abzusichern. Laut Greil schließe dies jedoch ein stärkeres Engagement in Gold aus, das gegenwärtig im Vergleich zu anderen sicheren Fluchtwerten leicht überbewertet erscheine.

Der Chefstratege von Merck Finck erwartet, dass der US-Dollar im Laufe des Jahres 2024, wenn auch nur moderat, abwerten könnte. „Die US-Währung könnte durch Zinssenkungen der US-Notenbank, ein leicht steigendes Haushalts- und Handelsdefizit und die anhaltende Überbewertung des US-Dollar belastet werden“, fügte Greil an. „Da sich das Wachstum im zweiten Halbjahr allmählich erholen wird, könnte auch die Risikobereitschaft der Anleger steigen. Dies würde den Euro und das Pfund Sterling stützen. Unserer Erwartung zufolge wird jegliche Schwäche des US-Dollar allerdings begrenzt sein, da auch die Europäische Zentralbank und die Bank of England im zweiten Halbjahr 2024 mit Zinssenkungen beginnen dürften.“ (fw)