Erkennbarkeit der Falschberatung?
19.08.2025

Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Nichterkennung des Beratungsfehlers war grob fahrlässig
Die Berufung blieb erfolglos. Das OLG Koblenz bestätigte das Urteil des LG Trier. Beide Gerichte waren der Auffassung, dass ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Falschberatung verjährt sei. Die Nichterkennung des Beratungsfehlers durch die Versicherungsnehmerin sei grob fahrlässig gewesen.
Auch bei einem derartigen Vertrauen in die Versicherungsvertreterin hätte der Versicherungsnehmerin klar sein müssen, dass ein allgemeines Risiko von Schreibfehlern, Bearbeitungsfehlern und Missverständnissen nicht ausgeschlossen werden könne, da sich auch Dritte mit der Bearbeitung des Antrags befassen würden. Eine Hinterfragung der Beratung an sich wäre vorliegend nicht erforderlich gewesen. Den Versicherungsschein darauf zu kontrollieren, ob die Beratung auch willensgemäß umgesetzt wurde, sei jedoch die Pflicht der Versicherungsnehmerin gewesen (anders bei umfangreichen Informations- oder Klauselwerken: OLG Köln, Urt. v. 26.07.2019 – 20 U 185/18).
Hätte die Versicherungsnehmerin den Versicherungsschein überprüft, sei es ihr unmöglich gewesen, zu verkennen, dass der Versicherungsschein keine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auswies und dementsprechend nicht der durchgeführten Beratung entsprach. Es liege damit eine Erkennbarkeit der Falschberatung vor.
Die Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung habe demnach im März 2014 zu laufen begonnen. Die Verjährungsfrist lief daher mit Ablauf des Jahres 2017 ab.
Fazit
Dieses Urteil des Oberlandesgericht Koblenz zeigt, wie wichtig es ist, sich als Versicherungsnehmer auch selbst zumindest grundlegend mit seinen Versicherungsunterlagen zu befassen. Eine Beratung durch eine Vertrauensperson stellt keine Garantie dafür dar, dass keine Fehler passieren können.
Die Frage, ob ein Versicherungsnehmer anhand des Versicherungsscheins eine Falschberatung hätte erkennen können, wird von verschiedenen Gerichten durchaus unterschiedlich gesehen (siehe dazu Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung). Das LG Arnsberg zeigte sich dabei beispielsweise was die Erkennbarkeit der Falschberatung durchaus Versicherungsnehmerfreundlich (siehe auch Verjährung & Pflicht zur Prüfung des Versicherungsscheins (LG Arnsberg)).
Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.

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