Finanzwissen für alle!

27.02.2024

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Gedichte mithilfe von Stilmitteln analysieren und interpretieren, Ableitungen, Sinus und Cosinus oder der anonyme Tom, der sich auf dem Wochenmarkt Feinde macht, weil er 200 Wassermelonen kauft: In der Schule lernt man bekanntlich fürs Leben. Aber ist dem wirklich so? Denn etwas, das tatsächlich für das Leben wichtig ist, aber in der Schule deutlich zu kurz kommt, ist Finanzwissen. Zins und Zinseszins, Inflation und Deflation oder der Hauskauf im Hinblick auf das notwendige Eigenkapital und anfallende Nebenkosten. Die sogenannten „Geldlehrer“ des gleichnamigen gemeinnützigen Vereins sorgen dafür, dass Schüler ab der 9. Klasse an die Finanzmathematik herangeführt werden und dem Thema in Zukunft selbstbewusst gegenüberstehen.

Im Zeitalter sozialer Medien und dem „kleinen Internet“ in Smartphone und Tablet haben Jugendliche unzählige Möglichkeiten, sich Wissen anzueignen. Es gibt sie, die „Finfluencer“, die FinTech-Start-ups, die zeigen, dass Finanzen nicht erst ein Thema für „später“ und ein notwendiges Tool sind. Die MasterCard-Studie zur Finanzbildung (Juni 2023) zeigt, dass 81 % der Eltern sich Inhalte zu Finanzen und Finanzplanung, Haushalten und Schulden auf dem Stundenplan wünschen. Gefolgt von 77 %, die berufs- und einkommensnahe Themen wie Ausbildungswege und Bewerbung begrüßen würden.

Die Lücke, die fehlendes Finanzwissen lässt, ist nämlich nicht gerade klein. Die Allianz-Studie (Juli 2023) beziffert das dadurch entstehende „Lehrgeld“ auf 2.690 Euro pro Haushalt und Jahr. Es ist nachvollziehbar: Wer sein Finanzwissen nicht erweitert, gibt mehr Geld aus, als er es eigentlich muss. Millennials und Gen Z weisen laut der Studie ein geringeres Finanzwissen auf als die Generation der Babyboomer. Auf der Video-Plattform TikTok gibt es sogar den Hashtag #KlarnaSchulden. Dort vergleichen die Nutzer und Nutzerinnen ihre durch die Buy-now-pay-later-Funktion („Jetzt kaufen, später bezahlen“) nach und nach angehäuften Schulden. Für fast 66 % der Gen Z sind Schulden akzeptiert und normal, zeigen Zahlen der Lowell Group vom Juli 2023. Das unterstreicht nur, wie wichtig es ist, das Thema Finanzbildung auch an Schulen anzubieten.

Auftritt: Geldlehrer e.V.

Heute wachsen junge Menschen in einer Welt auf, die sich rasant entwickelt. Mediale Berichterstattung hält Klimawandel, Politik und Wirtschaft auf dem Radar und zeigt, dass die (Vorsorge-)Situation der Großeltern nicht die gleiche sein wird wie die eigene. „Jungen Menschen ist ab ca. 14 Jahren bereits sehr bewusst, dass sie sich nicht erst im gesetzten Erwachsenenalter mit Finanzthemen beschäftigen sollten“, erklärt Anette Weiß, Vorstandsvorsitzende von Geldlehrer e.V. und Geschäftsführende Gesellschafterin der geld.wert finanzbildung GmbH. Ihre Lebenswirklichkeit habe sich in den letzten zehn Jahren stark verändert, und das Angebot der finanziellen Grundbildung würde von den Schülern nicht nur begrüßt, sondern sogar gefordert, so Weiß. Ziel sei es, an jeder allgemeinbildenden Schule einen Geldlehrer oder eine Geldlehrerin etabliert zu haben, „so dass jeder Jugendliche mit einer soliden finanziellen Grundbildung ins Erwachsenenleben starten kann“.

Dabei unterrichten die Geldlehrer, die natürlich selbst Berater sind, nicht ihre eigenen „Kunden von morgen“. Kunden-Akquise steht nicht im Vordergrund. Die Berater profitieren durch die Geldlehrer-Ausbildung und den Umgang mit Schülern, dadurch erhöhe sich nicht nur die „Qualität und Didaktik der eigenen Beratungsleistung, auch das Mindset und die Arbeitsethik verbessern sich ständig“. Man würde automatisch zu einem besseren Finanzberater, beziehungsweise einer besseren Finanzberaterin. Jörg Uhlenbrock, unter anderem zertifizierter Fondsberater und Geschäftsführer der Uhlenbrock GmbH sowie aktiver Geldlehrer, kann das nur bestätigen. „Wir lernen durch die Fragen der Jugendlichen, komplexe Finanzthemen verständlicher mit vielen praktischen Beispielen, Stories und persönlichen Erfahrungen zu erklären.“ In den Beratungen mit Interessenten würde so „Fachchinesisch“ vermieden und Themen leichter verständlich gemacht. „Die Beratungen werden durch die Geschichten und persönlichen Erlebnisse lebendiger und interessanter.“

„Geldunterricht ist mein Lieblingsfach!“

So lautet die Rückmeldung eines Schülers der Theodor-Heuss-Schule, die in der HNA (Kreis Kassel) zitiert wurde, denn die Schüler wurden für ihr Geldwissen sogar ausgezeichnet. Die Schulleitungen und Lehrer würden den Einsatz von Externen begrüßen, so Uhlenbrock. Sie sähen die praxisnahe Finanzbildung als Bereicherung und Ergänzung des Lehrplans. „Sie wünschen sich noch viel mehr Geldlehrer und deren Einsatz an Schulen.“ Inzwischen gibt es sogar mehr Anfragen von Schulen, als der gemeinnützige Verein an Geldlehrern bereitstellen kann. Das Angebot, die schuleigenen Lehrkräfte zu Geldlehrern ausbilden zu lassen, nimmt das in Angriff. Anette Weiß freut sich über die niedrige Fluktuation. Für viele Geldlehrer gehöre das Ehrenamt zu ihrem normalen Arbeitsalltag dazu. Die hohe Nachfrage und die positive Resonanz der Arbeit zeigt mehr als deutlich, dass das Schulsystem frischen Wind benötigt.

Im Verein sind Geldlehrer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv. Mit jeder Unterrichtsstunde machen sie einen Schritt in die richtige Richtung und zeigen Schülern, dass der Weg in eine finanziell sichere Zukunft kein Umweg sein muss. (ml)