Führungskräfte sitzen auf brodelndem Pulverfass

06.04.2022

Versicherungsexpertin Grit Güldner / Foto: © Grit Güldner

Falscher Kredit oder zu großzügiger Rabatt – Fehler passieren. Doch kommt das Unternehmen deshalb zu Schaden, hat das Konsequenzen. „Persönliche Haftung wird gefährlich unterschätzt“, weiß Versicherungsexpertin Grit Güldner. Jeder siebte Geschäftsführer im KMU Segment kennt sein persönliches Haftungspotenzial nicht. Die 53-Jährige plädiert für mehr Aufklärung im Bereich D&O und rät: Manager sollten keinen Job mehr ohne entsprechende Versicherung annehmen.

Rund 281 Millionen Euro an Schadenszahlungen wurden laut GDV 2020 deutschlandweit durch D&O-Versicherer geleistet. Tendenz steigend, nicht zuletzt durch Corona. „Gewöhnliche Versicherungen reichen nicht für die Absicherung des Spannungsfeldes, in dem sich Führungspersönlichkeiten befinden“, erklärt Güldner. „Wenn ich sehe, was Manager den ganzen Tag über leisten und dann passiert ihnen mal ein Fehler. Und zur Krönung haften sie dann noch dafür persönlich, uneingeschränkt und gesamtschuldnerisch.“ Die gelernte Bankfachwirtin sieht hier enormen Aufklärungs- und Handlungsbedarf.

Wissenslücke mit großer Auswirkung

Nach neunjähriger Karriere bei einer Bank steigt Güldner 2000 ins familiäre Versicherungsgeschäft ein – Gewerbe- und Industrieunternehmen sind ihr Steckenpferd. Im Laufe der Zeit stellt sie immer wieder fest: „In so vielen D&O-Verträgen haben Unternehmer nicht das versichert, was sie glauben versichert zu haben.“ Auch ein großes Unternehmen, welches sie zu Beginn abschließend betreut, unterliegt diesem Irrglauben. „Die Forderungen von Insolvenzverwalter und Nachfolgegesellschafften an vorherige Vorstände, weitere Führungskräfte und Aufsichtsgremien waren enorm“, erinnert sie sich. Die angesetzte Versicherungssumme war leider viel zu gering. „Das war für uns alle sehr emotional und für mich die Initialzündung“, meint Güldner.

Ihre Aufklärungsarbeit beginnt - zunächst beim eigenen Kundenstamm. Ergebnis: 75 % passen ihren Versicherungsstatus mit einer D&O Versicherung an.

Das betrifft mich nicht, oder doch?

Versicherungsmakler und Co. haben sie alle: Die klassische Vermögensschadenhaftpflicht, quasi die Berufshaftpflicht. Die D&O dagegen sei eine Vermögensschadenhaftpflicht „für bestimmte Entscheidungsträger“ – ein feiner, aber essenzieller Unterschied. Wer sollte sich angesprochen fühlen?

Persönlich in Haftung genommen werden können nicht nur angestellte Geschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern auch Kontrollgremien wie Aufsichtsrat oder Beirat. Ebenso können Angestellte in besonderen Positionen, wie z.B. Datenschutzbeauftragte, Arbeitsschutzbeauftragte oder Fuhrparkleiter betroffen sein. Das Pulverfass brodelt, sobald dem Unternehmen ein Vermögensschaden entsteht - weil etwas schiefläuft oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Sieben von zehn Streitfällen enden zwar in einem Vergleich, allerdings kann ein Prozess drei bis sieben Jahre dauern. Ca. 70 % der Versicherungssumme einer D&O werden allein durch die Abwehrkosten gefressen, nur ca. 30 % verbleiben für den eigentlichen Schadenausgleich.

„Jeder, der laut Gesetz wie eine Führungskraft in Haftung genommen werden kann, muss das auch wissen“, so Güldner. Ist das Kind in den Brunnen gefallen, ist es zu spät – ein brennendes Haus versichert keiner mehr.

Persönliche Haftung – so schnell kann´s gehn

Sicher, Manager sind dafür da, Entscheidungen zu treffen. Doch die hohe Zahl gesetzgeberischer Regelungen und die Alltagshektik lassen Menschen Fehler machen. Schneller als gedacht entstehen Angriffspunkt für persönliche Haftung – zum Beispiel der Kreditvertrag für eine große Neuanschaffung. Aus Zeitdruck folgt eine lückenhafte Recherche und schon ist es passiert – mögliche Fördermittel oder Zuschüsse wurden übersehen. Beim Jahresabschluss fällt auf: Die Förderung von 50.000 Euro wurde nicht genutzt, der Firma ist ein Vermögensschaden in dieser Höhe entstanden. Die anderen Gesellschafter können jetzt diesen Betrag vom Geschäftsführer persönlich einfordern. „Die Leute werden gerade zunehmend in Haftung genommen“, so Güldner. Viele Unternehmen hätten, auch durch Corona, wenig finanziellen Spielraum.

Auch der nächste Fall kommt vor: Das neue Gebäude steht, doch es wurde nicht versichert. Der „worst case“ tritt ein und es brennt ab. Ebenso nach hinten losgehen können nett gemeinte Rabatte. Erhält der Lieblingskunde zu hohe Nachlässe, ist das nicht mehr im Sinne des Unternehmens. Verantwortliche können auch hier in persönliche Haftung genommen werden.

Die Liste der möglichen Fehler ist lang und Fahrlässigkeit, wie unterlassene oder mangelhafte Organisation, Kontrolle oder Überwachung, darf nicht zur Gewohnheit werden. Dennoch: „Kein Manager sollte mit der Angst arbeiten müssen, sein Hab und Gut verlieren zu können“, so die Versicherungsexpertin.

So überprüfen Manager ihren Sicherheitsstatus

Güldners Erfahrungen zeigen - die Mehrzahl der Führungskräfte ist nicht ausreichend informiert. Je kleiner ein Unternehmen, desto weniger sei das Thema D&O überhaupt bekannt. Wirtschaftsriesen sind hier besser vorbereitet: 80 % der DAX-Konzerne und ähnliche Unternehmensgrößen haben eine D&O-Versicherung.

Die Versicherungsexpertin empfiehlt jedem Manager zwei einfache wie effektive Schritte:

1. „Erkundigen Sie sich“: Besitzt das Unternehmen eine D&O-Versicherung und wer ist mit welcher Tätigkeit darüber versichert. In erster Linie sollten Manager über die Firma abgesichert werden – die Behebung eines Schadens sei ja durchaus auch im Sinne des Unternehmens. „Wer sich hier privat absichern muss, sollte nochmal über sein Verhältnis zur Firma nachdenken“, gibt die Versicherungsmaklerin zu denken.

2. „Holen Sie einen Experten ins Boot“: Managerversicherungen sind ein klarer Fall für den Fachmann. Güldner arbeitet, auch wegen der Komplexität dieses Themas, seit Jahren selbst mit einem spezialisierten Makler in diesem Bereich zusammen. „Führungskräfte werden von uns haarklein unter die Lupe genommen.“ Die Prämien werden individuell angepasst, denn die Voraussetzungen seien immer unterschiedlich. Ob nun Zweifachmaximierung der passenden Deckungssumme, Besitzstands- und Kontinuitätsgarantie oder verlängerte Nachmeldefristen - Ziel sei am Ende immer die optimale individuelle Absicherung für den Notfall.

Grit Güldners Mission „Aufklärung“ ist eindeutig: Kein Manager-Job mehr ohne D&O-Versicherung. „Es ist allerhöchste Zeit zu realisieren, dass eine D&O im geschäftlichen Bereich genauso existenziell ist, wie eine private Haftpflicht im privaten Bereich.“ (fw)