In guten wie in schlechten Zeiten – aber bitte immer mit Respekt
25.04.2023

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Gerade in schwierigen Situationen erodierten Anstand und Respekt in atemberaubender Geschwindigkeit. Krisensituationen bringen die Wippe der klaren Kommunikation aus der Balance. Das Ausüben von Druck und Macht steht unserem natürlichen Streben nach Respekt und unseren Chancen im Weg.
Warum wir nach Respekt streben
Das Streben nach Geltung ist Teil unserer DNA: Von klein auf feilschen wir um Ansehen und Bewunderung. Von den Kleinsten angefangen (Wie kriege ich Mama dazu, dass sie mir etwas Süßes gibt?) über Jugendliche (Seht alle her, wie cool ich bin!) bis hin zu Erwachsenen (Ich habe was, das du nicht hast!) streben Menschen danach, Einfluss zu nehmen. Sie versuchen so auch, ihren Willen durchzusetzen – als Kind ganz offen, als Erwachsene meist sehr bedeckt. Gesellschaftlich schickt es sich nicht, dieses Streben zu zeigen. Da es aber dennoch vorhanden ist, führt es zu den interessantesten Auswüchsen.
Wenn Menschen zusammenkommen, fallen bereits in denersten Sekunden weitreichende Entscheidungen, wie sich ihre Kommunikation und ihr Umgang miteinander entwickeln. Es wird beobachtet, dargestellt und angepriesen: Wem hört man zu? Wessen Meinung gilt? Wen lässt man außen vor? Bevor auch nur ein inhaltliches Wort gesprochen wird, ist bereits die Rangordnung festgelegt. In diesem Verhalten sind wir der Tierwelt gar nicht so unähnlich: Auch in den animalischen Sozialverbänden werden Status und Rang stets überprüft und ausgefochten. Wer sich in der Natur nicht behauptet, zieht den Kürzeren.
Menschen sind noch viel differenzierter in ihrem Streben nach Respekt als Tiere es je könnten. Sie arbeiten mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen: Mit ihrer Körpersprache, ihrem Gesichtsausdruck, mit ihrer Stimme, mit Intellekt, mit gemeinsam geteilten Gütern wie Zeit und Raum, mit Statussymbolen und mit bewusst gewählten Worten. Menschen sind überdies im Gegensatz zu Tieren fähig, über den Augenblick hinaus strategisch zu handeln. Sie können Umstände inszenieren, Massen manipulieren und sich perfide an die Macht bringen. Im Großen wie im Kleinen, auf der Bühne der Weltpolitik bis hin zur eigenen Familie – das Ringen um Respekt und Geltung erstreckt sich über alle Bereiche unseres Zusammenlebens.
Wie sich in Konflikten der Verhaltenstypus (Angst-Typ) durchsetzt
Wenn wir unser Verhältnis zu anderen Menschen betrachten,läuft jede Begegnung zuerst auf der nonverbalen Ebene ab. Das bedeutet, dass wir zuerst abstecken, wie wir zueinanderstehen. Freund oder Feind? lautet die zentrale Frage, die automatisiert in unserem Kopf gestellt wird. Wir bewegen uns stets auf der Wippe zwischen Sympathie und Respekt. Jene, die Respekt mit Nachdruck aufbauen müssen, verlieren dabei meist Sympathie. Warum Menschen lieber Abstand halten und auf Sympathie verzichten, ist meistenspersönlichen Ängsten geschuldet.
Der Psychoanalytiker Fritz Riemann beschreibt in seinem bekannten Werk »Grundformen der Angst« vier wesentliche Grundängste, die unser soziales Verhalten prägen: Die Angst vor der Hingabe, Angst vor der Selbstwerdung, Angst vor der Veränderung und die Angst vor Notwendigkeit. Er beschreibt damit vier wesentliche Grundängste, die unser soziales Verhalten prägen. Natürlich sind die Persönlichkeitstypen und Ängste hier pathologisch und etwas übertrieben dargestellt. Im Arbeitsalltag können sie jedoch helfen, Verhaltensmuster zu deuten und Kommunikationsstrategien abzuleiten. An der Art und Weise, wie sich eine Person darstellt und gibt, erkennen wir ihren Verhaltenstypus und können antizipieren, ob sie mehr auf Sympathie oder mehr auf Respekt setzt. Schließlich verfügt jeder Mensch über beides – auch, wenn es bei manchen nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Jene, die Angst vor Selbstwerdung und Angst vor Notwendigkeit haben, setzten deutlich stärker auf Sympathie als ihre Komplementäre mit Angst vor Hingabe und Angst vor Veränderung. Diese packen erst an der Respektseite der Wippe an.
Warum das Ganze als eine Wippe beschreiben werden kann? Klare Kommunikation braucht Balance, sonst ist eine Seite unausgewogen und im Nachteil. Auch in Konfliktsituationen folgen Menschen ihrer DNA und ihrem Streben nach Aufmerksamkeit und Ansehen. Die innere Angst ist hierbei für uns ein Kompass, nach dem wir unsere Strategie in Konflikten ausrichten.
Gastbeitrag
Iris Zeppezauer

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