Kleinanlegerstrategie: AfW warnt vor Überregulierung

08.05.2025

Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW / Foto: © AfW

Die Diskussion um die europäische Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) hat mit zwei neuen sogenannten Non-Papern an Fahrt aufgenommen. Neben der Europäischen Kommission, die erste Vereinfachungsvorschläge präsentierte, haben nun auch Frankreich und Tschechien ein eigenes Non-Paper vorgelegt. Dieses geht noch weiter und fordert weitreichende Deregulierungen. Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW sieht die unabhängige Beratung durch die aktuellen Entwicklungen gefährdet und mahnt praxisnahe Lösungen an.

Die Europäische Kommission war nach dem Start der Trilogverhandlungen beauftragt worden, den RIS-Entwurf im Sinne der Praktikabilität zu überarbeiten. Ihr Non-Paper schlägt vor, vorvertragliche Informationen zu vereinfachen, ESG-Angaben im PRIIPs-KID zu streichen sowie Eignungs- und Best-Interest-Tests zusammenzuführen. Zudem sollen Peer-Gruppen-Vergleiche und Benchmark-Modelle für verschiedene Produktgruppen eingeführt werden. Auch eine Überarbeitung des umstrittenen Inducement-Tests wurde angeregt. Kurz darauf folgte das Non-Paper von Frankreich und Tschechien. Es fordert eine tiefere Deregulierung. Unter anderem sollen die Best-Interest-Prüfung und der Inducement-Test entfallen oder stark eingeschränkt werden. Auch die Anforderungen an die Portfoliodiversifizierung und sogenannte Level-2-Regelungen – präzisierende Ausführungsvorschriften, die maßgeblichen Einfluss auf den Beratungsalltag haben – sollen reduziert werden.

Non-Paper sind in der EU-Gesetzgebung keine offiziellen Rechtsakte, sondern dienen als informelle Diskussionsgrundlage. Sie sind rechtlich unverbindlich, zeigen jedoch auf, welche Lösungswege innerhalb der Verhandlungen erwogen werden.

Bereits vor den beiden Non-Papern hatten Rat und Parlament ihre Positionen abgesteckt. Während der Rat eher auf Flexibilität und Aufsichtsfokus setzt, verfolgt das Parlament eine detailreichere und stärker schutzorientierte Linie. In zentralen Bereichen wie Produkt-Governance, Marketinganforderungen, Sachkunde, Kundenklassifikation und Provisionsregelungen bestehen teils erhebliche Differenzen – besonders aber auch zu dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission aus Mai 2023.

Für den AfW steht fest: Der Ausgang der Verhandlungen könnte die Rahmenbedingungen für die unabhängige Vermittlung auf Jahre prägen. „Die Vorlage dieser beiden Non-Paper zeigt, wie offen die weitere Ausgestaltung der RIS derzeit ist“, erklärt Norman Wirth, Vorstand des AfW. „Gerade für unabhängige Vermittlerinnen und Vermittler ist es entscheidend, dass am Ende keine Regelungen stehen, die Beratung unnötig erschweren oder verteuern. Überregulierung gefährdet am Ende die Vielfalt und den Zugang zu guter Beratung.“

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