Krise als Chance

15.12.2023

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Die Zinswende, steigende Kosten und hohe gesetzliche Vorgaben zur Energieeffizienz setzen die Immobilienbranche seit Mitte 2022 massiv unter Druck. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ungebrochen. Was bedeutet das für die Sachwertanlage Immobilien? Experten geben Einblicke in die aktuelle Stimmungslage des Immobilienmarktes.

Rund zehn Jahre lang herrschte ein ausgesprochener Boom am Immobilienmarkt. Befeuert durch niedrige Zinsen kletterten Bauvorhaben und Preise unaufhörlich nach oben, bis die Euphorie im Sommer 2022 durch die Zinswende ein jähes Ende fand. Seit Juli 2022 hat die EZB den Leitzins bis zum 7. Oktober 2023 zehn Mal in Folge auf 4,5 % erhöht. Infolgedessen ist die Zahl der Transaktionen eingebrochen, die Preise sinken und immer mehr Bauvorhaben werden gestoppt. Gleichzeitig sind die Baukosten gestiegen und die gesetzlichen Vorgaben zur Energieeffizienz haben sich verschärft.

Wohnraummangel und internationaler Anlagedruck

„Es ist zu spüren, dass das Marktgeschehen sich deutlich verlangsamt hat und die Marktteilnehmer versuchen, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Als Unternehmen setzen wir gezielt auf Projekte, die den Grundsatz ‚Lage, Lage, Qualität‘ beherzigen und eine Balance zwischen den erhöhten Zinsen und den ESG-Herausforderungen finden”, erklärt Niclas Wallrafen, COO und Partner der Vision Group. Er ist davon überzeugt, dass die Asset-Klasse im Vergleich zu anderen Investments überdurchschnittlich gut performt. Die Gründe dafür liegen in einer stabilen Wirtschaft, dem voraussichtlich weiter steigenden Wohnraummangel – aktuell fehlen mehr als 700.000 Wohnungen – sowie dem Anlagedruck internationaler Investoren, die Deutschland nach wie vor als sicheren Hafen s

Die Krise birgt auch Chancen

Doch die aktuelle Lage bietet auch Chancen. „Gut aufgestellte Investmenthäuser können jetzt Opportunitäten ergreifen. Die Zurückhaltung der Banken eröffnet zusätzliche profitable Investitionsfenster bei hochattraktiven Projekten, die sich in der Vergangenheit nicht ergeben hätten”, sagt Malte Thies, Geschäftsführer der One Group. Da deren Muttergesellschaft Soravia breit aufgestellt sei und über starkes Eigenkapital verfüge, sieht Thies in der Konsolidierungsphase Chancen für Wachstum. „Bei marktgerechten Produkten, die den Bedenken von Anlegern nachkommen, sehen wir momentan eine hohe Nachfrage. In Form von verschiedenen an den Markt angepassten Konzepten wie exklusiven Club-Deals, Kurzläufern und S-AIFs hat die One Group 2023 bereits über 100 Mio. Euro platziert”, so Thies.

Pflegeimmobilien zeigen sich robust

Bestimmte Sektoren wie Pflegeimmobilen zeigen sich erstaunlich robust, erklärt Sandro Pawils, CSO der Carestone Gruppe. „Der Bau von Pflegeimmobilien ist unverzichtbar, um den demografischen Herausforderungen in Deutschland nach altersgerechtem Wohnraum zu begegnen. Analysten prognostizieren in diesem Segment bis 2040 allein für Neubauten und Revitalisierungen Investitionsbedarfe zwischen 80 und 125 Mrd. Euro”, macht Pawils deutlich. Auch bei Carestone ist die Nachfrage aktuell stabil. Pawils führt dies auf ein gut ausbalanciertes Portfolio aus Bestandsimmobilien und nachhaltigen Neubauten zurück, das den Kunden entweder sofortige Mieteinnahmen oder „erstklassige Finanzierungschancen“ biete. Auch durch die Ausrichtung auf den QNG-Standard beim Neubau ergeben sich für die Kunden finanzielle Vorteile durch KFW-Förderungen. „So können wir im aktuellen Marktumfeld noch Finanzierungslinien mit attraktiven Zinskonditionen von um die 1 % bieten“, berichtet Pawils.

Leasing als alternatives Finanzierungsmodell

Von der angespannten Lage können auch Anbieter profitieren, die alternative Finanzierungsmodelle anbieten. So hat sich die OWNR Deutschland GmbH, die im Bereich Wohnimmobilien in den Städten Berlin, Frankfurt und Hamburg tätig ist, auf Leasing spezialisiert. Nils T. Kohle, Gründer und CMO von OWNR Deutschland stellt aktuell drei Trends fest: Ein leichtes Wachstum der Immobilienangebote, einen Rückzug mittelständischer Kaufinteressenten, die sich eine Immobilie nicht mehr leisten können, sowie einen exorbitanten Druck auf den Mietmarkt. „Diese Entwicklungen führen dazu, dass wir bei OWNR einen starken Zustrom an potenziellen Kunden – also Leasingnehmern – haben. Diese sehen unser Modell als eine Alternative zum Mietmarkt und gleichzeitig als Einstieg in die selbstgenutzte Immobilie”, so Kohle.

Gewerbeimmobilien im Südosten der USA

Hier lohnt ein Blick über den Atlantik. Zwar sorgte die Zinswende auch in den USA für Turbulenzen, allerdings schnitt der Südosten der USA jedoch weiterhin bei fast allen wirtschaftlichen Messgrößen besser ab als andere Regionen, weiß Christian Kunz, Sales & Marketing Manager bei TSO. „Wir selbst sehen weiterhin eine hohe Nachfrage nach US-Gewerbeimmobilien. In diesem Jahr konnten wir allein im Publikumsbereich knapp 65 Mio. US-Dollar platzieren und damit die Beteiligung Active Property III nach Erreichen des maximal vorgesehenen Platzierungsvolumens von insgesamt 225 Mio. US-Dollar schließen“, erklärt Kunz.

Ausblick 2024

Da mit einer Zinssenkung voraussichtlich erstmal nicht zu rechnen sei, steht für Wallrafen 2024 ein weiteres herausforderndes Jahr bevor. Vor diesem Hintergrund erwarten Experten wie Kohle keine Verbesserung bei der Nachfrage bei Wohnimmobilien. „Wir gehen davon aus, dass die Preise leicht nachgeben werden und mehr Objekte auf den Markt kommen, die unter den bestehenden Bedingungen nicht mehr gehalten werden können – was entsprechende Preisnachlässe mit sich führen wird.“ Dadurch ergeben sich natürlich Chancen für Investitionsmöglichkeiten, sind sich die Experten einig. „Der Markt wird grundsätzlich wieder eine Balance aus Mieten, Baukosten, Zinsen und Investitionsrenditen finden müssen“, erklärt Pawils. Bei einem gleichbleibenden Zinsniveau hält Thies eine Besserung der Gesamtlage bis Mitte nächsten Jahres für realistisch. Schließlich steigt der bereits hohe gesellschaftliche Bedarf nach Wohn- und Gewerbeimmobilien weiter an. (mho)