Lebensversicherungs-Reformgesetz schafft Chaos

27.05.2015

Rückkaufswerte sind gestiegen, die Effektivkosten berechnen Versicherer nach Lust und Laune und das Ziel Vertriebskosten auf die Laufzeit anders zu verteilen, haben Versicherer nicht verstanden.

2015-05-28 (fw/db) Der Verlauf der Rückkaufswerte hat sich für Versicherte, die ab diesem Jahr eine private Rentenversicherung oder einen Riester-Vertrag abschließen und später vorzeitig beenden, zum Teil deutlich verbessert. Das ergab die jüngste Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). Das ist eine der wenigen jetzt schon sichtbaren positiven Auswirkungen des Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG).

„Die Rückkaufswerte von Rentenversicherungen waren in der Vergangenheit häufig heftiger Kritik ausgesetzt, weil die Sparer bei einem vorzeitigen Ende in den ersten Jahren häufig nur äußerst geringe Beträge zurückbekamen. Das Lebensversicherungs-Reformgesetz hat in diesem Punkt eine positive Veränderung bewirkt“, sagt Dr. Mark Ortmann, Geschäftsführer des Berliner Instituts für Transparenz (ITA), das im Auftrag des DIA die Studie „Mehr Transparenz, weniger Kosten? – Was hat das Lebensversicherungs-Reformgesetz gebracht?“ angefertigt hat.

Bei klassischen Privat-Renten waren die Rückkaufswerte der untersuchten Tarife im Jahr 2015 bis zum 15. Jahr höher als bei Verträgen, die im Vorjahr abgeschlossen wurden. Klassische Riester-Renten sind bis zum 12. Jahr besser als die Vorläufertarife aus dem vergangenen Jahr. Nach diesen beiden Jahren sind die Rückkaufswerte dann im Durchschnitt niedriger als im Vorjahr. Betrachtet man nur die garantierten Rückkaufswerte, so reicht die Verbesserung im Durchschnitt bis ins 11. Jahr.

 „Diese Verbesserung wollte der Gesetzgeber mit dem Lebensversicherungs-Reformgesetz erreichen. Sie ergibt sich aus den in vielen Fällen gesenkten einmaligen Abschlusskosten und einer Verschiebung hin zu laufenden Kosten. Dem Gesetzgeber ist es gelungen, trotz des schwierigen Marktumfelds kundenfreundliche Verbesserungen anzustoßen“, erläutert Ortmann. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern zum Teil erheblich. Wenn ein Versicherer zuvor schon keine oder nur sehr geringe einmalige Abschlusskosten erhoben hat, dann bleiben die Rückkaufswerte gleich oder verschlechtern sich sogar.

In der Studie vergleicht das ITA klassische Privat-Rentenversicherungen und Riester-Renten der Jahre 2014 und 2015. Erwartungsgemäß sind die garantierten Leistungen gesunken, allerdings etwas weniger, als der gesetzliche Garantiezins gesunken ist. Auch die Leistungen mit Überschüssen sind im Jahr 2015 niedriger als im Vorjahr, wobei die Leistungen weniger stark gefallen sind als die Gesamtverzinsung im Markt. Der Grund dafür liegt in den Kosten.

Die Versicherer haben die Gesamtkosten leicht gesenkt: Bei klassischen Privat-Renten sind die Effektivkosten im Durchschnitt um 0,8 Prozent gesunken, bei klassischen Riester-Renten sogar um 4,9 Prozent.

„Es ist ein erfreuliches Zeichen, dass die Effektivkosten leicht gesunken sind. Der Markt bewegt sich langsam in die richtige Richtung“, resümiert Dr. Ortmann.

Dabei sind die Unterschiede zwischen einzelnen Anbietern enorm. Bei klassischen Privat-Renten sanken die Effektivkosten in der Spitze um 24,0 Prozent, sie wurden aber auch um bis zu 28,6 Prozent erhöht. Bei klassischen Riester-Renten sind die Effektivkosten sogar um bis zu 29,3 Prozent niedriger als bei den Tarifen des Vorjahres, während ein Anbieter sie in der Spitze um 9,0 Prozent erhöht hat.

Einmalige Abschlusskosten sanken

„Das Ziel des Gesetzgebers, die einmaligen Abschlusskosten zu senken, ist erreicht worden“, stellt Experte Dr. Ortmann fest. Im Durchschnitt der untersuchten Tarife sind die einmaligen Abschlusskosten gesunken, allerdings weniger stark, als der Höchst-Zillmersatz gesenkt wurde. Es gibt sogar einige wenige Anbieter, welche die einmaligen Abschlusskosten entgegen der Intention des Gesetzgebers erhöht haben.

Durch die Absenkung der einmaligen Abschlusskosten hat sich der Verlauf der Rückkaufswerte bei den Tarifen des Jahres 2015 verbessert. Kunden, die ihre Rentenversicherung kündigen, erhalten jetzt im Durchschnitt bis zum 15. Jahr (bei klassischen Privatrenten) beziehungsweise bis zum 12. Jahr (bei klassischen Riester-Renten) mehr ausgezahlt. Nach diesen Jahren fallen die neuen Rückkaufswerte allerdings niedriger aus als bei den Tarifen des Jahres 2014.

Chaos herrscht bei den laufenden Vergütungen

Die 3,5 bis 4,5 Prozent die Vermittlungsunternehmer als Vergütung erhalten, wollte der Gesetzgeber anders verteilt haben. Allerdings war dem Gesetzgeber der Unterschied in den Vergütungen je nach Vertriebsweg nicht klar. Im Moment experimentieren einige Versicherer, andere lassen alles wie gehabt und einige senken die Provision oder Courtage einfach auf 2,5 Prozent ab, ohne Ausgleich in der laufenden Vergütung.

Die meisten Anbieter haben, laut der Studie, die gesunkenen einmaligen Abschlusskosten durch höhere laufende Kosten kompensiert. Die Absenkung des Höchst-Zillmersatz habe unterschiedlichen Einfluss auf die Höhe der Vermittlerprovisionen und Courtagen für Versicherungsmakler gehabt.

Die meisten Versicherer zahlen, so die Auswertungen des ITA, Provisionen und Maklercourtagen ungefähr weiter wie im Jahr 2014. Dabei hat der Gesetzgeber das Ziel klar vorgegeben: Weniger einmalige Provisionen oder Courtagen, dafür mehr laufende Vergütung. Ob die Assekuranz sich von allein dorthin bewegt, sei fraglich, so Studienautor Dr. Ortmann.

„Die Kunden seien nach der Reform auch noch nicht viel schlauer als vorher. Die Produktunterlagen, die wir untersucht haben, sind zum Teil eine Zumutung für Kunden Da ist es kein Wunder, dass immer weniger Menschen Altersvorsorgeprodukte abschließen: Man kann die Unterlagen nicht verstehen und auch die Effektivkosten nicht vergleichen“, sagt Experte Dr. Ortmann.

Der Gesetzgeber ordnete zwar an, dass seit 1. Januar 2015 die Effektivkosten ausgewiesen werden müssen, eine einheitliche Berechnungsmethode hat er aber nicht vorgegeben. Versicherer rechnen jetzt die Effektivkosten nach Lust und Laune aus. Der Effektivkosten, die dabei herauskommen, sind heute nach wie vor nicht vergleichbar.

„Die Branche und der Gesetzgeber haben die Chance vertan, die Effektivkosten zu definieren und so für einen einheitlichen Standard zu sorgen“, fasst Dr. Ortmann zusammen und zieht folgendes Fazit: „Mit kleinen Trippelschritten bewegt sich die Versicherungsbranche weiter, sanft vom Gesetzgeber gestupst, in Richtung Kunde. Es bleibt noch viel zu tun.“

Die komplette Studie „Mehr Transparenz, weniger Kosten? – Was hat das Lebensversicherungs-Reformgesetz gebracht?“ analysiert 39 klassische Privat-Renten und 39 Riester-Renten von insgesamt 41 Anbietern. Das entspricht einer Marktabdeckung von 77 Prozent bezogen auf die Privat-Renten und 70 Prozent bei den Riester-Renten. Die Studie kann beim DIA oder beim ITA bestellt werden. Sie kostet 1.990 Euro plus Mehrwertsteuer.

Dietmar Braun