Mehr als Zahlen, Daten, Fakten

08.03.2022

(v.l..n.r) Chadya Kamal, Daniela Landgraf, Lan Anh Nguyen, Tra My Cheng, Luisa Griwatz und Lisa Brunner @ Foto: © Sabrina Henkel

Lenard von Stockhausen: Sprecht ihr Frauen als Kunden anders an? Und wenn ja, ist es ein Vorteil, dass ihr da anders ran geht? Cheng» Das ist ganz unterschiedlich. Unsere Ansprache ist eher locker und unkonventionell. Natürlich gibt es auch Frauen, die wir damit nicht abholen. Deshalb haben wir zwei verschiedene Office-Konzepte. Ein klassisches, eher konser­vatives, direkt am Ku‘damm, das an eine Bank erinnert. Und ein moderneres Büro bzw. auch eine Kunstgalerie, womit wir uns zu 100 % identifizieren können. Dort verbinden wir Finanzen mit Kunst, bieten Jungkünstlern eine kostenlose Fläche für ihre Werke und arbeiten in dieser Atmosphäre auch mit unseren Kundinnen. Ich hatte erst vor kurzem eine Rentnerin, die ihr Erspartes anlegen wollte. Da habe ich mir natürlich dreimal überlegt, wohin ich sie lieber einlade. Ich habe mich für unser klassisches Büro entschieden und sie dort empfangen. Sie hat sich als sehr inspirierende Persön­lichkeit entpuppt, so dass ich sie spontan zu einer unserer ‚Finanzen meets Kunst‘-Sessions in unserem moderneren Büro eingeladen habe, mit fünf jungen Frauen. Dort hat sie mir aber auch gesagt, dass es so genau richtig war. Das mo­derne Büro mit der Galerie fand sie zwar total schön, aber da hätte sie sich komisch gefühlt, offen über ihre Finanzen zu sprechen. Gleichzeitig gibt es aber auch viele, die sich in der lockeren Atmosphäre wohler fühlen und dort ganz offen sein können. Auf unseren Sessions läuft das alles über Smalltalk. Und wem es gefällt, der macht einen Termin aus. Damit holen wir eher die Frauen von heute ab, die mit der klassischen Ansprache eben nicht abgeholt werden.

lb: Das ist also eine ganz andere Ansprache. Chadya, gehst du bei Frauen auch anders vor als bei Männern? Kamal» Es ist ganz wichtig, dass man authentisch bleibt. Und ich denke, das können wir Frauen ganz gut. Wir kön­nen uns nicht dauerhaft verstellen. Mir persönlich gelingt es zumindest nicht. Ich glaube, deshalb habe ich ganz an­dere Kunden als andere Berater. Ich habe wertvolle männ­liche Berater als Kollegen, die sehr nach Zahlen, Daten und Fakten schauen. Ich will eher das Problem bei den Kunden lösen. Mein Ansatz ist ganzheitlich. Ich gehe auf die Kun­den ein und manchmal reichen auch schon ein paar kleine Tipps oder ein Coaching, ohne ein Produkt zu verkaufen. Ich verbinde in der Beratung die logische Welt mit der emotio­nalen Welt. Damit fühlen sich besonders Frauen emotional abgeholt und verstanden. Mir fällt aber immer wieder auf, dass Männer diese Herangehensweise auch sehr schätzen. Ich glaube, Männer mögen es zwar, in der rationalen Daten­welt abgeholt zu werden, aber trotzdem auch dieses Empa­thische und Einfühlsame in der Finanzberatung zu spüren. Damit werde ich sicherlich nie Kunden haben, die nur die logische Komponente brauchen und den emotionalen Rah­men nicht. Cheng» Und genauso, wie sich unsere Kundinnen den rich­tigen Finanzberater aussuchen, ist das umgekehrt genauso wichtig. Ich suche mir die Kundinnen aus, die zu mir passen. Ich möchte eine langfristige Zusammenarbeit und ja, auch Spaß an meiner Arbeit haben.

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