Rentner zahlen Rentnern eine Rente
21.08.2025

Bankrocker Stephan Heider. Foto: © Alexey_Testov
Hurra, der Rettungsring aus Blei: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im Juli 2025 eine Idee lanciert, die vorgibt, ein Rettungsring zu sein – aber eher an Blei erinnert: der „Boomer-Soli“. Eine Sonderabgabe auf alle Alterseinkünfte. Wirklich alle – gesetzliche Rente, Pension, Betriebsrente, Riester, Rürup, selbst das mühsam Ersparte. Du hast vorgesorgt? Bravo! Dann darfst du jetzt bitte 10 % abgeben. Klingt fair? Nee. Klingt eher nach Renten-Roulette mit Zwangssoli verpackt im Geschenkpapier der „Schein-Solidarität“.
Wer ist eigentlich reich?
Wer 45 Jahre eingezahlt und zusätzlich vorgesorgt hat, wird jetzt als „leistungsfähiger Rentner“ identifiziert – steuerlich verwertbar, moralisch zwangsverpflichtet. Alles über dem Grundfreibetrag (aktuell 1.048 Euro) soll um ein Zehntel beschnitten werden – als Gegentrend zum Systemversagen.Wer um die Jahrtausendwende eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen hat – 4 % garantiert, Tinte, Papier, steuerfrei! – merkt nun: Erstens kommt es anders… „steuerfrei“ heißt eben nicht „abgabenfrei“. …und zweitens als du denkst – Karl Marx hätte seine Freude: Der Klassenkampf ist zwar nicht gewonnen, doch der Sorgsame finanziert bald dem Sorglosen das Abendessen! Nicht mit Brot, sondern mit Rentenpunkten.
Solidarität? Ja bitte – aber mit Augenmaß
Die Idee, Menschen mit mehr Einkommen stärker zu beteiligen, ist nicht falsch. Nur eben: Rentner? Und dann auch noch ohne Unterscheidung zwischen dem, der nicht konnte, und dem, der nicht wollte? Das sägt am Ast, auf dem das eh schon dünnfedrige Vertrauen ins Rentensystem sitzt. Die Aussage „Die Jungen dürfen nicht alles schultern“ dreht sich schnell zur Frage: Warum sollen es dann plötzlich die Alten untereinander austragen – völlig egal, wer wie gelebt, geplant oder gelitten hat? Ich – Anzugträger – habe mich mal beim Umblättern am Papier geschnitten, während mein Kunde, Fliesenleger, wohl mit 70 Knie wie die Trommel eines kaputten Zementmischers haben wird. Und jetzt sollen wir beide „solidarisch“ dasselbe (er)tragen? Wäre das wirklich gerecht?
Die Dänen dehnen
Meine Tochter Loni fährt bald zum Schüleraustausch nach Dänemark. Dort wurde das „folkepensionsalder“ auf 70 Jahre ausgedänt (ok, der musste jetzt sein). Mit Übergangsfrist – doch ab Jahrgang 1971 zählt’s. Ich, Jahrgang ’82, fühle aus europäischer Solidarität schon mal mit, sozusagen.
Also Rente mit 70? Ja, aber nicht nur!
Als ich das 2004 in der Teamsitzung meines „Strukki-Büros“ vorgeschlagen habe, haben sie mich ausgelacht. Heute lacht keiner mehr – und in weniger als zehn Jahren wird es Gesetz. Da wette ich. Reicht das? Nein. Darum nähern wir uns doch mal von der anderen Seite. Die Gedanken sind frei …
Was wäre, wenn wir den staatlichen Rentenbezug auf das 90. Lebensjahr begrenzen? Danach: steuerfreie Kapitalrente – und diesmal wirklich steuer-, abgaben- und zwangsspendenfrei. Die Rente nach der Rente eben. Warum nicht die geplanten 10 % Boomer-Soli in eine freiwillige Zusatzvorsorge umleiten? Zum Beispiel in einen Umweltfonds für regenerative Energien? So belohnt das System kluge Vorsorge – und trägt gleichzeitig zur Lösung eines „ganz anderen Problems“ bei. Keine Zwangsumverteilung, sondern eine „Energie-Rente ab 90“ für alle. Biologisch nachhaltig gedacht.
Und bitte – endlich ein echter Systemwechsel
Kapitaldeckung à la Norwegen. Government Pension Fund Global. Ist das nicht längst überfällig? Stattdessen diskutieren wir über Sonderabgaben auf das, was Menschen im Vertrauen aufgebaut haben. Ich bin hier nur Kolumnist, doch ich sage: Wenn man Leistung weiter mit Strafe belegt, zahlt morgen keiner mehr ein. Und dann bleibt nichts mehr, was man verteilen könnte. Irgendwann werden selbst die Gutgläubigsten merken, dass sie umsonst gezahlt haben. Und dann gibt’s keinen Boomer-Soli mehr – sondern solidarischen Protest-Boom mit Rückforderungen.
Warum haften Politiker eigentlich nicht persönlich – so wie wir Makler es tun?
Gerade erleben wir eine tektonische Verschiebung der Solidaritätslinie. Die wirklich Reichen? Unantastbar – mit Stiftung, Schlupfloch, Schattenstruktur. Die Armen? Systemisch geschützt – mit Recht. Während die Alterseinkünfte der fleißigen Mitte langsam aussterben, wie einst Zwergkiwis auf dem neuseeländischen Festland, wird die Spendenpflicht durchgereicht – nicht mehr nach oben, sondern nun seitlich und nach unten. Was hier passiert, ist kein Ausgleich. Es ist ein kaschierter Verzicht – auf dem Rücken derer, die sich nie als reich empfunden haben. Vielleicht lehnen sich bald die Rentner aus dem Fenster und klatschen für andere Rentner. Die Pflegekräfte fanden das vor wenigen Jahren auch schon – äh… „semi-gut“.
Und die Zwergkiwis?
Die sind übrigens zurück. Plötzlich. Nach 50 Jahren. Warum? Weiß keiner. Vielleicht ist das ja unser Modell: Hoffnungsvolles Vertrauen in die Heilkraft der Natur. Oder war’s nur ein Verwaltungsfehler? Wäre typisch deutsch. Ich vermute, wir begrüßen den Zwergkiwi bald als Zug- oder besser gesagt als Wandervogel in Deutschland. Schneller jedenfalls, als der Staat eine faire Lösung fürs Rentensystem findet. Beim Vogelschutz scheint der Elan größer zu sein als beim Schutz des Altersvermögens.
Eine Kolumne von BANKROCKER | Stephan Heider, MBA Versicherungsmakler aus Regensburg
… lebt zwischen Finanzrealität und Rentenpoesie, isst gern Kiwis – wegen dem Vitamin C. Die Früchte, versteht sich …
Und für alle, die lieber hören statt lesen - hier der Bankrocker-Beitrag als Audio-Datei:

Selbst gestalten statt nur verwalten - Warum wir eine neue Balance brauchen
