Risikobegrenzung im Fokus

23.09.2013

Foto: © Syda Productions - Fotolia.com

Mischfonds zählen zu den Absatzrennern und finden offenbar in vermögensverwaltenden Fondsprodukten eine Art Weiterentwicklung. Diese Produkte verfolgen Strategien, die den Nerv der Investoren treffen, Chance und Sicherheit zu vereinen.

In Zeiten der Unsicherheit suchen Berater die „perfekte" Investmentlösung für ihre Kunden. Immobilien sind hoch im Kurs, doch nicht jeder ist in der Lage, um selbst sich Betongold zuzulegen. Die klassischen Sparprodukte werfen kaum Rendite ab. Offensichtlich führt doch kein Weg an Fonds vorbei, die ein zunehmend wesentlicher Baustein in der Altersvorsorge werden müssen. Vermögensverwaltende Fonds erscheinen als ideale Lösung in Zeiten volatiler Börsen und eines unsicheren konjunkturellen Umfeldes. Kapitalerhalt und Verlustvermeidung stehen im Vordergrund.

Laut Branchenverband BVI sind der deutschen Fondsbranche im ersten Halbjahr 41,0 Mrd. Euro neue Mittel zugeflossen. In die Kategorie Mischfonds, zu denen der Verband auch die vermögensverwaltende Fonds (VV-Fonds) subsummiert, flossen im Publikumsgeschäft knapp 6 Mrd. Euro neue Gelder. Damit sind sie derzeit Lieblinge der Fondsindustrie und Investoren.

finanzwelt befragte im Expertengespräch Marktkenner:

Klaus-Dieter Erdmann,

geschäftsführender Gesellschafter MMD Multi Manager GmbH

Carsten Holzki,

Direktor und Head of Sales Invesco Asset Management Deutschland GmbH

Sandra Sonnleitner,

Direktor und Leitung Key Account Management Banken Allianz Global Investors

finanzwelt: Mischfonds zählen neben Rentenfonds zu den am meisten nachgefragten Produkten in der europäischen Fondsindustrie. Nur „wieder" ein neuer Modetrend, um den Absatz anzukurbeln oder tragen die Konzepte dauerhaft?

Erdmann: Für Investoren ist es auf Dauer nicht akzeptabel, wenn ihnen ein Fondsmanager erklärt, dass er gerade signifikanten Verlust gemacht hat, aber damit immer noch eine relativ gute Leistung gegenüber dem Index erbracht hat. Schon jetzt drängt es Investoren immer stärker in Strategien, bei denen der Kapitalerhalt im Vordergrund steht. Das spricht für vermögensverwaltende Fonds. In der Vergangenheit wurden oftmals Branchen- oder Segmentfonds gehypt, die mit dem Konzept der Vermögensverwaltung wenig zu tun haben. Insofern sprechen wir nicht von einem neuen Modetrend, sondern vielmehr von einem tragfähigen Kerninvestment für die Portfolios.

Sonnleitner: Aus meiner Sicht handelt es sich bei vermögensverwaltenden Fonds gerade nicht um einen kurzfristigen Trend. Im Gegenteil: Durch ihre grundlegende Konzeption – der Möglichkeit, in Aktien, Renten, Rohstoffe, Immobilien etc. zu investieren – bieten sie die notwendige Flexibilität, um sich dauerhaft je nach Marktlage auszurichten. Dieses Konzept ist klar in die Zukunft gedacht und nicht rückblickend auf Performance-Aspekte. Vermögensverwaltende Fonds haben damit jedoch auch die Möglichkeit, kurzfristige Trends zu spielen. Somit sind sie langfristig ausgerichtete Anlagelösungen, die aufgrund ihrer hohen Flexibilität insbesondere auch in schwierigen Marktphasen funktionieren können.

Holzki: Wir sprechen in diesem Zusammenhang nicht von einem neuen Trend, sondern beobachten vielmehr am Markt eine Verstärkung der in der Vergangenheit eingeläuteten Rotation zu mehr Sicherheitskonzepten, die für Kapitalerhalt stehen. Diese veränderte Wahrnehmung hat sich bei Beratern und Investoren in den vergangenen zwei Jahren verstärkt. Durch die verschärften Regularien wie Haftungsfragen und weiteren Dokumentationspflichten möchten Berater auf der sicheren Seite stehen und greifen auf vermögensverwaltende Produkte zurück.

finanzwelt: Die Termini Mischfonds und vermögensverwaltende Fonds werden oftmals in einen Topf geschmissen. Der Finanzjargon ist sowieso für manchen Investor nicht ganz so einfach, daher lassen Sie uns das bitte konkretisieren. Wo liegen die Unterschiede? Sind vermögensverwaltende Fonds eine Weiterentwicklung klassischer Mischfonds?

Erdmann: Die Trennlinie zwischen vermögensverwaltenden Fonds und traditionellen Mischfonds zu ziehen ist tatsächlich nicht ganz so einfach. Dennoch haben wir klare Kriterien ausgemacht, die einen vermögensverwaltenden Fonds von einem Mischfonds abgrenzen. Eine Gleichsetzung verwirrt mehr als sie den Kunden und Beratern dient. Wir haben drei so genannte konstitutive Merkmale für vermögensverwaltende Fonds herauskristallisiert, die deterministisch sein sollten: Das Anlagevermögen muss über mindestens drei Anlageklassen gestreut und unabhängig von Marktindizes gemanagt werden. Außerdem müssen die Fonds über ein Risikomanagement zur Begrenzung des maximalen Verlustes verfügen.

Holzki: Drei Merkmale zeichnen einen vermögensverwaltenden Mischfonds aus und grenzen ihn gegenüber klassischen Produkten der Vergangenheit ab: Zum einen sollte er in mindestens drei oder mehr Assetklassen allokieren, er unterliegt keinen starren Grenzen und – ganz zentral – zeichnet er sich durch eine aktive Risikosteuerung aus, die den Nukleus der Anlagepolitik darstellt. Insofern sprechen wir auch von einer Weiterentwicklung im Vergleich zu klassischen Mischfonds. Beispiel: Das französische Flaggschiff Carmignac Patrimoine ist nach unserer Meinung seit mehreren Jahren ein vermögensverwaltender Mischfonds, da das Fondsmanagement auch Derivategeschäfte tätigen kann, um Vermögenspositionen abzusichern oder höhere Wertzuwächse zu erzielen, genauso wie der Invesco Balanced Risk Allocation Fund, der Derivate nutzt, um das Risiko der einzelnen Assetklassen auszugleichen.

Sonnleitner: Einen Mischfonds zeichnen zwei wesentliche Eigenschaften aus: Erstens investiert er in mehrere Anlageklassen – er „mischt" und streut also breiter als z. B. ein reiner Aktien- oder Rentenfonds. Zweitens verfügen Mischfonds meist über sehr klare Anlagegrenzen (z. B. 20 % Aktien und 80 % Renten), die sich in einer zugehörigen Benchmark wiederfinden. Damit ist für den Anleger sehr transparent, wie seine Investition zu jedem Zeitpunkt aufgestellt ist. Vermögensverwaltende Fonds bieten im Vergleich größere Freiheitsgrade in Abhängigkeit der Marktlage. Klassische Benchmarks machen daher wenig Sinn, da diese die Flexibilität des Fonds nicht widerspiegeln können. Ein Risikomanagement gehört für mich bei beiden Fondsarten zur Grundausstattung.

finanzwelt: Vermögensverwaltende Fonds nehmen für sich in Anspruch, wenig zu schwanken und vor Verlusten zu schützen. Greift das Argument bei der Kundschaft oder muss noch vermehrt Aufklärungsarbeit geleistet werden?

Sonnleitner: In den letzten Jahren sind sowohl Berater als auch Kunden sensibler für das Thema Risiko geworden. Wurde der Erfolg eines Fonds früher an dessen Wertentwicklung gemessen, so schauen Investoren heute insbesondere auch auf sein Verhalten in hektischen Marktphasen. „Aufklärungsarbeit" verstehe ich im Sinne von „Erwartungsmanagement". Dem Anleger zu erzählen, dass er mit vermögensverwaltenden Fonds geringere Schwankungen und Schutz vor Verlusten hat, ist nur die halbe Wahrheit. Wenn man sich als Investor für einen Fonds entscheidet, der in die – je nach Marktlage – sinnvollsten Anlageklassen investieren kann, dann bedeutet das nicht, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens eine „schwarze null" am Depotauszug steht. Ein guter vermögensverwaltender Fonds sollte jedoch den Anspruch haben, Schwankungen auf Sicht von 3 bis 5 Jahren (je nach Konzept) auszugleichen und attraktive Erträge zu erwirtschaften.

Erdmann: Der aktuelle Beratungsbedarf ist immens. Hier helfen Ratings, Vergleichsportale und eine klare Begriffsdefinition, um die allgemeine Transparenz im Produktverständnis zu erhöhen. Die Berater sehen sich heutzutage mit einer Vielzahl immer neuer Richtlinien konfrontiert und darunter leidet auch zwangsläufig ihre eigentliche Dienstleistung, die langfristige Beratung der Kunden. Allerdings haben sie den nützlichen Nebeneffekt, dass sich die Beraterzunft zunehmend aus dem Assetmanagement heraushält und sich so auf ihre Kernaufgabe konzentrieren kann.

Holzki: Spätestens mit der Lehman-Pleite hat eine neue Zeitrechnung begonnen, speziell was eine Neudefinition des Risikobegriffs betrifft. Nach mehreren Krisen in kurzen Zeitabständen wollen die Menschen, dass ihr Geld vorsichtig und der aktuellen Situation entsprechend verwaltet wird. Und das leisten eben Fonds, die flexibel in verschiedene Assetklassen wie Aktien, Renten, Rohstoffe oder Geldmarkt investieren können. Aufklärungsarbeit hinsichtlich wesentlicher Kennzahlen findet bereits statt, muss aber noch intensiviert werden. Die Kunden möchten einfach verständliche Produktlösungen.

finanzwelt: Lassen Sie uns über die Kosten sprechen. Passive Indexfonds (ETFs) haben ihren Siegeszug nicht zuletzt der geringen Kosten im Vergleich zu aktiven Fonds zu verdanken. Wie sieht es mit den Kosten bei vermögensverwaltenden Fonds aus?

Erdmann: Insbesondere die Performancegebühren bei Fonds sind umstritten und nach meiner Meinung ein falscher Anreiz. Gerechtfertigt wäre diese Gebühr, wenn im Gegenzug die fixen Kosten gesenkt würden. Frische Gelder lassen sich am einfachsten und besten über eine gute Wertentwicklung des Fonds generieren.

Holzki: Die Performance Fee schmälert natürlich die Rendite, das gilt auch bei vermögensverwaltenden Fonds. Verzichtet ein Fonds auf diese Gebühr, ist zwangsläufig seine Gesamtperformance besser.

**

finanzwelt:** Sind vermögensverwaltende Fonds der „neuen" Generation eine Allzweckwaffe?

Sonnleitner: Auch für vermögensverwaltende Fonds gilt: Passt die Fondslösung zu den Bedürfnissen des Kunden? Wenn diese Frage mit „Ja" beantwortet werden kann, dann sind gerade vermögensverwaltende Fonds mit Sicherheit eine attraktive Anlagemöglichkeit. Gute vermögensverwaltende Fonds können sich durch ihren aktiven Managementansatz in unterschiedlichen Marktphasen bewähren. Das hilft Beratern und Kunden.

Erdmann: Vermögensverwaltende Fonds spielen auch bei Versicherungen eine große Rolle. Der Einsatz von vermögensverwaltenden Produkten im Versicherungsmantel ist begründet, da diese das Fondsvermögen je nach Marktphase über die verschiedenen Anlageklassen streuen mit der Maßgabe, Verluste zu vermeiden. Der Kunde profitiert sodann vom Versicherungsschutz und kann gleichzeitig an den Wertentwicklungen der Kapitalmärkte teilhaben.

Fazit

Die Bedeutung vermögensverwaltender (VV-)Fonds ist in den vergangenen zwei Jahren enorm angestiegen. Rund die Hälfte der traditionellen Mischfonds verfolgt eine Strategie gemäß des vermögensverwaltenden Ansatzes. Viele VV-Fonds konnten laut Analyse der Ratingagentur Scope beim Risikomanagement in volatilen Marktphasen überzeugen, die Spannbreite dabei sei allerdings sehr groß. Noch ist es zu früh, um über die langfristige Bedeutung der jungen Anlageklasse ein abschließendes Urteil zu fällen.

(Das Gespräch führte Alexander Heftrich)

Expertengespräch Vermögensverwaltende Fonds - Printausgabe 05/2013