The Age of Goldilocks

02.04.2024

Befinden sich die Weltaktienmärkte in übertriebener Euphorie oder in vornehmer Zurückhaltung? Sein Resümee zum abgelaufenen ersten Quartal sowie einen Ausblick auf die Jahresentwicklung gibt Zoltan Schaumburger, Portfoliomanager bei Dolphinvest Capital GmbH.

fw: Wie fällt Ihr Fazit zum ersten Quartal des laufenden Jahres aus?

Zoltan Schaumburger: Die Weltaktienmärkte befinden sich seit Herbst 2022 in einer Bullenmarkt-Phase. Dies führte im Laufe des ersten Quartals des aktuellen Jahres dazu, dass erstmals seit 40 Jahren der US-amerikanische, der japanische und der deutsche Aktienmarkt zeitgleich neue historische Höchststände erreichten. Das „Goldilocks-Szenario“ (niedrige Inflation, niedrige Zinsen, moderates Wachstum) wird von den Marktteilnehmern aufrechterhalten. Die Erwartung moderaten Wachstums wird untermauert durch Hoffnungen großer Produktivitätssteigerungen aufgrund des Einsatzeskünstlicher Intelligenz – massive Umsatzsteigerungen bei Halbleiterherstellern werden als Beweis für diesen robusten Trend herangezogen. Inwieweit die zweifellos intakte, strukturelle Nachfrage nach Halbleitern tatsächlich es aber vermögen wird, eine mögliche konjunkturelle Abkühlung abzufangen, werden die kommende Quartale zeigen.

fw: Der DAX notiert Ende März um die 18.000er Marke. Ist das Ende der Hausse erreicht?

Schaumburger: Der DAX hat seit dem Tief vom Oktober 2022 bereits über 55 % zugelegt und befindet sich mit zahlreichen anderen europäischen Märkten – nahezu im Gleichklang – im Rallyemodus auf Allzeithochs. Dabei erscheint das Goldilocks-Szenario, das auch auf Europa Anwendung zu finden scheint, zunehmend hinterfragbar: große geopolitische wie realwirtschaftliche Herausforderungen erhöhen die Fragilität, angefangen beim globalen Superwahljahr 2024 bis hin zu wachstums- und wohlstandsfeindlichen Exzessen – vor allem in einer zunehmend planwirtschaftlich ausgerichteten europäischen Bürokratie. Ein Ende der Hausse ist vor diesem Hintergrund zwar schwer prognostizierbar, aber die europäische Achillesferse erscheint besonders labil.

fw: Werden Nebenwerte im Laufe des zweiten Halbjahres wieder verstärkt im Fokus der Investoren stehen?

Schaumburger: Vor der Euphorie, insbesondere bei den Indexschwergewichten, ist zu warnen. Zwar hat sich jüngst die massive Kaufbewegung von den US-Technologiegiganten verlagert, der Fokus auf nur die größten Unternehmen hat jedoch zu einer historisch hohen Bewertungsspanne bei den Nebenwerten geführt. Letztere scheinen eine Rezession, die größten Titel die beste aller Welten einzupreisen. Unterstellt, die Weltkonjunktur bleibt halbwegs stabil, ist aus unserer Sicht ein Favoritenwechsel im Markt im Jahresverlauf wahrscheinlich, um die jetzt vorherrschenden Bewertungsunterschiede auszugleichen.

fw: Was sollten Anleger angesichts der Indexstände und Bewertungen aktuell tun?

Schaumburger: Unsere meisten Aktienstrategien investieren aus Gründen der attraktiveren Bewertung zu einem signifikanten Teil auch in Nebenwerte und in Schwellenländern – hier gibt es durchaus noch Aufholpotenziale. Angesichts der konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheiten, aber vor allem wegen der zum Teil extrem erhöhten Bewertungen und Exzessen, die durchaus an den Hype im Jahr 2000 erinnern, sind Anleger sicherlich nicht schlecht beraten, bedacht zu agieren. (fw)