Thematisch geprägte Investments spielen eine große Rolle

10.06.2021

Carsten Roemheld - Foto: © Fidelity Investments

Das erste Halbjahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Zeit für ein Zwischenfazit. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was die nächsten sechs Monate für uns bereithalten. Wird die Luft an den Kapitalmärkten dünner? Welche Regionen werden das Rennen machen? Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity, im finanzwelt-Interview. 

finanzwelt: Herr Roemheld, welche Erwartungen hegen Sie für die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte in den kommenden Monaten? Carsten Roemheld: Nach einer sehr positiven Phase für die Aktienmärkte wird die Luft inzwischen merklich dünner. Das wird auch daran deutlich, dass Aktien, die die Gewinnprognosen deutlich übertreffen, nicht mehr mit Kursgewinnen belohnt werden wie jüngst in den USA zu beobachten war. Auch in Europa findet das in kleinerem Umfang statt. Viele Sentiment-Indikatoren sind an oder nahe euphorischen Levels. Das erschwert weitere deutliche Kursanstiege. Durch die überwältigende Liquiditätsflut aufgrund der immensen Fiskal- und Geldpolitik auf der anderen Seite werden fundamentale Entwicklungen überlagert. Ich rechne daher in der Summe mit einem volatilen Geschehen, das auch von Nachrichten zur Pandemie- und Impfsituation beeinflusst wird. Die Indexlevels werden nicht mehr stark steigen, und die Renditen werden eher durch gezielte Wertpapierauswahl generiert.

finanzwelt: Werden wir im laufenden Jahr wieder Phasen erhöhter Volatilität erleben? Roemheld: Ich glaube fest daran, dass die Volatilität im laufenden Jahr wieder nach oben gehen wird, da die Risikofaktoren langsam weiter zunehmen. Insbesondere der Druck auf die FED wird nach dem enormen Wachstumsimpuls der US-Wirtschaft steigen, und damit der Druck auf die US-Bondmärkte. Daher sollte man nicht nur auf die Aktienvolatilität schauen, sondern insbesondere auch auf die Volatilität der Bondmärkte. Diese ist seit den Verwerfungen im Februar im Gegensatz zu den Aktienmarkt-Volatilitäten noch immer deutlich erhöht.

finanzwelt: Wird Value ein tragendes Thema bleiben? Roemheld: Betrachtet man die ganz langfristigen Zyklen an den Aktienmärkten, stellt man fest, dass über weite Strecken der „Value“-Faktor dominiert hat. Das war insbesondere in Phasen der Fall, die von steigenden Zinsen begleitet waren. In diesem aktuellen Zyklus jedenfalls hat „Value“ sehr unterdurchschnittlich performt. Selbst in der jüngsten Erholungsphase haben zyklische Titel das Geschehen klar dominiert und sowohl „Growth“ als auch „Value“ in den Schatten gestellt. Die klassischen Substanzwerte haben hier erhebliches Nachholpotenzial, das sich insbesondere bei steigenden Zinsen manifestieren wird, daher bleibt Value durchaus ein Thema, das mehr Fahrt aufnehmen könnte.

finanzwelt: Sehen Sie ein asiatisches Jahrzehnt im Kommen mit China als zentralem Player? Roemheld: Wenn man die globale Wachstumsdynamik und die demographischen Trends genauer analysiert, kommt man zu der Schlußfolgerung, dass die kommende Dekade wesentlich von der Entwicklung in Asien geprägt sein wird. Über einen hohen Anteil am weltweiten Konsum und einer immer größer werdenden sehr vermögenden Mittelschicht verlagern sich die Gewichte langsam vom Westen in den Osten. China ist dabei der bestimmende Faktor und sorgt über regionale Handelsbeziehungen für eine immer stärker werdenden Unabhängigkeit Asiens gegenüber dem Westen. In vielen Indizes ist diese Entwicklung noch nicht reflektiert, daher plädiere ich stark für einen höheren Portfolioanteil asiatischer Papiere.

finanzwelt: Welche Investmentlösungen sind derzeit sehr nachgefragt? Roemheld: Wir sehen ein deutliches Interesse an Lösungen, die asiatische Anlagen betreffen. Im Unterschied zu vorherigen Krisen haben einige Schwellenländer die Pandemie schneller und effektiver bekämpft als die USA und Europa, obwohl dort insgesamt weniger fiskalpolitische Unterstützung erfolgt als in den USA oder Europa. Thematisch geprägte Investments, sei es im Bereich Technologie, Innovation, Klimawandel oder Nachhaltigkeit spielen weiterhin eine große Rolle für unsere Kunden.

Im Anleihebereich sucht man nach Ersatz für Staatsanleihen der entwickelten Regionen, um sowohl Stabilität im Portfolio zu erhalten als auch die erwartete Rendite nach oben zu bringen. Ein Ersatz für Cash ist nach wie vor ebenfalls von großem Interesse. Weiterhin werden immer stärker Anlagen mit nachhaltigem Investmentansatz nachgefragt. Hier spielen die regulatorischen Vorgaben eine wesentliche Rolle. (ah)