Viessmann-Deal: Warum der Heizungsbauer vom Verkauf enorm profitieren wird

11.05.2023

Robert Giebenrath, Gründer RG Finance GmbH, externer CFO und Unternehmensberater / Foto: © RG Finance GmbH

Viessmann verkaufte seine Wärmepumpen-Sparte an Carrier Global. Dieser Deal sorgt für Aufsehen. Mehr noch: Viele Beobachter sind geschockt. Schließlich ist der deutsche Marktführer im Bereich Wärmepumpen hervorragend aufgestellt. War der Verkauf also wirklich eine gute Entscheidung? Mit Blick auf die boomende Klimasparte scheint das Gegenteil der Fall zu sein.

Jedoch kennt der externe CFO und Unternehmensberater Robert Giebenrath die Antwort: „Viessmanns Entscheidung wird sich langfristig auszahlen“, so der Finanzexperte. „Das Familienunternehmen beweist mit seinem Verkauf Weitblick. Schließlich werden sich die zukünftigen Marktaussichten und seine Margen im Vergleich zu heute wieder normalisieren.“ Giebenrath verrät nachfolgend, warum sich Viessmanns strategische Verkaufsentscheidung gerade jetzt lohnt und was andere Unternehmen daraus lernen können:

Eine realistische Bewertung des eigenen Unternehmens vornehmen

Im Bereich Wärmepumpen ist Viessmann unangefochtener Marktführer in Deutschland. Das belegen auch die Zahlen des Familienunternehmens. Alleine die Wärmepumpen-Sparte bringt jährliche Umsätze in Höhe von beeindruckenden 4 Mrd. Euro ein. Gleichzeitig beläuft sich das EBITDA auf 700 Mio. Euro. Wenig überraschend also, warum viele Marktbeobachter den Deal mit US-Konkurrenten Carrier Global kritisch sehen. Dabei unterschätzen sie jedoch, welche massiven Auswirkungen der bis dato nie dagewesene Bedarf an Wärmepumpen in Deutschland auf die Unternehmenskennzahlen hat.

Zum Vergleich: Für seine Wärmepumpen-Sparte erhielt Viessmann 12 Mrd. Euro. Wer einen Blick in den DAX wirft, sieht ganze Konzerne mit ähnlich hoher Bewertung. Jetzt ist womöglich also der beste Zeitpunkt für den Verkauf einer hervorragend aufgestellten Klimasparte. Dieses Potenzial erkannte der deutsche Heizungsbauer, dessen EBIT-Multiples zwischen 8,1 und 9,8 liegen. Auch die Umsatz-Multiplikatoren geben Aufschluss über eine aktuelle Ausnahmesituation. Sie ergeben Werte zwischen 0,9 und 1,2. Die komplette Rechnung für Viessmann zeigt somit Summen in Höhe von 6,3 Mrd. beziehungsweise 4,4 Mio. Euro.

Aus finanzieller Sicht war der Wärmepumpen-Deal also überdurchschnittlich attraktiv. Auch andere Unternehmen können daraus wertvolle Erkenntnisse für sich mitnehmen. So lohnt es sich in heißgelaufenen Marktphasen oftmals, einzelne Sparten zu verkaufen. Dadurch sichern sich Betriebe wertvolle Liquidität und damit Wachstum. Jedoch steht bei besonders nachhaltigen Entscheidungen nicht unbedingt der finanzielle Aspekt im Vordergrund. Viessmann beweist mit seinem Blick auf die internationale Konkurrenz nämlich auch Weitsicht.

Chancen und Risiken sorgsam abwägen

Die Politik setzt sich ambitionierte Ziele, die den Klimawandel bekämpfen sollen. Hierzu gehören auch wesentliche Änderungen beim Einbau neuer Heizungen. Diese müssen ab 2024 mit 65 % an erneuerbaren Energien betrieben werden. Diese gesetzliche Vorgabe erklärt, warum Wärmepumpen aktuell extrem nachgefragt werden. Dennoch kann Viessmann das komplette Marktpotenzial nicht heben. Der Heizungsbauer müsste hierfür deutlich mehr investieren. Das geht im internationalen Vergleich jedoch mit nicht zu unterschätzenden Herausforderungen einher. Zwar ist Viessmanns Wärmepumpen-Sparte hervorragend aufgestellt. Die Konkurrenz schläft aber nicht, vor allem im asiatischen Raum.

Daher handelt es sich beim Verkauf an Carrier Global um eine durchdachte Entscheidung. Viessmann kann sich auf einen starken Partner verlassen, der dem Standorterhalt Deutschlands bereits zugesagt hat. Gleichzeitig konnte sich der Heizungsbauer 20 % der Anteilsscheine sichern. Auch weiterhin wird Viessmann somit vom florierenden Geschäft mit Wärmepumpen profitieren.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass Anteilseigner Maximilian Viessmann im Aufsichtsgremium von Carrier Global vertreten sein wird. Das belegt den cleveren Charakter des Deals ebenfalls. Letztlich verschaffte sich Viessmann dank ihm also nicht nur finanzielle Vorteile. Vielmehr stärkt das Familienunternehmen damit seine zukünftige Perspektive. Das können sich auch andere Unternehmen vom Heizungsbauer abschauen: Strategische Entscheidungen werden am besten langfristig gedacht.

Gastbeitrag von Robert Giebenrath,
Gründer RG Finance GmbH,
externer CFO und Unternehmensberater