Was hinter dem Wirtschaftskrimi 5G steckt

18.03.2019

Yan Taw Boon, Director of Equity Research (Asia) and Co-Portfolio Manager - Equity Research Thematic Portfolios bei Neuberger Berman / Foto: © Neuberger Berman

Vor etwa zehn Jahren wurde die 4G-Technologie eingeführt, das war der Beginn von Smartphones, Videokonferenzen und HD-Fernsehen. Das Internet und die sozialen Netzwerke veränderten sich. Anstelle von PCs nutzt man heute mobile Endgeräte.

Wenn 4G das Fahrrad war, ist 5G eine Rakete. 5G bietet viele neue Möglichkeiten, zum Beispiel „Massive MIMO“ – Multiple Inputs, Multiple Outputs. Das bedeutet nicht nur, dass Endgeräte Daten schneller herunterladen können. Die neuen Endgeräte können Daten in Echtzeit mit anderen teilen. Es ist keine Pufferung mehr nötig, die zwar nur Sekundenbruchteile, aber eben doch Zeit erfordert. Das sogenannte Internet der Dinge wird möglich. Und das geht weit über Facebook auf einem Smartphone und dreidimensionale Computerspiele hinaus.

Wenn Autos problemlos und in Echtzeit mit Sensoren am Straßenrand und anderen Autos kommunizieren können, kann das autonome Fahren bald Wirklichkeit werden. Chirurgen können mithilfe von 5G-gesteuerten Robotern auch aus der Distanz operieren. Der Kühlschrank kann dem Smartphone mitteilen, dass die Milch leer ist. Das Telefon kann dann Milch im Supermarkt bestellen, der sie mit einem selbstfahrenden Lieferwagen zu den Kunden bringen lässt. Auf ähnliche Weise könnten Unternehmen ein intelligentes Lagermanagement betreiben – ein smartes Warehouse. Und auf der sozialen Ebene könnten Tausende und Abertausende Maschinen miteinander kommunizieren und damit die Smart City möglich machen.

Nichts davon passiert aber ohne 5G. Die neue Technologie ist entscheidend für die Wirtschaft, die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit von morgen. „Ich will in den USA 5G- und selbst 6G-Technologie, so schnell wie möglich“, twitterte US-Präsident Donald Trump im Februar. Da überrascht es nicht, dass das Thema zu Spannungen und Schlagzeilen geführt hat.

Datenschutz und Sicherheit

Viele dieser Schlagzeilen drehen sich um das Thema Sicherheit. Die USA haben nicht nur die Verhaftung von Meng Wanzhou in Kanada verlangt, sondern auch ihren Behörden untersagt, Huawei-Geräte zu kaufen. Ihre Geheimdienstpartner aus Australien, Kanada, Neuseeland und Großbritannien, die sogenannten „Five Eyes“, und die Europäische Union denken über ähnliche Maßnahmen nach – offensichtlich, weil China Huawei verpflichten könnte, die über Huawei-Technik geleiteten Daten dem Staat zur Verfügung zu stellen.

Aber ist Sicherheit wirklich das entscheidende Thema? Warum sollten die gleichen Bedenken nicht auch für die internationalen Wettbewerber von Huawei gelten, für Nokia und Ericsson? Schließlich haben diese Unternehmen größtes Interesse daran, weiter in China tätig sein zu dürfen, wo 5G-Netzwerke mit hohem Wachstumspotenzial wahrscheinlich schon nächstes Jahr in Betrieb gehen. China könnte dadurch an Einfluss gewinnen, wenn es wollte.

Es ist davon auszugehen, dass die aktuellen Entwicklungen eher wirtschaftliche Gründe haben. Insbesondere könnte es darum gehen, den US-Telekommunikationsunternehmen Zeit zu geben, um zu Huawei aufzuschließen. Sie sind nämlich stark zurückgefallen.

Dies scheint auch die Einschätzung der britischen und der deutschen Regierung zu sein. Zunächst hatten sie erwogen, Huawei zu boykottieren, doch in den letzten zwei Wochen sind beide Länder dann dazu übergegangen, Huawei-Technik lediglich zu beschränken oder bilaterale „No-Spy-Abkommen“ mit China zu schließen, damit die 5G-Einführung nicht behindert wird.

Wir stehen noch am Anfang

Die Investmentwelt schließt sich dieser Einschätzung mehr und mehr an. Als Meng Wanzhou im Dezember 2018 verhaftet wurde, gerieten 5G-Aktien noch stärker unter Druck als der zu dieser Zeit ohnehin turbulente Markt. Letzte Woche, als die CFO von Huawei die kanadischen Einwanderungsbehörden wegen unrechtmäßigem Freiheitsentzug anzeigte und das Unternehmen selbst wegen des Kaufboykotts rechtliche Schritte gegen die US-Regierung einleitete, hatten sich viele 5G-Aktien seit ihren Tiefstständen um circa 30 bis 50 Prozent erholt. Die langfristige Gewinnentwicklung spiegelt die schnell wachsende chinesische, südkoreanische und japanische Nachfrage allmählich wider.

Am stärksten profitierten davon Unternehmen, die eine wesentliche Rolle für die Wertschöpfungskette von 5G spielen, beispielsweise wichtige Halbleiterlieferanten oder Hersteller von Simulationswerkzeugen und Testsoftware für drahtlose Netzwerke. Kursgewinne verbuchten aber auch die Hauptzulieferer von Technologien, die weniger eng mit 5G verbunden sind. Beispiele sind Hersteller von faltbaren organischen LED-Bildschirmen, Radiofrequenz-Identifikationstrackern (RFID-Tracking) sowie von Kommunikations- und Instant-Messaging-Software. Selbst Immobilienunternehmen, denen Mobilfunkmasten und Datenzentren gehören, können profitieren.

Wie bereits erwähnt, in den nächsten Monaten werden Huawei und 5G für viele Schlagzeilen sorgen, und nicht alle sind auf den ersten Blick gut. Wir halten die Signale des Marktes aber für eindeutig: Die Nachrichten der letzten fünf Monate markieren den Anfang, nicht das Ende von 5G als Investmentthema.

Kolumne von Yan Taw Boon, Director of Equity Research (Asia) and Co-Portfolio Manager - Equity Research Thematic Portfolios bei Neuberger Berman