AIF: Haftung von Anlageberatern aufgrund falscher Risikoindikatoren
26.06.2025

Dr. Hendrik Müller-Lankow, Rechtsanwalt, Spezialist für finanzmarktrechtliche Beratung, einschließlich Investmentrecht und Beraterhaftung / Foto: © Kronsteyn
Das landgerichtliche Urteil aus dem Februar dieses Jahres schlug ein. Der für offene Immobilienfonds marktüblich ausgewiesene Gesamtrisikoindikator von 2 oder 3 (niedriges oder mittelniedriges Risiko) soll falsch gewesen sein. Stattdessen hätte, so das Gericht, ein Gesamtrisikoindikator von 6 (zweithöchstes Risiko) ausgewiesen werden müssen. Für KVG realisiert sich ein erhebliches Haftungsrisiko, wenn die höheren Instanzen diese Rechtsprechung bestätigen. Aber sind auch Anlageberater bzw. anlageberatende Banken einem Haftungsrisiko ausgesetzt?
Worum ging es in dem Urteil des LG Nürnberg-Fürth?
In dem vom LG Nürnberg-Fürth am 21.02.2025 entschiedenen Fall (Az. 4 HK O 5879/24) klagte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die ZBI Fondsmanagement, welche den offenen Immobilienfonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ verwaltet. Die Beklagte solle es unterlassen, in ihren Basisinformationsblättern (BIB) für den Fonds die Risikoklassen 2 oder 3 (niedriges oder mittelniedriges Risiko) auszuweisen. Dieser Klage gab das Landgericht statt.
Für das Urteil war entscheidend, ob die „Preise“ des Fonds mindestens monatlich festgesetzt werden. Ist dies nicht der Fall, wäre dem Fonds nach der DelVO (EU) 2017/653, welche die PRIIP-VO konkretisiert, pauschal eine Risikoklasse von 6 (zweithöchstes Risiko) zuzuweisen.
Die Beklagte bewertet die Immobilien jedoch – wie bei Immobilienfonds üblich und gesetzlich zulässig – lediglich im dreimonatlichen Turnus. Lediglich die übrigen Vermögensgegenstände des Fonds (Bankguthaben, Forderungen) und Verbindlichkeiten werden täglich bewertet und die Ausgabe- und Rücknahmepreise werden täglich festgesetzt.
Das LG Nürnberg-Fürth stellte sich auf den Standpunkt, dass die tägliche Ermittlung der Ausgabe- und Rücknahmepreise nicht maßgeblich sei. Stattdessen komme es bei einem Immobilienfonds darauf an, dass auch die Fondsimmobilien mindestens monatlich bewertet werden. Begründet hat das Gericht diese Auslegung unter anderem mit dem Sinn und Zweck der Norm. Häufigere Bewertungen würden es dem Anleger ermöglichen, das mit der Anlage verbundene Risiko besser einzuschätzen. Darüber hinaus stützte sich das Gericht auch auf eine Q&A der ESA, welche diese rechtliche Würdigung ebenfalls zu tragen scheint.
Gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth wurde Berufung beim OLG Nürnberg eingelegt. Interessant wird sein, ob sich die Beklagte mit ihren Argumenten wird durchsetzen können. Da es bei der Rechtsfrage um die Auslegung von EU-Recht geht, könnte das OLG die Frage auch dem EuGH zur Entscheidung vorlegen. Letztendlich dürfte der Fall seinen Weg wohl auch zum BGH finden. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung werden also noch ein paar Jahre vergehen.
Keine spezialgesetzliche Haftungsgrundlage für Anlageberater
Bis zum Jahr 2022, als für Investmentvermögen noch Wesentliche Anlegerinformationen (WAI) erstellt werden mussten, gab es mit § 306 Abs. 4 KAGB eine spezifische Haftungsregelung für Anlagevermittler und vermittelnde Anlageberater. Diese sah eine Haftung nur bei Vorsatz vor. Der Berater musste also Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der WAI gehabt haben. Eine Haftung war damit faktisch ausgeschlossen.
Diese Regelung findet jedoch seit dem Übergang zu Basisinformationsblättern im Jahr 2023 keine Anwendung mehr. Die PRIIP-VO enthält keine entsprechend begünstigende Haftungsregelung.
Anwendung der Grundsätze zur Prosekthaftung
Mangels spezieller Haftungsregelung gelten die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätze zur Prospekthaftung der Berater. Das ist auch der allgemeine Meinungsstand in der juristischen Literatur.
Der BGH entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass der Anlageberater seine ihm obliegende Pflicht zur objektgerechten Beratung bzw. seine Auskunftspflicht bereits dadurch verletzt, wenn er einen fehlerhaften Prospekt verwendet. Ein Prospekt ist wiederum fehlerhaft, wenn er über Umstände fehlerhaft unterrichtet, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind.
Diese Grundsätze können ohne Weiteres auf Basisinformationsblätter übertragen werden. Insbesondere dürfte der Gesamtrisikoindikator eine wesentliche Bedeutung für die Entscheidung des Anlegers haben.
Hätte der Anlageberater den Fehler erkennen müssen?
Die Beraterhaftung nach allgemeinen Grundsätzen setzt mindestens Fahrlässigkeit voraus. Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Die entscheidende Frage ist, ob der Berater die Fehlerhaftigkeit des Basisinformationsblatts hätte erkennen müssen.
Der Gesamtrisikoindikator ist zwar ein für die Anlageentscheidung wichtiger Umstand. Dessen Fehlerhaftigkeit festzustellen, ist jedoch in der Regel eine komplexe Fachfrage. Eine korrekte Bestimmung des Indikators kann vielleicht der KVG zugemutet werden, bzw. ist ihr zuzumuten, ggf. unter Einholung externen Rats. Bei Anlageberatern verhält es sich jedoch anders. Es wäre schlichtweg unzumutbar, wollte man ihnen eine teure und zeitaufwändige Detailprüfung des Basisinformationsblatts jedes einzelnen Fonds aufbürden, die sie im Beratungsbestand haben.
Die Fehlerhaftigkeit des Gesamtrisikoindikators war auch nicht offensichtlich. Insbesondere entsprach es jedenfalls dem bisherigen Marktstandard bei offenen Immobilienfonds, einen Indikator von 2 oder 3 (niedriges oder mittelniedriges Risiko) auszuweisen. Eine etwaige Fehlerhaftigkeit hätte dem Berater daher auch aus diesem Grund nicht ins Auge stechen müssen.
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