Darum wird der Goldpreis steigen

07.03.2022

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Bei Anlagestrategie-Gesprächen mit potenziellen Neukunden ist zwar Gold stets ein Thema, aber zu begeistern sind die Ratsuchenden kaum. Psychologisch nachvollziehbar, denn seit dem All-time-high im August 2020 bei 2.070 US-Dollar je Unze pendelt der Preis seit dem 4. Quartal 2020 um die 1.800 Dollar Börsenpsychologen haben festgestellt, dass für das Interesse von Anlegern nichts negativer ist, als eine „eingeschlafene“ Volatilität.

Technisch gesehen ist die Entwicklung positiv, denn seit dem Hoch hat der Preis nur etwa zehn Prozent reagiert. Spätestens nach Überspringen der Zone 1.850/ 1.875 Dollar, wenn auch mit russischer „Hilfe“, dürfte diese Konsolidierung zu Ende sein. Die 200-Tage-Linie ist seit November 2021 wieder steigend und die Bankanalysten reduzierten kürzlich ihre Kursprognosen für 2022. Fazit: Kaum einer hat´s, wenn´s los geht.

Angebot und Nachfrage

Für die Entwicklung des Goldpreises sind, wie bei Aktien auch, Angebot und Nachfrage meist die wichtigsten Parameter. Der Saldo ist bei etwa 4.500 Tonnen derzeit weitestgehend ausgeglichen. Die Förderung pro Jahr stagniert am Produktionshoch nahezu. Etliche Geologen sprechen sogar schon vom Produktions-Peak. Die Förderkosten liegen bei durchschnittlich 1.100 Dollar. Zwischen Entdeckung einer „Goldmine“ und deren Ausbeutung vergehen zwischen sieben und zehn Jahren. Fazit daraus: Eine kurzfristige, kräftige Erhöhung der Goldförderung ist nicht machbar.

Während das Angebot gut einzuschätzen ist, ist die Nachfrage deutlich schwerer zu prognostizieren. Zunächst ist hier die Schmuck- und Münzindustrie zu nennen. In den letzten Quartalen läuft hier die Nachfrage auf höchstem Niveau. Ein Abbruch ist nicht erkennbar. Nettokäufer bei Barrengold sind unter anderen die Notenbanken, die in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt 500 Tonnen jährlich aus dem Markt genommen haben. Die „größten“ Unwägbarkeiten sind die Anleger. Wer deren Verhalten richtig einschätzt, sollte auch mit seiner Kursprognose richtig liegen.

Zinsauswirkungen

Was beeinflusst also die Entscheidung dieser Anlegergruppe? Ein gewichtiger Faktor ist die Einschätzung der Entwicklung der Realzinsen. Einfach dargestellt errechnen sie sich aus den Habenzinsen minus der Inflationsrate. Die Guthabenzinsen liegen bei oder gar unter null. Aufgrund der hohen Verschuldungen (Staaten, Industrie und Private) weltweit ist ein nennenswerter Zinsanstieg nicht bezahlbar. Andererseits ist die Inflation kräftig angestiegen und wird, wenn vielleicht auch etwas abgeschwächt, weiterhin deutlich über zwei Prozent liegen.

Größten Einfluss auf die Realzinsen haben die Notenbanken mit ihrer Zinspolitik. Der Anleger muss allerdings klar unterscheiden zwischen „Ankündigung“ und „Umsetzung“. Die aktuellen Ankündigungen von Zinserhöhungen haben die Marktzinsen etwas steigen lassen und daher den Goldpreis in Schach gehalten. Eine kleine Zinserhöhung würde allerdings nur den bereits erfolgten Zinsanstieg am Rentenmarkt bestätigen.

Nach dem kleinen Börsencrash im Dezember 2018 reagierte die FED mit neuer Liquidität, aber mit der Ankündigung, die Zehnjahresrendite wieder über vier Prozent zu heben (Stand Nov. 18: 3,25 %). Umsetzung: Im Juni 2019 startete die FED die Senkungen des Leitzinses (Tief der 10y-Rendite: 1,50 %). Und wie reagierte der Goldpreis? 2019: von 1.285 auf 1.515 Dollar (plus 18 %) und 2020 von 1.515 auf 1.900 Dollar (plus 25 %), nach dem Hoch im August bei 2.070 Dolalr (plus 36 %).

Anleger wenden sich ab

Viele Anleger sind erst mit Ausbruch der Pandemie im März 2020 eingestiegen und haben so den Goldpreis zu neuen Höhen getrieben. Mit der dann logischen Konsolidierung sind diese sogar teilweise in die Verlustzone geraten. Sie haben zwischenzeitlich ihre Verluste begrenzt, sind wieder ausgestiegen und wollten das Minus mit Apple, Tesla & Co. (inzwischen zweistellig im Minus) wieder ausmerzen. Deren Entscheidung für Gold fiel also nicht frühzeitig mit Weitsicht (und Geduld), sondern mit der Angst „etwas zu verpassen“. Fazit: Trotz zweistelliger Jahres-Performance in 2019/ 2020 haben viele Gold-Trader Verluste eingefahren und sind wieder ausgestiegen.

Nichtinvestierte Anleger rechtfertigen ihr Desinteresse mit der provokativen Frage: Warum hat sich der Goldkurs in 2021 kaum bewegt, obwohl die Inflation kräftig gestiegen ist. Die Frage ist zwar, wenn man den Zeitraum isoliert betrachtet, berechtigt, berücksichtigt jedoch nicht, dass der Preis im August 2020 die steigende Inflation mit einen neuen All-time-high vorweggenommen hatte. Die Jahresbetrachtung ist auch viel zu kurzsichtig, denn wer 1971 mit Bretton Woods Gold gekauft hat, blickt nach 50 Jahren auf einen jährlichen, durchschnittlichen Zuwachs von ca. 11 Prozent. Wohlgemerkt: Pro Jahr! Diese Performance schlägt manchen Index und die meisten Währungen. Vor allem aber: Die Inflation!

Weitere Gründe für einen steigenden Goldpreis erklärt Vermögensverwalter Rolf Ehlhardt auf Seite 2.