Die konkrete Verweisung in der BU-Versicherung

25.05.2023

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Dauerhaftigkeit der Verweisungstätigkeit 

Um die Lebensstellung des Versicherten prägen zu können, muss die neu aufgenommene Tätigkeit zudem eine gewisse Dauer aufweisen (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 165, 2020). Denn bei einer nur kurzfristigen Tätigkeit entspricht die neue Lebensstellung der alten noch nicht (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 165, 2020). Wann eine neu aufgenommene Tätigkeit nicht mehr als kurzfristig gilt, muss im Einzelfall betrachtet werden. Jedenfalls wird keine Kurzfristigkeit mehr angenommen, wenn die Schwelle einer sechsmonatigen Probezeit überwunden ist (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 166, 2020). Eine Befristung steht der Prägung der Lebensstellung hingegen nicht entgegen, da diese im modernen Arbeitsmarkt nicht unüblich sind und das nicht von der Berufsunfähigkeitsversicherung abgedeckte Arbeitsplatzrisiko widerspiegeln (OLG Saarbrücken, Urteil v. 30.09.2008 – 5 U 156/08 – 16). Hat der Versicherte jedoch eine neue Tätigkeit ausgeübt, die grundsätzlich vergleichbar war, und wurde er in dieser gekündigt, steht das einer Vergleichbarkeit der Lebensstellungen dem OLG Hamm nach nicht entgegen, da sich auch in einem solchen Fall das Arbeitsplatzrisiko realisiere. Denn schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund einer Kündigung, die nicht gesundheitsbedingt ist, können im Rahmen der Berufsunfähigkeit keine Berücksichtigung finden (siehe auch Verweisungstätigkeit und Arbeitsplatzverlust bei Berufsunfähigkeit). Wenn jedoch die neu ausgeübte Tätigkeit aufgegeben werden muss, weil auch diese gesundheitlich nicht zumutbar ist, liege ein Fall der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit vor, so der BGH (siehe auch Verminderte Leistungsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit als Normalzustand des Versicherten?). Denn maßgeblich sei dann die Tätigkeit, die vor der nachfolgenden, leidensbedingt nicht ausführbaren Tätigkeit begonnen wurde.

Zu betrachten ist also, ob die Tätigkeit, für die sich der Versicherte entschieden hat, tatsächlich dazu geeignet ist, die bisherige Lebensstellung zu wahren oder nicht. Ob es ihm dabei möglich wäre, die Tätigkeit so zu gestalten, dass dies der Fall ist, ist nicht maßgeblich. Vielmehr ist der Versicherer an die Entscheidung des Versicherten hinsichtlich Art und Umfang der neu ausgeübten Tätigkeit gebunden (BGH, Urteil v. 07.12.2016 – IV ZR 434/15).

Darlegungs- und Beweislast bei der konkreten Verweisung

Sollte sich der Versicherer auf die konkrete Verweisungsklausel berufen wollen, so stellt sich die Frage, hinsichtlich welcher Tatsachen der Versicherte und bzw. oder der Versicherer beweispflichtig sind.

Anders als bei der abstrakten Verweisung ist bei der konkreten Verweisung der Versicherte beweispflichtig. Wird bereits eine andere Tätigkeit ausgeübt, obliegt es dem Versicherten zu beweisen, dass diese keine bedingungsgemäße Vergleichstätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellt (BGH, Urteil v. 21.04. 2010 – IV ZR 8/08). Dies ergibt sich daraus, dass der Versicherer im Gegensatz zum Versicherten nicht weiß, welche konkreten Anforderungen die neue Tätigkeit mit sich bringt. Der Versicherte muss von Anfang an detailliert vortragen, weshalb die neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung nicht wahrt. Das gilt auch hinsichtlich der Tatsache, dass die neue Tätigkeit aus gesundheitlicher Sicht nicht in dem Umfang ausgeübt werden kann, der in der Lage wäre, die bisherige Lebensstellung beizubehalten (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 8. Kapitel Rn. 222, 2020).

Gelingt dem Versicherten der Beweis der fehlenden Vergleichbarkeit der Lebensstellung, ist wiederum der Versicherer in der Beweislast, dass eine Vergleichbarkeit der Lebensstellung eben doch vorliegt (BGH, Urteil vom 23.01.2008 – IV ZR 10/07).

Die Beweislast trifft den Versicherten demnach um einiges „härter“, wenn er bereits eine neue Tätigkeit aufgenommen hat und sich auf die fehlende Vergleichbarkeit der Lebensstellungen berufen will.

Kolumne von RA Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht