Die Märkte kennen zur Zeit nur noch Optimisten - diese begehen „Cherry Picking“

22.02.2023

Serdar Kucukakin, Senior Sovereign Research-Analyst, Aegon Asset Management Foto: © Aegon Asset Management

22. Februar 2023 - Die Märkte begehen „Cherry Picking oder Rosinenpickerei“, d. h. sie suchen sich das aus, was am besten zu einem positiven Ausblick passt. Meinungsverschiedenheiten über die wirtschaftliche Entwicklung sind normalerweise ein gutes Zeichen für ein ausgewogenes Gesamtbild. Unabhängig von der Phase des Konjunkturzyklus gibt es immer positive und negative Faktoren zu berücksichtigen. Betrachtet man jedoch die aktuelle Marktstimmung, so ist dieses Gleichgewicht verschwunden. Es gibt keine Pessimisten mehr, nur noch „normale Optimisten und "Superoptimisten".

Die „Superoptimisten“ glauben, dass insbesondere die Fed eine weiche Landung der Wirtschaft herbeiführen wird. Die Inflation wird ihrer Meinung nach deutlich zurückgehen, ohne die Wirtschaft in den negativen Bereich zu drücken. Dadurch würde der Anstieg der Zinssätze gestoppt werden, während Aktien einen Aufschwung erführen. Mit Blick auf das Jahr 2024 wird dies angeblich einen Rückenwind für die wirtschaftliche Wiederbelebung schaffen.

Die "normalen Optimisten“ räumen ein, dass es zwar eine harte Landung, d. h. Rezession, geben wird. Sie sind jedoch davon überzeugt, dass diese eher harmlos ausfällt. Diese "milde Rezession" wird sogar als willkommen angesehen, weil sie zu einer dringend benötigten Lockerung auf dem Arbeitsmarkt führt. Dieses Szenario ist zwar weniger positiv, aber immer noch ein einigermaßen wünschenswertes Ergebnis für die Märkte. In diesem Szenario würden Anlageklassen wie Aktien einen Rückschlag erleiden, allerdings nur einen leichten.

Beide Szenarien sind zwar durchaus möglich, aber nicht die einzigen. Die Diskussion über andere Szenarien scheint jedoch verschwunden zu sein. Es ist das erste Mal in meiner Investmentlaufbahn, dass ich andere Wirtschaftswissenschaftler abschätzig über eine bevorstehende Rezession sprechen höre. Ich habe sogar einen Kommentator enthusiastisch sagen hören: "Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind sehr gut aufgestellt, um mit der bevorstehenden milden Rezession fertig zu werden". Was ist zunächst einmal mild an einer Rezession, die nach dem Konsens der Eurozone ein ganzes Jahr andauern könnte? Die technische Definition einer Rezession liegt bei nur zwei Quartalen wirtschaftlicher Schrumpfung.

Wunschdenken

Wenn man sich die Daten ansieht, auf die sich Ökonomen und Märkte bei ihrer Entscheidungsfindung stützen, ist es leicht, Informationen herauszupicken, die ihre Vorurteile bestätigen. Nennen wir es "Cherry Picking oder Rosinenpicken". In den USA beispielsweise sind die PMIs für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor in den Bereich der Kontraktion gefallen. Dies ist ein klares Signal für die künftige wirtschaftliche Entwicklung. Gleichzeitig hat sich die Arbeitslosenquote jedoch nicht so negativ entwickelt und bleibt recht niedrig. Es ist zwar wahrscheinlich, dass sich der Arbeitsmarkt mit der Zeit entspannen wird, aber das ist noch nicht abzusehen.

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