KI in der Vermögensverwaltung - ein Erfahrungsbericht

12.05.2025

Stefan Schmitt, Geschäftsführer der INNO INVEST GmbH. Foto: © INNO INVEST

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Vermögensverwaltung gehört zweifellos zu den spannendsten technologischen Fortschritten der letzten Jahre. Doch während viele Marktteilnehmer große Ankündigungen machen, scheitern sie an der praktischen und regulatorischen Umsetzung. Bei INNO INVEST haben wir den Weg von der Idee einer automatischen Vermögenverwaltung bis zur Anwendung am Kunden beschritten. Heute können wir sagen: KI funktioniert. Nicht als Black Box, sondern als transparenter Teil unserer täglichen Arbeit. Dieser Artikel ist ein Erfahrungsbericht – und ein Appell an die Branche.

Das klassische Asset Management ist unter Druck: immer schneller werdende Märkte, höhere Volatilität, steigende Regulierung und zu guter Letzt noch wachsende Ansprüche der Kundinnen und Kunden an Effizienz und Individualisierung.

Der Anfang: KI als Antwort auf strukturelle Herausforderungen

Für uns war klar: Wir brauchen eine Technologie, die nicht nur unsere internen Prozesse optimiert, sondern echten Mehrwert für unsere Kunden liefert. Der Startschuss fiel 2019 mit der Entwicklung einer eigenen Wealthtech-Plattform. Daraus entstand 2021 das Projekt „KI im Portfoliomanagement“. 2022 startete die eineinhalbjährige Family-and-Friends-Phase mit echten Kunden. Seit 2024 ist die KI im offiziellen Kundenvertrieb.

Anders als viele FinTechs, die auf bestehende Tools zurückgreifen, entschieden wir uns für einen eigenen Weg. Das Ziel: Eine KI-Vermögensverwaltung, die nicht nur Daten auswertet, sondern echte Portfolioentscheidungen trifft, Risiken antizipiert und die daraus resultierende Entscheidung automatisch an der Börse umsetzt. Dabei lag der Fokus zunächst auf der Entwicklung eines Modells zur Risikosteuerung, das Marktsignale erkennt und automatisch die Investitionsquote anpasst. Doch jeder Algorithmus ist dabei auch nur so gut wie seine Codierung. Aus diesem Grund sprachen wir mit mehreren Quant-Boutiquen in ganz Deutschland und testeten unterschiedliche quantitative Modelle. Schließlich entschieden wir uns für den Code der Quant-Boutique Aledius. In Realtime routet er Signale ins Portfoliomanagement. Diese Signale unterziehen wir einem automatischen Prüfungs- und Compliance-Prozess und generieren daraus echte Trades, die innerhalb von Sekunden an der Börse umgesetzt werden.

Über die Quant-Boutique werden täglich bis zu 3.500 Assets pro Sekunde gelesen und analysiert. Bis zu 30 speziell ausgewählte Signale werden in die Wealthtech-Plattform geroutet. Theoretisch können wir alle Signale automatisch handeln. In der Praxis wird jedoch nur eine spezielle Auswahl der ankommenden Signale in echte Trades der Kundenportfolios umgesetzt.

Die Lernkurve: Warum gute KI oft konservativer ist als gedacht

Natürlich verlief der Entwicklungsprozess nicht linear. Eine der größten Herausforderungen: Die KI war anfangs zu vorsichtig. Sie wartete auf statistisch eindeutige Trends – was in dynamischen Märkten zwar zu schnellen Verkäufen, aber zu verspäteten Wiedereinstiegen führte. Ein Effekt, den man aus der klassischen Sentiment- oder Technischen Analyse kennt, den wir aber durch gezieltes Fine-Tuning reduzieren konnten. Ebenso spielte die am besten geeignete Positionsgewichtung mathematisch eine signifikante Rolle, was in der Family-andFriends-Phase erprobt wurde.

Gegenüber dem klassischen Trading hat das zwei entscheidende Vorteile: Die KI handelt faktenbasiert, also ohne Emotionen. Und sie ist schnell. Sehr schnell. Innerhalb von Sekundenbruchteilen können Analysen getätigt, Entscheidungen über Kauf und Verkauf getroffen und innerhalb weniger Sekunden auch umgesetzt werden. Bei diesen Prozessen ist der Mensch also klar im Nachteil. Im digitales Portfoliomanagement ist eine künstliche Intelligenz dem Menschen haushoch überlegen.

Die KI vereint alle Schritte vom Marktscreening bis zum Handelssignal auf einer WealthtechPlattform. Dabei entscheidet die Algorithmik nicht nach einem festgelegten Regelset, sondern reagiert flexibel und lernt aus aktuellen Marktdaten. Sie greift nicht nur auf historische Marktdaten zurück, sondern nutzt tägliche Echtzeitdaten in Verbindung mit Sentiment-Analysen So schaffen wir es, Risiken sehr früh zu erkennen und gleichzeitig gute Chancen zu identifizieren.

Die KI-basierte Strategie erzielte 2024 eine Performance von über 16 Prozent nach Kosten. Mittlerweile ist sie im Haus eine beliebte Strategie und wird gerne als Diversifikation zu klassischen Portfoliostrategien gewählt. Der größte Unterschied zu anderen Robo-Advisory-Modellen: Unsere Lösung ist nicht standardisiert, sondern einzeltitelbasiert und in den individuellen Mandatsprozess eingebettet – inklusive menschlicher Kontrollinstanz.

Die Regulierungsfrage: Innovation braucht Struktur

Wer KI wirklich einsetzen will, muss sich intensiv mit den regulatorischen Anforderungen auseinandersetzen. Denn KI-Systeme in der Vermögensverwaltung sind – auch wenn sie automatisiert arbeiten – Teil eines streng regulierten Geschäftsmodells. Es geht nicht nur um technische Machbarkeit, sondern um Compliance, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und vor allem um Kundenschutz.

Jede neue Strategie, auch KI-gestützt, ist Teil des aufsichtsrechtlich geprüften Investmentprozesses. Es braucht robuste Dokumentationspflichten, eine klare Entscheidungs- und Compliance-Architektur – und keine Black-Box-Logik. Daher arbeiten unsere KI-Modelle ausschließlich im Zusammenspiel mit menschlicher Aufsicht. Sie liefern Empfehlungen, die, wenn nötig, durch das Portfoliomanagement händisch angepasst werden können.

Der Erfolgsfaktor: Tech-Team plus Technologie-Infrastruktur

Wesentliche Grundlage war die frühe Entscheidung, eine Wealthtech-Plattform zur Umsetzung quantitativer Strategien zu entwickeln. Ein eigenes Tech-Team ermöglichte eine agile Umsetzung. Parallel dazu wurde die Infrastruktur aufgebaut: Cloudbasierte Datenverarbeitung, APIs zu Depotbanken, Echtzeit-Schnittstellen zu Marktdatenanbietern – alles, was eine skalierbare WealthtechPlattform heute braucht.

Auch die enge Verzahnung mit dem Haftungsdach war entscheidend. Denn die Kombination aus regulierter Plattform und technologischer Skalierbarkeit erlaubt es, quantitative Strategien nicht nur für unsere eigenen Mandate zu nutzen, sondern diese über unsere B2B-Plattform auch unabhängigen Vermögensverwaltern, Beratern und Family Offices zur Verfügung zu stellen: „Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit Aledius: Das Unternehmen darf unsere KI-Strategie exklusiv als vertraglich gebundener Vermittler im Rahmen unseres Haftungsdachs vertreiben.“

Das Fazit: Was hat die KI-Entwicklung gebracht?

Der Weg von der Idee zur aufsichtsrechtlich-konformen KI in der Vermögensverwaltung ist steinig, aber lohnend.

- KI funktioniert, wenn sie richtig eingebettet ist.

- Innovation ohne regulatorische Substanz ist wertlos.

- Hybride Modelle aus Mensch und Maschine sind kein Übergangsmodell, sondern der neue Standard.

Ich bin überzeugt: Die nächste Evolutionsstufe in der Vermögensverwaltung wird nicht von Banken getragen, sondern von agilen Plattformen, die Technologie, Regulatorik und Beratung vereinen.

Ein Gastbeitrag von Stefan Schmitt, Geschäftsführer INNO INVEST GmbH.