Zeit für unterbewertete Perlen
04.02.2015

Morten Borg
**Die Luft am Aktienmarkt wird zunehmend dünner. Jetzt noch auf den fahrenden Zug aufspringen? finanzwelt sprach mit *Morten Borg, Portfoliomanager des Jyske Invest Favourite Equities. finanzwelt*: Bitte beschreiben Sie Ihre Value-Momentum Strategie
Borg: Die Auswahl von Papieren, die zugleich unterbewertet (Value) sind und eine positive Geschäftsdynamik (Momentum) erleben, geht auf gut dokumentierte, wissenschaftliche Erkenntnisse zurück. Investoren erreichen langfristig eine risikobereinigte Mehrrendite, indem sie nachweisbare Regelwidrigkeiten – Anomalien – im Aktienmarkt strategisch nutzen. Beide Strategien für sich genommen sind eher gegensätzlicher Natur. Deshalb sind sie normalerweise für verschiedene Anlegertypen interessant.
Value-Anleger sind langfristig ausgerichtet. Das gilt zum Beispiel für Analysen und Renditeerwartungen. Momentum-Anleger sind eher auf kurzfristige Nachrichtenströme und Aktienbewegungen fokussiert. Oft funktionieren die beiden Strategien nicht zur selben Zeit. Und gerade deshalb ist eine Kombination der beiden Strategien sinnvoll. Potenzielle Schwächen der einen können durch die Stärken der anderen Strategie ausgeglichen werden. Value-Aktien beispielsweise müssen reifen. Deshalb müssen reine Value-Investoren teils Jahre auf einen Kursanstieg warten. Hier greift der Momentum-Faktor als Indikator dafür, ob eine Value-Aktie zum Kursanstieg bereit ist. Hat eine unterbewertete Aktie ein positives Momentum, kann mit einem Kursanstieg gerechnet werden. Value-Kriterien dagegen können als Korrektiv wirken, wenn es um die Frage geht, ob Investoren Momentum-Aktien möglicherweise zu teuer einkaufen. Die Kombination von Value und Momentum ist deshalb ein starkes Risk-Return-Steuerungsinstrument für die Strukturierung von Aktienportfolios.
finanzwelt: Wo sehen Sie die Vorteile dieser Strategie, insbesondere im jetzigen Kapitalmarktumfeld?
Borg: Das wichtigste Argument für unsere Kombi-Strategie ist die verbesserte Erfolgsrate verglichen mit reinen Value- oder reinen Momentum-Strategien. Obwohl beide auf lange Sicht effektiv sind, wissen Sie nie genau, wann Value und Momentum wirken – eine kombinierte Strategie steigert jedoch die Erfolgschancen. Das gilt auch für die risikobereinigten Renditen.
finanzwelt: Was bedeutet die Umsetzung der „Value-Momentum-Strategie" für das Portfolio und die Performance?
Borg: Die Strategie eignet sich für Anleger, die langfristig eine Überrendite im Vergleich zu einer passiven Marktrendite erreichen wollen. Allerdings liefert die Value-Momentum-Strategie ähnlich wie jede andere Strategie nicht jedes Jahr eine Überrendite. Eine Auswirkung von Momentum als Teil einer Stockpicking-Strategie ist ein höherer Aktienumschlag im Portfolio im Vergleich zur traditionellen Value-Strategie. Und höhere Umsätze zahlen sich aus, da der Fondsmanager so Gelegenheiten schneller und gezielter nutzen kann.
finanzwelt: Bitte erzählen Sie uns noch einige Details zu ihrer Erfolgsbilanz
Borg: Alle Aktienportfolios von Jyske Invest basieren auf derselben Anlagephilosophie – wir kombinieren Value und Momentum für die Aktienauswahl. Im global ausgerichteten Aktienfonds Jyske Invest Favourite Equities stellen wir 30 bis 50 ausgewählte Aktien zusammen. Diese Stockpicks sind alle nach attraktivem Value und solidem Momentum selektiert. Wir nutzen diese Strategie jetzt seit mehr als zehn Jahren. In dieser Zeit haben wir eine solide Überrendite erreicht. Laut Morningstar hat unsere Strategie die Global Large-Cap Blend Equity Kategorie in den vergangenen 10 Jahren mit jährlich 3,9 Prozentpunkten übertroffen. Das heißt auch, wir lagen hier im Schnitt pro Jahr besser als der Durchschnitt unserer Vergleichsgruppe mit mehr als 600 Fonds.
finanzwelt: Die Märkte sind von einer hohen Volatilität getrieben – ist das gut für ihre Strategie?
Borg: Die aktuelle Volatilität ist in der Regel kein wirklicher Gegenwind für die Value-Momentum-Strategie. Extreme Reaktionen der Anleger wie Euphorie oder Panik waren in der Vergangenheit herausfordernd. Die Strategie zeigte zum Beispiel 1999 Schwächen, als die Papiere unterbewerteter Unternehmen Verluste einbrachten, weil Value-Aktien bei Anlegern überhaupt nicht mehr gefragt waren. Oder 2008, als die Finanzkrise in einer Panik gipfelte und sich in Kursverlusten für Momentum-Aktien niederschlug. Zurzeit dürften wir aber weder einer Euphorie noch einer Panik entgegen sehen. In dieser Hinsicht befinden wir uns in einem normalen Marktumfeld, das für die Value-Momentum- Strategie gute Chancen bietet.
Das Interview führte Alexander Heftrich

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