Das „neue Normal“? Reorganisation am laufenden Band

08.08.2025

Prof. Dr. Georg Kraus, Prof. Dr. Henning Werner. Fotos: © privat/PRofilBerater

Beim Realisieren von Changeprojekten, die auf eine Effizienzsteigerung abzielen, haben viele  Unternehmen bereits eine große Routine entwickelt. Probleme bereitet ihnen aber der steigende  Reorganisationsbedarf und dass sich der Charakter der Projekte zunehmend ändert. Das zeigt eine OnlineBefragung von Führungskräften.

Die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns der Unternehmen verändern sich immer rascher – und zwar kontinuierlich. Deshalb finden in ihnen zurzeit so viele Reorganisationsprojekte wie noch nie statt – meist mit dem Ziel, die Marktfähigkeit des Unternehmens wieder herzustellen oder diese zu bewahren.

Diese Projekte haben stets eine hohe Relevanz für den künftigen Erfolg der Unternehmen. Deshalb wollten die Unternehmensberatung Kraus & Partner und das IfUS Institut an der SRH Hochschule Heidelberg wissen,
- welche Erfahrungen die Unternehmen in den zurückliegenden Jahren mit solchen Projekten gesammelt haben und
- wie sie den künftigen Change- bzw. Reorganisationsbedarf einschätzen.

Reorganisationsprojekte gehören zum Unternehmensalltag

Deshalb führten sie eine Panel-Diskussion mit einer integrierten Online-Befragung zum Thema Reorganisation durch, an der 183 Führungskräfte von Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden teilnahmen. Die Befragung der zumeist auf der mittleren und oberen Führungsebene angesiedelten Führungskräfte ergab, dass in den letzten drei Jahren

- 29 Prozent von ihnen eine,
- 46 Prozent zwei bis drei und
- 25 Prozent sogar vier und mehr

Reorganisationen in ihrer Organisation erlebt haben. Dies zeigt: Dass in den Unternehmen parallel zum laufenden Betrieb Reorganisationen erfolgen, ist inzwischen – zumindest in größeren Organisationen – keine Ausnahmesituation mehr. Es ist das „neue Normal“.

Ertragssteigerung ist meist das primäre Ziel

Im Rückblick äußerten die Befragungsteilnehmer, dass das Gros der Reorganisationsprojekte auf

- eine Kostensenkung (71,6 Prozent),
- eine Produktivitätssteigerung (63,4 Prozent) bzw.
- eine Umsatzsteigerung/Markterweiterung (54,6 Prozent) abzielten (Mehrfachnennungen möglich). Ziele wie  die Qualität/Kundenzufriedenheit erhöhen (30,0 Prozent),
- die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen (17,5 Prozent),
- die Innovationsfähigkeit steigern (31,7 Prozent),
- die Unternehmenskultur verändern (38,3 Prozent) und
- die Digitalisierung vorantreiben (39,4 Prozent).

spielten hingegen eine eher sekundäre Rolle bzw. hatten eine dienende Funktion bezüglich solcher Ziele wie Kostensenkung sowie Produktivitäts- und Umsatzsteigerung.

Den Erfolg der durchgeführten Reorganisationen „gemessen an den definierten Zielen“ bewerteten die Befragungsteilnehmer auf einer Fünfer-Skala (1 = mangelhaft/minimal; 5 = sehr gut/exzellent) gemittelt mit 3,45 – also zwischen befriedigend und gut. Die Führungskräfte stuften den Erfolg der Reorganisationsprojekte in ihrer Organisation also deutlich höher ein, als dies die meisten Studien suggerieren: Sie kommen häufig zum Schluss, dass beim Gros der Projekte die Ziele nicht oder nur teilweise erreicht werden.

Erfolgsfaktoren: Kommunikation und Engagement des Managements

Als zentrale Erfolgsfaktoren nannten die Führungskräfte (Mehrfachnennungen möglich)

- eine klare und regelmäßige Kommunikation (78,4 Prozent),
- eine Unterstützung und ein aktives Engagement des Top-Managements (75,2 Prozent),
- einen Einbezug der Mitarbeitenden und Führungskräfte (69,8 Prozent),
- eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung (64,4 Prozent) und
- ein erfolgreiches Change-Management (48,7 Prozent).

Auffallend ist dabei, dass den Einflussfaktoren „ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen“ (41,2 Prozent), „realistische Zeit- und Budgetplanung“ (32,8 Prozent) und „professionelle Projektmanagementorganisation (PMO – 23,8 Prozent)“ eher eine geringe Bedeutung beigemessen wird.

Als zentrale Faktoren, die zum Misserfolg von Reorganisationsprojekten führen, wurden hingegen genannt:

- unklare Zielsetzung (86,9 Prozent),
- mangelhafte Kommunikation (84,7 Prozent),
- Parallelität von Reorganisation und Alltagsgeschäft (72,4 Prozent),
- unklare Zuständigkeiten (65,8 Prozent) sowie  Widerstände in der Organisation (56,6 Prozent).

Eher selten scheint die Ursache der Misserfolge jedoch ein schlechtes Change-Management zu sein (25,5 Prozent). Dies liegt vermutlich daran, dass zumindest die größeren Organisationen in den zurückliegenden Jahren bereits viel Erfahrung im Managen von Change-Projekten, die primär auf eine Kostensenkung und Produktivitätssteigerung abzielen, gesammelt haben.

Auffallend ist, wie oft die „Parallelität von Reorganisation und Alltagsgeschäft“ als zentraler Misserfolgsfaktor von Reorganisationsprojekten genannt wird. Die damit verbundene „Doppel- bzw. Mehrbelastung“ führt, wie unter anderem die Panel-Diskussion zeigte, häufig zu einer Überforderung insbesondere der Führungskräfte und Mitarbeiter auf der operativen Ebene und einer falschen Prioritätensetzung im Arbeitsalltag, insbesondere dann, wenn

- das Top-Management, die Bedeutung, die es dem Projekt beimisst, nicht nachdrücklich genug vermittelt, und
- diese nicht in die Leistungsbeurteilung einfließt.

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