Sehen sich Berater und Fondsanbieter weiteren Ansprüchen geschädigter Anleger ausgesetzt?

16.10.2025

Foto: © SRD - stock.adobe.com

Bereits in finanzwelt-Ausgabe 05/2024 hatte an dieser Stelle mein Kollege und TILP-Partner Marc Schiefer über die Risiken offener Immobilienfonds ausführlich berichtet. Ein weiteres Jahr ist vergangen und in diesem Thema hat sich einiges bewegt. Dieser Beitrag gibt eine Zusammenfassung des bisherigen Verlaufs wieder, zeigt die möglichen rechtlichen Auswirkungen für Berater und Fondsanbieter auf und schließt mit einem Ausblick ab.

Wie bekannt, werteten bereits mehrere offene Immobilienfonds ihren Nettoinventarwert (net asset value, NAV) respektive die darin enthaltenen Immobilien ab. Zu nennen sind hierbei vor allem der KanAm Leading Cities Invest (Abwertung im November 2023 um ca. 12 %, steht zwischenzeitlich vor seiner 3. Abwertung) und der UniImmo: Wohnen ZBI (Abwertung im Juni 2024 um ca. 18 %). Letzterer ist aufgrund seiner Größe und Prominenz Hauptaugenmerk dieses Artikels; die anzusprechenden rechtlichen Auswirkungen sind auf Berater und Fondsanbieter anderer offener Immobilienfonds größtenteils übertragbar.

Die Gründe für die Abwertung des UniImmo: Wohnen ZBI waren angeblich vielfältig, jedoch weder neu, noch überraschend. Union Investment gab für die im Juni 2024 durchgeführte Sonderbewertung des UniImmo: Wohnen ZBI an, es müsse aufgrund der Corona-Pandemie (welche bereits vier Jahre zurücklag), des Ukraine-Krieges (immerhin zwei Jahre) und der daraufhin gestiegenen Zinsen und Baukosten eine Wertberichtigung durchgeführt werden. Dass eine lineare Wertsteigerung des Fonds seit Auflage im Jahr 2017 nichts mit einer diversifizierten Immobilienwirtschaft zu tun hat und die Wertberichtigung aus unserer Sicht vielmehr eine Realitätsannäherung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der erworbenen Immobilien darstellt, blieb unerwähnt.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat gegen ZBI Fondsmanagement GmbH („ZBI“) vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wegen falscher Risikoklassifizierung auf dem Basisinformationsblatt („PRIIP“) einen Sieg in erster Instanz erstritten (Az. 4 HK O 5879/24, nicht rechtskräftig). Seit dem 01.01.2023 müssen Fondsanbieter Käufern ein sog. PRIIP (engl. Packaged Retail and Insurance-based Investment Products) beilegen. Union Investment, bzw. die Fondsanbieter ZBI, sehen sich seit Mai 2025 einer weiteren Klage gegenüber. Die auf Verbraucherschutz spezialisierte Kanzlei TILP hatte im Mai dieses Jahres ebenfalls gegen ZBI geklagt und zusätzlich einen Antrag auf Zulassung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens gestellt. Am möglichen Musterverfahren teilnehmen können alle Käufer von Anteilen des UniImmo: Wohnen ZBI, deren Kauf nach dem 01.01.2023 stattfand. Käufer, die vor diesem Datum Anteile erworben haben, können im Einzelfall u. a. im Wege der Falschberatung gegen ihren Berater oder ihre beratende Bank vorgehen.

Die Klage gegen ZBI richtet sich gegen die aus Sicht der TILP-Anwälte und des Landgerichts Nürnberg-Fürth falsche Ausweisung eines Risikoindikators („2“) auf den PRIIPs. Auf diesem PRIIP ist ein Risikoindikator mit einer Skala von 1 bis 7 angegeben. Je niedriger die Einstufung, desto geringer ist das Risiko nicht seinen gesamten Einsatz bei Verkauf zurückzuerhalten und umgekehrt. Offene Immobilienfonds werden seitens der Fondsanbieter in Risikoklasse 1 oder 2 eingestuft, mithin mit geringem Risiko ausgewiesen und von Finanzberatern entsprechend mit einem geringen bis gar keinem Risiko eines (Teil-)Verlustes der Einlage beworben. Der Ansicht der Verbraucherschützer nach müssen offene Immobilienfonds kategorisch in Risikoklasse 6 eingeordnet werden. Der Grund ist legislativer Art: Die Delegierten-Verordnung zur europäischen PRIIP-Verordnung regelt in Anhang II Teil 1 Nr. 4 c), dass verpackte Anlageprodukte, deren Preise nicht mindestens monatlich festgesetzt werden oder die keine geeignete Benchmark oder keinen geeigneten Stellvertreter haben, in Risikoklasse 6 einzustufen sind. Zum Merkmal „Preise“ haben sich zwei divergierende Meinungen gebildet: Eine Ansicht sieht „Preise“ als Anteilspreise (Anteilspreis = NAV / Anzahl der Anteil) – so argumentiert ZBI –, was bedeutet, dass sogar börsentäglich eine Berechnung der Preise vorläge und jedenfalls der UniImmo Wohnen: ZBI nicht unter Anhang II Teil 1 Nr. 4 c) DelVO falle. Eine andere Ansicht anerkennt als „Preise“ den Preis des NAV – der Summe aller Vermögenswerte des offenen Immobilienfonds. Auf den ersten Blick vermag es für den Betrachter keine Unterscheidung beider Ansichten zu geben, ob nun der Anteilspreis, basierend auf dem NAV geteilt durch die Anzahl der Anteile oder der NAV selbst als „Preise“ i.S.d. Verordnung gelten. Für die korrekte Wiedergabe der Immobilienwerte ergeben sich jedoch ausschlaggebende Differenzen:

„Preise“ als Anteilspreis bedeutet, es genüge für die Wertermittlung, die Immobilien des jeweiligen Fonds nur einmal alle drei Monate von einem externen Gutachter begutachten zu lassen. Wird demnach der Wert einer Immobilie beispielsweise am 01.10. ermittelt, erfolgt die nächste Wertberechnung der Immobilie erst wieder am 01.01. des Folgejahres. In der Zwischenzeit wird der Wert der Immobilie fortgeschrieben – sie erfährt in der Zeit weder eine Auf- noch Abwertung. So ergeben sich lineare Wertfortschreibungen im Chartbild des Fonds. Der Vertrieb nutzt diese linearen Chartbilder, um das Investment in „Betongold“ als risikoarme und gering-volatile Anlage vermarkten zu können.

Hingegen bedeutet – nach Ansicht der Verbraucherschützer, des LG Nürnberg-Fürth und TILP – „Preise“ als Preis des NAV, dass der gesamte NAV (bestehend aus allen Immobilien) monatlich bewertet werden muss, nicht nur alle drei Monate. Das würde die Volatilität des NAV und damit der Anteilspreise deutlich erhöhen, weil eine Wertfortschreibung der Immobilien nicht stattfinden würde. Ein stringent linearer Chart des Fonds wäre somit nicht mehr möglich, Anleger würden leichter erkennen können, dass ein Investment in einen offenen Immobilienfonds durchaus gewisser Volatilität unterzogen ist.

Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite